Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

DOI Artikel:
Pariser Ausstellungen
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0213

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
403

Personalien

404

zuzuschreiben ist, die man im Chat noir rauchen mußte,
um für einen echten Boheme gelten zu können. Der Rauch
hat das Bild mit einer gleichmäßigen goldgelben Patina
bedeckt, und wenn es früher vielleicht farbig auseinander-
ging, zeigt es heute eine angenehme Harmonie. Jedenfalls
ist es zu bedauern, daß dieser ausgezeichnete, graziöse
und in seiner anmutigen Art einzige Zeichner absolut mit
Farben wirtschaften will. In der Zeichnung erreicht er
Wirkungen, die ihm keiner nachmacht, in der Malerei über-
treffen ihn Tausende!

Wenn man die mit Skulpturen ausgestatteten Hallen
und Gärten aufmerksam durchwandert, bemerkt man mit
Entsetzen, daß nicht nur alle die oben genannten Künstler
der Nationale fehlen: sogar Rodin fehlt! Ein Salon des
einstigen Champ de Mars ohne Rodin! Das allein kenn-
zeichnet schon den Tiefstand dieser Ausstellung. Dabei
steht Rodin wie immer im Katalog, und wie immer er-
wartete man, als man seine Arbeiten vor und bei der
Vernissage vergebens suchte, daß er sich einen oder zwei
Tage nach der offiziellen Eröffnung einstellen werde. Daß
Rodin heuer überhaupt nichts ausgestellt hat, macht weit
mehr Aufsehen, als wenn er eine Büste oder einen Torso
geschickt hätte, und eben durch sein gänzliches Ausbleiben
hat er handgreiflich dargetan, daß ohne ihn die Societe
nationale verloren ist.

Bourdelle, Bartholome, Injalbert, Carabin suchen ihn
vergebens zu ersetzen, aber das ist nicht leicht, und die
Skulptur existiert sozusagen nicht in diesem Salon. Die
Artistes francais, die ihre Ausstellung vierzehn Tage später
eröffnen, haben also in diesem Jahre eine herrliche Gelegen-
heit, sich zur ersten Stelle aufzuschwingen, die ihnen von
der Sezession ein Jahrzehnt lang mit Erfolg und seither
mit immer weniger Entschiedenheit streitig gemacht worden
ist. Die Societe nationale ist in diesem Jahre so schwach,
daß die Artistes francais ausnehmend schlecht ausstellen
müssen, um sie nicht zu überwinden.

Oben sprach ich vom Mus^e des arts decoratifs. Da-
selbst werden augenblicklich die Kunstgegenstände aller
Art gezeigt, die der Sammler Jean Macie den verschiedenen
Museen des französischen Staates geschenkt hat. Das wich-
tigste dabei sind wohl die zahlreichen Bilder, Zeichnungen
und Skizzen von Besnard und Aman Jean, die für den
Luxembourg bestimmt sind. Die älteren Bilder, Skulpturen,
Kunstblätter usw. sind alle schön und wertvoll, ohne jedoch
gerade besondere Lücken zu füllen. Jedenfalls gibt diese
großartige Schenkung einen neuen Beweis von der in an-
deren Ländern so wenig verspürten Schenkfreudigkeit der
französischen Sammler.

In der humoristischen Kunst scheinen sich die auf-
einanderfolgenden Jahre und Ausstellungen noch mehr zu
gleichen als sonst in der bildenden Kunst. Hat man schon in
den ernsthaften offiziellen Salons von Jahr zu Jahr das näm-
liche erdrückende Gefühl, vor lauter guten alten Bekannten
zu stehen, so ist dies in den Ausstellungen der Witzblatt-
zeichner noch viel mehr der Fall. Getrost könnte man
über die soeben eröffnete Ausstellung der »Humoristes«
vor fünfzehn Jahren geschriebene Aufsätze aufs neue ab-
abdrucken, man hätte nur die Namen der inzwischen Ge-
storbenen auszustreichen und ein oder zwei neue Namen
einzutragen. Vom letzten Jahre zum gegenwärtigen aber
ist überhaupt gar nichts zu ändern, nachzutragen, wegzu-
lassen, hinzuzufügen. Wie alle Künstler, die etwas auf
sich halten, haben sich auch die Witzblattzeichner in zwei
Lager gespalten. Das dereinst vortreffliche, jetzt immer
mäßiger gewordene Wochenblatt »Le Rire« hatte diese
Ausstellungen ganz für sich und seine Leute monopolisieren
wollen, dagegen haben sich viele Zeichner aufgelehnt, und
diese Sezession hat jetzt ihre Ausstellung eröffnet, der bald

auch die Ausstellung der Künstler des »Rire« folgen wird.
Wie es scheint, gehören bei solchen Spaltungen die aller-
besten Leute den Revolutionären an, und erst wenn diese
gealtert sind, werden die sogenannten Sezessionen ebenso
schläfrig und langweilig wie die älteren Kunstgenossen-
schaften. Bei der Sezession der Pariser Witzblattzeichner
sind ohne Zweifel die besten humoristischen Zeichner
Frankreichs, denn hier stellen Forain und Steinlen, Willette
und Leandre, Chdret und Poulbot aus, und wenn man
diese sechs Namen genannt hat, muß man das Gedächtnis
schon etwas anstrengen, um noch einen diesen ebenbürtigen
französischen Zeichner zu finden. Von ihren Arbeiten
zu sprechen, wäre Zeitverschwendung. Man kennt sie seit
Jahren, sogar seit Jahrzehnten, und sie haben sich nicht
geändert. Auch zeigen sie uns jede Woche in den Zei-
tungen, was sie machen, und eigentlich sieht man in ihrer
Ausstellung weiter nichts als gewissermaßen eine Revue
über ihre Jahresproduktion. Erwähnt mag nur werden, daß
wie alles im gegenwärtigen Paris auch die Ausstellung
der »Humoristes« eine nationalistische und Vive l'Armee-
Note hat. Jean Veber hat zum Beispiel eine sehr ver-
schlechterte Nachahmung von Raffets herrlicher Lithographie
zu des deutschen Dichters Zedlitz »Nächtlicher Heerschau«
geschaffen, wo die gefallenen Soldaten aus ihren Gräbern
auferstehen und sich hinter Fahne und Trommel scharen,
und dann sind die Elsässer Zislin und Hansi wieder zur
Stelle. Wenn es sonst keine Künstler im Elsaß gibt, steht
es nicht besonders mit der dortigen künstlerischen Kultur.
Zislin ist ganz talentlos, Hansi läßt sich schon eher an-
schauen, und einige seiner Karikaturen von deutschen
Touristen sind wirklich sehr gelungen. Schade, daß er im
garstigen politischen Liede den Humor, den er offenbar
besitzt, verliert und zur häßlichen Grimasse benutzt.

K. E. Sch.

PERSONALIEN

X Dr. Johannes Sievers, bisher Direktorialassistent
des Berliner Kupferstichkabinetts, ist als Assistent des
Ministerialdirektors Dr. Schmidt ins Kultusministerium be-
rufen worden. Dr. Sievers wird hier die Stellung von Dr.
Waetzoldt bekleiden, der kürzlich an Stelle Adolf Gold-
schmidts zum ordentlichen Professor der Kunstgeschichte
in Halle ernannt worden ist.

Dr. A. E. Brinckmann hat den an ihn ergangenen
Ruf an die Technische Hochschule in Karlsruhe angenommen
und wird dort Baugeschichte, dekorative Kunst, sowie
Kunstgewerbe und seine Technik lesen. Dr. Brinckmann
war seit 1909 bis 1910 in Aachen als Privatdozent für
Baugeschichte und dekorative Kunst habilitiert.

Archivrat Dr. Otto Weber in Neuburg an der
Donau ist zum Direktorialassistenten an der Vorder-
asiatischen Abteilung der Königlichen Museen zu Berlin
ernannt worden; er ist der Nachfolger des verstorbenen
Prof. Messerschmidt und durch eine Reihe von Schriften
über den alten Orient bekannt geworden.

Der Maler Prof. Franz Matsch in Wien wurde vom Kaiser
in den Adelsstand mit dem Ehrenworte »Edler« erhoben.
Matsch hat (anfangs mit den Brüdern Klimt zusammen)
eine große Reihe von dekorativen Gemälden für Theater,
Schlösser, öffentliche Gebäude (Kunsthistorisches Hof-
museum, Universität in Wien) gemalt. Sein letztes großes
Werk war die »Huldigung der deutschen Bundesfürsten
vor Kaiser Franz Josef L« anläßlich der Jubiläumsfeierlich-
keiten im Jahre 1908. Prof. von Matsch hat im vorigen
Jahre seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert.
 
Annotationen