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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Ausstellungen

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beiten erhöht. Man sieht da einen sehr guten Corot, einen
vortrefflichen Ingres, einen Manet, einen schönen Courbet,
einen Daumier und einiges andere aus älterer Zeit. Was
die Lebenden zeigen, ist alles von den Ausstellungen der
letzten drei Jahre bekannt, und man kann nicht einmal immer
sagen, daß die Leute die besten Sachen dieser Zeitspanne
gebracht hätten. Besnard zum Beispiel hätte leicht ein
besseres Bild schicken können als diese indische Volks-
szene. Sehr gut vertreten sind die Bildhauer Rodin, Bour-
delle und Carabin, die Maler Lucien Simon, Charles Cottet,
Rene Menard, Maurice Denis, Gaston La Touche, die
Keramiker Bigot, Delaherche, Methey usw. Obschon sehr
viele hervorragende Leute fehlen, ist die Auswahl im ganzen
nicht schlecht, und man erhält ein ungefähr richtiges Bild
von dem Stande der Kunst im heutigen Frankreich. Zu
loben ist die Weitherzigkeit, womit man neben den Aka-
demikern Cormon, Detaiile, Humbert die einstigen Führer
der Unabhängigen wie Toujouse-Lautrec, Vuillard und Ma-
tisse eingelassen hat. Auch die großen Impressionisten
fehlen nicht, und eines der besten Bilder in der Ausstellung
ist ein weiblicher Akt von Degas, neben dem Renoir etwas
kitschig wirkt. Alles in allem also eine sehr interessante
Ausstellung. Amerikanischen Milliardären, die mit einem
Schlage ein ganzes Museum moderner französischer Kunst
erwerben möchten, ist die Aufgabe hier sehr leicht gemacht,
denn sie finden hier so ziemlich alle Richtungen vereinigt,
von der zahmsten und schulmeisterlichsten bis zur wildesten
und regellosesten. Und wer von solchem Massenkaufe
nichts wissen will, wird hier doch immer zwei Dutzend
ausgezeichnete Arbeiten finden, die sich überall können
sehen lassen. Wenn die französischen Künstler mit diesen
Ausstellungen fortfahren, werden sie den Händlern schwere
Konkurrenz machen. g, sch.

Die X. Internationale Kunstausstellung in Venedig.

Man suchte dieser 10. Internationalen eine neue besondere
Anziehungskraft dadurch zu verleihen, daß man eine große
Anzahl Sonderausstellungen von Werken hervorragender,
besonders italienischer Künstler veranstaltete. So hat denn
die Ausstellung, trotz der zwei neu hinzugekommenen
Pavillons Frankreichs und Schwedens, einen überwiegend
national-italienischen Anstrich. Das Ausland ist vertreten
durch Belgien mit einer großen Anzahl geistreicher Zeich-
nungen und einem großen dekorativen Entwurf von Khnopff;
Schweden hat seine Ausstellung fast ausschließlich .den
Werken von Anna Boberg überlassen. Deutschland erfreut
durch F. Erlers Wandmalereien für Wiesbaden, eine-Anzahl
Suporten und Bildnisse, sowie durch Hengelers gemütliche
malerische Darstellungen der von ihm mit Vorliebe be-
handelten Biedermeierzeit und reizende Landschaften; von
Bartels zeigt die bekannten Strandbilder und Fischertypen.
Jeder dieser vier deutschen Künstler hat einen Saal inne,
die Ausstattung ist die denkbar einfachste. Ein wahres
Sprühfeuer empfängt uns dagegen beim Betreten des neuen
geschmackvollen französischen Pavillons, der von hohen
Baumkronen überragt, dem deutschen gegenüber liegt.
J. Simon, La Touche, Blanche verblüffen durch die Viel-
seitigkeit ihrer Auffassung und Bravour in einer Menge
von Bildern, während der ruhige, feine Menard einen
bleibend wohltuenden Eindruck hinterläßt. Zwischen diesen
beiden Ausstellungen erhebt sich die englische, wo besonders
einige gute Porträts und vortreffliche Aquarelle auffallen.
Im ungarischen, mosaikgeschmückten Pavillon exzelliert M.
Mannheimer mit einer Menge Bilder in einer früherer Technik
angehörenden Malweise, sowie besonders H. Poll. Ehe wir
den großen Empfangssaal des Hauptbaues betreten, fesselt die
Auswahl dessen, was die »Wiener Künstlergenossenschaft«
eingeschickt hat, die gleich den nächstliegenden Saal mit

ihren Werken füllt. Zum Besten zählen einige Porträts
von Rauchinger, eine Landschaft von Brunner, Pferde beim
Pflügen von J. v. Blaas, ein großes Bild »Die Unglücklichen«
von Eichhorn und das »Viatikum« von Epstein. — Sartorios
Wandmalereien des großen Saales haben den großen De-
korationen eines hiesigen, bisher fast unbekannten Malers
Platz gemacht. Pieretto Bianco hat den Aufschwung Ve-
nedigs darzustellen gesucht. Ein riesiges Stück Arbeit hat
er in kurzer Zeit bewältigt. —

Es folgt nun die lange Reihe der Sonderausstellungen,
achtzehn an der Zahl, hier und da unterbrochen durch
einige internationale Abteilungen. Zunächst die Werke des
1878 verstorbenen T. Cremona, dem in Buntheit und selt-
samer Technik schillernden großen koloristischen Talente,
dann die Ausstellung des igio in Turin verstorbenen Land-
schafters Avondo. Es verdient den strengsten Tadel, daß
einzelnen der lebenden, genugsam bekannten und zu Ruf
gekommenen italienischen Malern gestattet wurde, bis zu
81 ihrer Bilder auszustellen. Dadurch wurde eine Menge
Raum jungen aufstrebenden Talenten entzogen und man
war genötigt, deren Einsendungen massenhaft zurückzu-
weisen, so daß von gegen 1000 eingeschickten Arbeiten
nur 143 angenommen werden konnten. Überdies ist es
kein lohnender Genuß, sich durch diese Massenausstellungen
Einzelner von ihrem offenkundigen Niedergang über-
zeugen zu müssen (die pomphafte Ausstattung der Räume
kann nicht darüber hinwegtäuschen) oder daß andere in
beständiger Wiederholung sich immer von derselben Seite
zeigen. Sehr erfreuliche Ausnahmen existieren glücklicher-
weise. So die Sammlung des jüngeren Ciardi in frischer,
froher Naturanschauung und emsigem Studium, sei es in
Landschaft oder Figurenbild.

In den Sonderausstellungen hat man zum Teil zurück-
gegriffen auf Arbeiten, die vor zwanzig Jahren entstanden
sind. So ist A. Milesi in seinen früheren Bildern vortreff-
lich vertreten. E. Tito hat zwei große figurenreiche Alle-
gorien ausgestellt: »Glorie di Venezia« und »Zum Licht!«
Das beste seiner Porträts ist das vortreffliche der Fürstin
Borghese. Maggi und besonders G. Grosso werden mit
Recht bewundert. Selvatico hat sich in seinen zahlreichen
Damenbildnissen gewisse in Paris lebende Spanier zum
Muster genommen. A. Sezanne erfreut in ganz besonderer
Weise durch seine fein gefühlten Darstellungen alles dessen,
was das Historisch-poetische der Markuskirche ausmacht.
Höchst originell: Engel und Heilige oben auf den Emporen
der Kirche betend, an der Messe teilnehmend. Der tüchtige
De Stefani strebt immer moderner zu werden, während
Previati in seiner sich immer wiederholenden körperlosen
Symbolik stets unverständlicher wird. Ein starkes kolo-
ristisches Talent zeigt der interessante Carena. — Der
Plastik hat man diesmal mehr Raum als sonst gewährt.
P. Canonica hat eine Anzahl vortrefflicher Arbeiten aus-
gestellt, besonders Büsten, sowie ein Kruzifix und einen
von Maria betrauerten Christus. Trentacosta zeigt einen
toten Christus. Die meisten dieser Skulpturen sind in
Marmor. Im großen Saale wurde überdies ein Abguß der
Kolossalgruppe »Die Opferfreudigkeit« von Bistolfi (für
das Victor-Emanuel-Denkmal in Rom) aufgestellt. Außer-
dem ist der hinter dem großen Saale gelegene Raum der
Skulptur gewidmet, davon muß eine jugendliche Nackte
in Marmor von Danielli, einiges von Marsiii und De Lotto
genannt werden. — Auch die Schwarzweiß-Kunst ist diesmal
mehr zu ihrem Rechte gekommen. Bemerkenswert sind
die Radierungen von E. Chahine, sowie ganz besonders
die Ausstellung des Londoner Senefelder-Klubs, wo Pennell,
Shannon, Brangwyn und andere mit großen Lithographien
in hohem Grade interessieren. In der englischen Abteilung
ist außer den Radierungen von Brangwyn und anderen
 
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