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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Wiener Brief, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0207

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391

Nekroge —

Personalien

392

interessante retrospektive Kollektivausstellung des Land-
schafters Emil Jakob Schindler (1842—1892) gebracht,
meist Bilder aus Privatbesitz. Zu seinen Lebzeiten hat
man sich wenig um ihn gekümmert, heute sind seine
Bilder in Wien stark gesucht und hoch bezahlt. Es sind
meist Bilder aus den siebziger und achtziger Jahren
ausgestellt, die seine Entwicklung deutlich erkennen
lassen. Die ältesten Bilder sind ziemlich schwer und
trüb in der Farbe, Courbet und seine Schüler scheinen
auf Schindler in jener Zeit eingewirkt zu haben. In
den achtziger Jahren hellt sich seine Palette stark auf
und erinnert in der Wärme der Luft, in der Zartheit
der Durcharbeitung in manchem an die Fontainebleau-
meister. Die Bilder aus dieser Zeit sind unstreitig die
schönsten. In seinen letzten Lebensjahren zeigt sich
eine merkwürdige Unsicherheit. Neben einem groß-
artig frei und lebendig gesehenen, vorzüglich in der
Luftstimmung behandelten Bilde wie der »Kartoffel-
ernte« entstanden so kalte und theatralische Bilder
wie die »Landstraße« und sogar Bilder, die ganz hart
und gläsern in der Farbe sind. Für die Entwicklung
der österreichischen Landschaftsmalerei hat der Künstler
aber jedenfalls eine unzweifelhafte Bedeutung gehabt.

Bei Arnot gab es zuerst eine Kollektion von
Bildern, Lithographien und Zeichnungen von Fantin-
Latour zu sehen, die Bilder mit Ausnahme von
einigen duftigen Stilleben mehr oder weniger Atelier-
Abhub. Zurzeit ist dort eine große Kollektion von
Bildern des venezianischen Volksmalers Italico Brass
zu sehen, sehr geschickte und flotte Szenen und Ve-
duten, die sicherlich zumindest ihren zeit- und kultur-
geschichtlichen Wert behalten werden. Künstlerisch
weitaus wertvoller ist eine Sammlung von sieb-
zehn Originalzeichnungen von Beardsley, meist aus
seiner letzten Zeit, die den höchsten Genuß ver-
mitteln. Die Drucke nach diesen Blättern geben
keinen Begriff von der unvergleichlichen Weise, wie
Beardsley Weiß und Schwarz farbig zu verwenden
verstand.

Im öffentlichen Kunstleben hat sich in der letzten
Zeit nichts von größerer Bedeutung ereignet. Der
Zwist zwischen der Künstlerschaft und dem Lueger-
Denkmalkomitee (vgl. Nr. 19 der K.-Chr., Sp. 300)
ist zugunsten der Forderungen der Künstlerschaft bei-
gelegt worden. Das Komitee hat sich verpfichtet,
nur prämiierte Entwürfe zur Ausführung anzunehmen.
Endlich ist auch noch die gütliche Beilegung einer
peinlichen Angelegenheit zu melden, die zu einem
unerhörten Skandale auszuarten drohte. Man wird
sich aus früheren Berichten erinnern, daß die Fas-
sade eines Geschäftshauses gegenüber der Hofburg
am Michaeler - Platz durch seine »Glattheit« der-
maßen die Wut des Publikums heraufbeschwor, daß
die Gemeinde die Hausherren zwingen wollte, durch
einen anderen Architekten (Arch. Loos ist der Erbauer
des Hauses) eine »Schmuckfassade« dem Hause an-
kleben zu lassen. Nach monatelangen Verhandlungen
hat die Gemeinde endlich dem Vorschlage des Ar-
chitekten zugestimmt und sich mit Blumenträgern
unter den Fenstern einverstanden erklärt. Somit ist
das Vaterland außer Gefahr!

Über die Ausstellung der Neuerwerbungen der
Staatsgalerie wird in einem eigenen Artikel berichtet
werden. O. P.

NEKROLOGE ~
In P. A. B. Widener aus Philadelphia, einem der
Opfer des Untergangs der »Titanic«, hat Amerika einen
seiner größten Kunstsammler verloren. Das Haus Widener
in Philadelphia birgt neben dem Besitz Morgans, Altmanns
und Havemeyers in New York die kostbarsten Werke, die
der amerikanische Privatbesitz enthält. Ist doch Widener
derjenige, der im vorigen Jahre im Kampfe um Rembrandts
»Mühle« Sieger blieb. Bevor das Bild nach Amerika ging,
ließ er es bei Professor Hauser im Berliner Kaiser-Friedrich-
Museum restaurieren und hatte die Freude, daß es aus den
Trübungen der Zeit wieder außerordentlich frisch hervor-
ging. Widener hat in dem für die Mühle gezahlten Preis
den Rekord, den Morgan und Kahn für Werke Raffaels
und Hals' aufgestellt hatten, auch für Rembrandt gehalten:
er bezahlte 100000 Pfund Sterling, also zwei Millionen
Mark. Außer der Mühle besaß Widener auch ein Bildnis
von Rembrandts Gattin Saskia. Aber er beschränkte sich
als Sammler nicht nur auf die großen Niederländer, obwohl
hier sein Besitz am reichsten war, er besaß von alten Ita-
lienern u. a. das Profilporträt von Bianca Maria Sforza des
Mailänder Lionardo-Schülers Ambrogio da Predis und ein
Porträt von der Hand des Cremonesen Oiulio Campi. So-
viel man weiß, wird seine Oattin, die sich unter den Ge-
retteten der »Titanic« befindet, die Erbin seiner Schätze.

PERSONALIEN
Die neuen Senatoren der Berliner Akademie der
Künste, die von der Genossenschaft der ordentlichen Mit-
glieder in die oberste preußische Kunstbehörde gewählt
worden sind, sind jetzt vom Kultusminister in den Senat
berufen. Es sind Otto H. Engel, Max Liebermann, Adolf
Brütt, Ludwig Hoffmann und Otto March. Als Senator
wiedergewählt wurde in derSektion für die bildenden Künste
Paul Meyerheim. Den neugewählten fünf Mitgliedern ent-
sprechend haben eine Reihe älterer Senatsmitglieder ihren
Sitz geräumt. In der Sektion für die bildenden Künste, in
der Arthur Kampf erster Vorsitzender und Ludwig Manzel
Stellvertreter ist, sind nunmehr 25 Mitglieder.

-f München. Der bekannte Architekt und Professor am
hiesigen Polytechnikum Geh. Hofrat Dr. Friedrich Ritter
von Thiersch beging am 18. April seinen 60. Geburtstag.

Geheimer Oberbaurat Prof. Dr.-Ing. und Dr. med. h. c.
Reinhold Baumeister, der ausgezeichnete Städtebauer,
Hygieniker und Ingenieur an der Technischen Hochschule
in Karlsruhe, scheidet zum 1. Oktober dieses Jahres nach
fünfzigjähriger Tätigkeit aus dem Lehramte.

August Wolf, der bekannte, in Venedig lebende
deutsche Maler, unser verehrter langjähriger Mitarbeiter,
vollendete am 20. April sein siebzigstes Lebensjahr. Der
Künstler, der aus Weinheim in Baden stammt und Meister-
schüler von Canon war, hat für die Schack-Galerie im Auf-
trage des Grafen seinerzeit nicht weniger als 48 Kopien,
der bedeutendsten Kunstwerke der Lagunenstadt geschaffen,
und auch in der Oldenburger Galerie hängen Kopien von
ihm. Von seinen originalen Werken, in denen Wolf neben
dem Vorbilde der großen Venezianer auch Anregungen
aus der Münchner Kunst aufnahm, hängen gleichfalls zwei
in der Schackgalerie.

Strasburg i. Eis. Der Bildhauer Albert Comes aus

Saargemünd, eines der jüngeren Talente der elsaß-lothrin-
gischen Künstlerschaft, ist zum Leiter der neu gegründeten
 
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