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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Wiener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0108

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 13. 19. Januar 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

WIENER BRIEF

Die Herbstausstellungen der Künstlervereinigungen
und der Kunstsalons standen diesmal im Zeichen der
Kollektivausstellungen von Gästen und Mitgliedern,
beides Veranstaltungen, die dankbar zu begrüßen
sind. Ganz besonders hervorzuheben ist aber der
glückliche Gedanke, im Rahmen der Mitgliederaus-
stellung Kollektivausstellungen einzelner Mitglieder zu
veranstalten, die uns mit der Persönlichkeit, dem Können
und dem Wollen des Künstlers ungleich inniger ver-
traut machen als ein paar noch so gut ausgewählte
Bilder. Freilich verträgt nicht jeder eine Kollektiv-
ausstellung; mancher, dessen von der Jury glücklich
ausgewählte Bilder oder Statuen einen recht günstigen
Eindruck machen, entpuppt sich bei reichlicherer Be-
teiligung als herzlich unbedeutendes Persönchen, auf
dessen intime Bekanntschaft man gerne verzichtet
hätte. So ging es heuer mehrmals zu. Caveant con-
sules, die Ausstellungsleitungen mögen sich in acht
nehmen, ihren Schützlingen mit solchen Ehrungen
keine Danaergeschenke zu machen!

Beginnen wir mit der Herbstausstellung des alt-
ehrwürdigen (bald hätte ich gesagt altersgrauen)
Künstlerhauses, die heuer übrigens in der Art der
Hängung der Bilder ein moderneres Gesicht aufgesetzt
hatte. Der interessanteste Teil dieser Ausstellung
war die in drei Sälen des ersten Stockwerkes unter-
gebrachte Gedächtnisausstellung des am 24. Oktober
1910 verstorbenen Schlachtenmalers und Porträtisten
Siegmund L'Allemand. L'AlIemand war 1840 geboren,
stand an der Wiener Akademie hauptsächlich unter
dem Einflüsse des Historienmalers Karl Blaas, dessen
Nachfolger im Lehramte er auch im Jahre 1883 wurde.
Er machte den schleswig-holsteinschen Krieg 1864
und den italienischen Krieg 1866 mit und hat auf
Grund der Studien, die er hier zu sammeln Gelegen-
heit hatte, die Hauptepisoden dieser Feldzüge gemalt.
Eine Reihe dieser Bilder, die sich zum Teil im
Besitze des Kaisers und in öffentlichen Wiener
Sammlungen befinden, waren ausgestellt. Am er-
freulichsten sind die figuralen Studien, Kohle auf
grauem Papier, weiß gehöht, die die Bewegung und
besonders das Stoffliche sehr glücklich erfassen. Diese
Exaktheit der Wiedergabe findet sich auch in den aus-
geführten Gemälden, eine Exaktheit, die diese Bilder
dem militärisch interessierten Beschauer gewiß sehr
wertvoll macht als Dokumente eines gut beobachten-

den Augenzeugen. In künstlerischer Hinsicht lassen
die Gemälde freilich das meiste zu wünschen übrig,
da gerade mit Rücksicht auf die absolut getreue, bei
den Köpfen der Anführer porträtmäßig genaue Dar-
stellung auf die atmosphärischen Veränderungen
Verzicht geleistet wurde. So bekommen diese Bilder
etwas vom Tone eines sachlichen Kriegsreporters, der
nichts anderes will, als einen wahrheitsgemäßen
Bericht liefern. Konnte man bei diesen dokumen-
tarischen Bildern denken, daß vielleicht auf künst-
lerische Momente bewußt Verzicht getan wurde, so
wird man bei den historischen Bildern (Szene aus der
Schlacht bei Kolin 1757 vom Jahre 1864, Ankunft
der Dampierre-Kürassiere im Burghofe zu Wien 1619
vom Jahre 1882) gewahr, daß dieser Verzicht kein
freiwilliger war, da L'Allemand es auch hier nicht über
einen trockenen Kostümbericht hinausgebracht hat.
Auch seinen repräsentativen Porträts fehlt es an Be-
deutung und psychologischer Vertiefung, von der
ärmlichen Malerei ganz abgesehen. L'Allemand wird
als geschickter, manchmal flotter Zeichner geschätzt
werden, seine Gemälde dürften, in künstlerischer Hin-
sicht, kaum jemals Interesse erregen.

Gleich neben L'Allemand fand eine Kollektiv-
ausstellung Franz Alts Platz, des neunzigjährigen
Bruders des großen Rudolf von Alt, der wie sein
Bruder und wie sein Vater Jakob hauptsächlich Aquarell-
veduten in kleinem Format aus der ganzen Welt ge-
malt hat. Auch hier ist der künstlerische Genuß
recht gering, die große Anzahl von Blättern von
den vierziger Jahren bis heute hat weit mehr kultur-
historische und kostümliche als künstlerische Qualitäten.
Die Malweise ist, besonders im Vergleich zu den
äußerlich so ähnlichen Blättern seines Bruders,
schwächlich und charakterlos. Als Gast des Künstler-
hauses hat Carlos Grethe aus Stuttgart eine große
Reihe seiner Seebilder ausgestellt, breit gemalt, oft
schwer und trüb in der Farbe, in den besten Stücken
aber in der Darstellung des Nebels und der den
Nebel durchbrechenden Lichter überzeugend. Die
»Sonnenspiegelung«, aus Wolken durchbrechende
Sonne, die grell von dem Küstenwasser reflektiert,
davor winzige, silhouettenhafte Gestalten, schien mir
eines der besten Bilder. Die Ausstellung der Mit-
glieder selbst hielt das übliche Niveau des Künstler-
hauses ein. Ganz besonders schlecht war diesmal
das von der guten Gesellschaft favorisierte »Spezial-
 
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