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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Kirstein, Gustav: Theodor Schreiber
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Der Kampf um das neue Berliner Opernhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0165

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Der Kampf um das neue Berliner Opernhaus

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Großen und hat auch hierüber eine sehr gründliche
Arbeit verfaßt.

Daß die Ergebnisse seiner Forschungen bei seinen
Fachgenossen nicht ungeteilten Beifall fanden, darf
nicht verschwiegen werden; aber Studniczka hat an
seinem Grabe gesagt: der Kern seiner wissenschaft-
lichen Lebensarbeit wird nicht verloren gehen.

Und so soll Schreibers eigentümliche Persönlich-
keit voll innerer Güte und Schreibers Leistung für
das Leipziger Museum in langer, dankbarer Erinnerung
bleiben. Q US TA V KIRS TEIN.

DER KAMPF UM DAS NEUE BERLINER
OPERNHAUS

Die gesamte deutsche Architektenschaft befindet sich
seit geraumer Zeit in lebhafter Erregung über die Art, wie
die für Berlin bedeutungsvolle Angelegenheit des neuen
königlichen Opernhauses auf dem sogen. Krollschen Terrain
im Tiergarten behandelt wird. Diese Erregung ist in den
letzten Wochen noch gestiegen, da mit einem Schlage das
Problem aus der Geheimniskrämerei, die seit zwei Jahren
damit getrieben wurde, ins Stadium der Öffentlichkeit
getreten ist. Es handelt sich hier ja nicht um ein archi-
tektonisches Unternehmen der Krone allein — wie es z. B.
die Wiener Hofoper darstellt —, sondern um einen Bau,
dessen Kosten zu drei Vierteln (neun von zwölf Millionen
Mark) vom preußischen Staat bestritten werden soll, wobei
man noch auf eine Beteiligung der Stadt Berlin rechnet,
während die Krone selbst nur drei Millionen zuschießt.
So konnten denn, da das Abgeordnetenhaus nicht länger
als bloße Bewilligungsmaschine fungieren wollte, die in
der Stille bestellten und gefertigten Pläne nicht mehr der
Kritik und dem Publikum entzogen werden. Sie wurden
öffentlich ausgestellt — und ein allgemeines unwilliges
Staunen ist die Folge.

Kurz mag hier die Vorgeschichte des jetzigen Projekts
dargelegt werden. 1904 wurde vom Geh. Baurat Genzmer,
der damals das Schinkelsche Schauspielhaus in Berlin
umbaute, ein Plan zum Umbau des alten Knobelsdorff-
schen Opernhauses entworfen. Zwei Jahre später entstand
Genzmers bedenklicher Vorschlag, das alte Haus abzureißen
und an seiner Stelle eine neue Hofoper zu bauen — damals
setzte die stürmische Bewegung zur Erhaltung von Fried-
richs des Großen »Zauberpalast« ein, die denn auch
siegreich blieb. So sah man sich für den Neubau, der,
wie versichert wurde, notwendig sein sollte — es gibt
Leute, die das auch heute noch nicht zugeben —, nach
einem andern Platze um. Eine Zeillang dachte man an
das Terrain, auf dem heute die Singakademie und das
Finanzministerium stehen; doch das wäre gar nicht
geeignet gewesen. Und 1909 entstand Genzmers Vor-
entwurf zu einem Opernhause auf dem fiskalischen Kroll-
schen Gelände am Königsplatz, gegenüber dem Reichstags-
gebäude. Für diesen Platz entschied man sich und ging
an die Arbeit.

Das Ministerium für öffentliche Arbeiten, das nun die
Angelegenheit ressortmäßig übernahm, schrieb einen Wett-
bewerb aus — nein doch: eben keinen allgemeinen Ideen-
wettbewerb, wie man ihn erwartet hätte und forderte,
sondern es lud acht Künstler zur Einsendung von Ent-
würfen ein. Auf das dringliche Verlangen der Ötfentlich-
keit nach einer allgemeinen Konkurrenz, das inzwischen
nie verstummt ist und heute angesichts der vorliegenden
Resultate des anderen Verfahrens lauter als je erklingt,
antwortete die Regierung neulich in einem Vortrage des
Geheimrats Saran mit der mystischen Erklärung, der viel-

fach komplizierten Aufgabe wegen sei ein solcher Weg
»als nicht geeignet« erschienen — eine völlig unverständ-
liche Begründung, mit der sich gar nichts anfangen läßt.
Jene acht Künstler waren: Genzmer, v. Ihne, Fürstenau,
Thiersch, Littmann, Seeling, Karst & Fanghänel und Ludwig
Hoffmann. Der Berliner Stadtbaurat lehnte ab; er sei
anderweitig zu sehr in Anspruch genommen. Die übrigen
sieben entsprachen der Einladung. Ihre Entwürfe, 1910
eingeliefert, seitdem ängstlich geheim gehalten, — wir
werden noch darauf zurückkommen —, sind jetzt im Ab-
geordnetenhause ausgestellt, zusammen mit den Ergeb-
nissen des zweiten Wettbewerbs, der nun inszeniert wurde,
nachdem die des ersten nicht befriedigten.

Zu dieser zweiten Konkurrenz zog man drei von jenen
Sieben heran: Littmann, Seeling und v. Ihne. Aber siehe
da, es kam noch ein vierter hinzu: der Regierüngsbaumeister
Hans Grube, ein unbeschriebenes Blatt. Damit hatte es
folgende Bewandnis. Zwischen dem ersten und dem
zweiten Wettbewerb fanden unter den beteiligten Ministerien
der öffentlichen Arbeiten, des königlichen Hauses und der
Finanzen Verhandlungen statt. Es wurde dabei im Bauten-
ministerium auf Grund des brauchbar Erscheinenden im
ersten Wettbewerb ein neuer Entwurf ausgearbeitet, der zwar
vom Hausministerium, besser: von der Generalintendanz,
die ihm unterstellt, noch genauer: vom Intendanten Grafen
Hülsen-Haeseler, zunächst wegen mancher Mängel im
Inneren nicht ohne weiteres akzeptiert, aber doch als
Grundlage für die Fortarbeit angesehen wurde unter Be-
rücksichtigung bestimmter Sonderwünsche der Intendanz.
An diesem Entwurf war Grube wesentlich beteiligt, und es
wurde nun vom Hausministerium der Wunsch geäußert,
daß auch dieser junge, unbekannte Architekt neben den
genannten drei älteren Künstlern »mitkonkurrieren« möge
— ein Wunsch, den das Bautenministerium um so schneller
erfüllte, als bekannt war, daß er auch an maßgebendster
Stelle geteilt wurde. So saß denn, nachdem an der ersten
Konkurrenz bereits ein Ministerialarchitekt beteiligt war
(Fürstenau), der allerdings gänzlich versagte, auf einmal
auch in der zweiten ein Beamter des Ministeriums, der
selbst an den Zwischenarbeiten mitgewirkt hatte und
hierdurch wie durch seine ganze Stellung über die Absich-
ten der Regierung und das Material von vornherein ganz
anders informiert war als die übrigen drei Architekten und
so vor ihnen einen Vorsprung hatte, wenn er auch nun,
nachdem seine Beteiligung am Wettbewerb einmal fest-
stand, von den fortlaufenden Verhandlungen und Arbeiten
der Ministerien nicht weiter unterrichtet wurde. Und siehe
da, das Ministerium, das nun auch gleichsam als Jury auf-
trat, machte die Entdeckung, daß — Grubes Entwurf der
geeignetste sei. Wie sich das doch glücklich traf!

Der somit im Ganzen akzeptierte Plan Grubes, den
(nach unwesentlichen Abänderungen) die Regierung aus-
geführt zu sehen wünscht, begegnet jedoch allgemeinem
Kopfschütteln. Um ihn zu verstehen, muß man, da er sich
in allem auf vorher Geleistetes stützt, auf die erste Kon-
kurrenz, von 1910, zurückgehen. Damals hatten die meisten
Architekten, vor allem aber Littmann und Seeling, Skizzen
entworfen, die ohne Selbständigkeit Formbildungen älterer
Berliner Architektur, vor allem Schinkels, benutzten und
zusammenfügten. Dabei hatten sie als Hauptmotive eine
Tempelvorhalle (meist mit korinthischen Säulen) und einen
wiederum als Tempel ausgebildeten Bühnenhausaufbau.
Daß sie so vorgingen, war kein Wunder; denn es war
ihnen ausdrücklich nahegelegt worden: Keine »moderne«
Architektur! »Bewährte Formensprache«! Und zwar —:
Klassizismus! (Wobei man noch zufrieden sein kann, daß
man wenigstens nicht Barock empfahl.) Es war ihnen
deutlich gemacht worden, daß man sich maßgebenden Orts
 
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