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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Münchener Brief
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0135

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Nekrologe — Personalien

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Orangen- und eine Fisch Verkäuferin ausgestellt, Werke,
wie man sie dem Renoir von einst nicht zutrauen möchte.
Es ist einem unfaßbar, wie ein Künstler, der die Familie
Sisley, die Loge, das Mädchen mit der Katze usw.
gemalt hat, zu einer derartigen Süßlichkeit herabsinken
konnte, noch unfaßbarer aber, daß es Leute gibt, die
gerade die späte und letzte Periode Renoirs für seine
bedeutendste erklären. Ich muß gestehen, daß ich diese
rosa Mädchenakte mit ihren wulstigen Gliedern, den
ganz flauen, verblasenen Farben im Beiwerk und Hinter-
grund für die Äußerungen eines durchaus senilen
Geistes halte, der seine künstlerische Kraft nahezu
vollständig verloren, der aber immer noch das Be-
dürfnis des Schaffens, des Neugestaltens hat. So
schmerzlich uns das Schicksal dieses ehemals so be-
deutenden Künstlers berührt, so dürfen wir uns doch
andererseits nicht sein letztes unartikuliertes Stammeln
als große Kunst aufdrängen lassen. Gerade dem
Freund guter französischer Malerei muß es Pflicht
sein, derartiges abzulehnen, will man wirklich hervor-
ragenden Werken unserer westlichen Nachbarn den
Eingang in unsere Museen ermöglichen.

Zum Schluß wäreaus München noch von einer schönen
und pietätvollen Unternehmung zu berichten, die sich
an den Heimgang Tschudis knüpft. In dem leiden-
schaftlichen Streben, die ihm anvertrauten Sammlungen
auszubauen und auf die höchste Höhe zu heben, hat
Tschudi während seines Münchener Direktorats mehr-
fach günstige Gelegenheiten benutzt, moderne Meister-
werke ersten Ranges, die im Markte waren, durch
rasches Zugreifen festzuhalten, besonders Werke der
französischen Impressionisten. So hinterließ er im
Magazin der Pinakothek eine wundervolle Kollektion
der Klassiker des Impressionismus, über die die amt-
lichen Verfügungen noch ausstanden. Jetzt haben,
angeregt durch den tatkräftigen Kustos Dr. Braune
(der übrigens jetzt eben gerade zum Direktor der
Neuen Pinakothek ernannt worden ist), einige Kunst-
freunde Stiftungen gemacht, mit deren Hilfe diese
Bilder wohl dauernd in die Neue Pinakothek über-
gehen. Es besteht der Wunsch, die Kollektion vor-
läufig geschlossen als Tschudi-Gedächtnis-Stiftung in
einem Saale beieinanderzuhalten. Doch befindet sich
diese Frage noch in der Schwebe, wenn auch gerade
eben das Hauptstück der Kollektion, Manets »Früh-
stück im Atelier«, als Schenkung eines Gönners dem
Besitzstand der Neuen Pinakothek offiziell einverleibt
worden ist. B.

NEKROLOGE

In Paris ist am 4. Januar, 78 Jahre alt, ein feingebil-
deter und geschmackvoller Sammler gestorben: Henry
Rouart, der allen kunstverständigen Besuchern durch
seine reichen Schätze ein liebenswürdiger Führer war,
ist nach längerer Krankheit seinen Leiden erlegen. Seine
Sammlung, die nur auserwählte Stücke enthielt, umfaßt
neben zahlreichen graphischen Blättern an 250 Gemälde,
unter anderem ist Corot, Courbet, Daumier, Delacroix,
Degas, Goya, Fragonard, Millet, Manet, Renoir mit einer
Reihe von Hauptwerken vertreten. Es steht noch nicht
fest, ob die Sammlung geschlossen erhalten bleibt oder
zur Versteigerung gelangen wird.

PERSONALIEN
X Prof. Dr. Hans Mackowsky, der zurzeit, wie wir
jüngst mitgeteilt, aushilfsweise bei der Neuordnung der
Nationalgalerie mit tätig ist, ist zugleich zum Direktor des
Berliner Rauch-Museums ernannt worden. Damit erhält
dies schöne, von den Berlinern selbst wie den fremden
Besuchern der Hauptstadt freilich viel zu wenig beachtete
Museum, das ein Jahr lang, seit dem Tode des Bildhauers
Hundrieser, verwaist war, endlich wieder eine neue Leitung
und eine Persönlichkeit, die, wie man annehmen darf, im
Laufe der Zeit die längst erwartete Reform des Instituts
durchführen wird. Das nächste Ziel dürfte sein, mit dem
Rauch-Museum ein Schadow-Museum zu verbinden. Der
ausgezeichnete Schadow-Kenner Mackowsky wäre dazu
besonders geeignet, und die Übersiedelung der Kunst-
schule (mit der das Museum seit seiner Begründung 1865
verbunden ist und auch fernerhin verbunden bleiben soll)
nach Charlottenburg — der Neubau wird freilich noch
einige Jahre auf sich warten lassen — würde eine günstige
Gelegenheit bieten, eine solche Erweiterung vorzunehmen.

München. Der Konservator an den staatlichen Galerien
Bayerns Dr. Heinz Braune wurde als Nachfolger des ver-
storbenen Professors August Holmberg mit der Leitung
der Kgl. Neuen Pinakothek betraut. Er gehört schon seit
einigen Jahren zum Stabe der Münchener Museumsbeamten
und war einer der energischsten Helfer bei dem großen
Reorganisationswerk Hugo von Tschudis. Braunes wissen-
schaftliche Arbeiten bewegten sich bisher hauptsächlich auf
dem Gebiete der altdeutschen Kunst. Er schuf gemeinsam
mit Karl Voll und Hans Buchheit den Gemäldekatalog des
bayrischen Nationalmuseums. Später schrieb Braune auch
der Gemäldesammlung des Germanischen Museums den
wissenschaftlichen Katalog. Seine umfassende Kenntnis
des bayerischen Gemäldebesitzes kam dann der Alten Pi-
nakothek außerordentlich zugute.

X Max Liebermann sind in jüngster Zeit fast gleich-
zeitig von zwei ausländischen Korporationen Ehrungen
dargebracht worden. Das Institut de France in Paris hat
ihn zu seinem korrespondierenden Mitglied ernannt — seit
Menzel und Knaus der erste Fall in Deutschland —, und
die Akademie in Stockholm ließ ihm die gleiche Auszeich-
nung zuteil werden.

Neue Mitglieder der Berliner Akademie der
Künste. Von der Genossenschaft der ordentlichen Mit-
glieder der Berliner Akademie der Künste sind in der
Sektion für die bildenden Künste zwei Bildhauer zu Mit-
gliedern der Akademie gewählt worden: Prof. Hermann
Hosaeus und Prof. Fritz Klinisch.

Professor Louis Tuaillon hat anläßlich der Friedrichs-
feier den Orden Pour le merite erhalten.

Wien. Dem Kommissar des österreichischen Pavillons
der Internationalen Kunstausstellung in Rom, Direktor der
Modernen Galerie in Wien Dr. Friedrich Doernhoeffer,
ist das Oroßkreuz des italienischen Kronenordens verliehen
worden.

Die Berliner Sezession hielt im Januar ihre General-
versammlung ab, um den Vorstand neu zu wählen. Das
Resultat war die Wiederwahl der bisherigen Mitglieder
und die Neuwahl von zwei Künstlern: des Landschafters
Theo von Brockhusen und des Bildhauers Georg Kolbe.
Erster Vorsitzender bleibt Lovis Corinth, zweiter Vorsitzen-
der der Bildhauer Prof. August Kraus. Das jetzt elfköpfige
Kollegium wird von sechs Malern und einem Bildhauer
vervollständigt. Es sind Hans Baluschek, Robert Breyer,
Konrad von Kardorff, George Mosson, Waldemar Roesler
und Ernst Barlach.
 
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