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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Die Neuerwerbungen des Städelschen Instituts
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0316

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Acad. Lcsni
L1.3ER1912

KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Neue Folge. XXIII. Jahrgang 1911/1912 Nr. 39. 20. September 1912.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Hospitalstraße 11 a. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

DIE NEUERWERBUNGEN DES STÄDELSCHEN
INSTITUTES
Es wäre eine verlohnende Aufgabe, einmal die
Geschichte der Erwerbungen einer Galerie zu schreiben;
denn das Resultat müßte unwillkürlich zugleich als
Beitrag zur Geschmacksgeschichte und Entwickelung
unterrichtend sein. Ich stelle mir vor, daß den Haupt-
einfluß auf die Entschließung der jeweiligen Galerie-
direktoren und auf die Orientierung ihrer Käufe wohl
die Tendenz der zeitgenössischen Kunst gehabt haben
wird. Jedenfalls läßt sich die Richtigkeit dieser
Meinung an den neueren Erwerbungen mancher unserer
Galerien beweisen, unter anderen vielleicht besonders
an denen des Städelschen Instituts. Man darf es wohl
nicht als Zufall betrachten, daß gerade in unserer
Zeit der ehemalige Lessingsaal der Städelschen Galerie
geräumt wurde und seine Bestände in dem Parterre-
stock in weniger auffälligen und günstigen Räumen
Platz angewiesen erhielten, um einem »Barocksaal«
Platz zu machen, dessen Mittelpunkt in dem bekannten
Tiepolo »die Heiligen der Familie Grotta« gefunden
wurde. Ganz besonders die französische Malerei der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat unsere Sinne
in neuer Weise empfänglich gemacht für die der
Barockepoche eigentümlichen Farbenreize, und es läßt
sich für diese Tatsache keine deutlichere Illustration
anführen, als die z. Z. in Düsseldorf ausgestellte
Sammlung Nemes, die ihrem Programm nach sozu-
sagen typisch von der Gegenwart nach der Vergangen-
heit weisend orientiert ist. Daß diese Sammlung ihren
an und für sich fruchtbaren Grundgedanken mit
galeriemäßig unzulänglichen Mitteln zu verwirklichen
trachtet, mag für diese Betrachtung ausfallen, da hier
nur darauf abgezielt wird, die treibende Tendenz der
zeitgenössischen Käufer alter Kunst versuchsweise zu
fassen. Zieht man z. B. die Bilanz der Ankäufe, die
die Galerie des Städelschen Instituts sowohl aus
ihren eigenen Mitteln als auch aus denen des Städel-
schen Museumsvereins im Jahre 1Q12 bisher be-
stritten hat, so bewahrheitet sich die oben angedeutete
Macht der Moderne auf die Art, wie die Vergangen-
heit angeschaut und wie ihr Bestand gesichtet wird,
schlagend. Oder wie anders läßt es sich erklären, daß
unter sechs Bildern sich nur eines aus dem Quattro-
cento befindet, während aus der Zahl der anderen,
vier Stück dem 17. und 18. Jahrhundert, eines dem
19. angehört! Als gemeinsamer Gesichtspunkt war

bei der Erwerbung der zuletzt erwähnten fünf Stücke
die Darstellung der Entwickelung der Farbe als Aus-
drucksmittel der Kunst maßgebend. Die Bilder
mögen, einzeln aufgezählt, diese allgemeineren Be-
merkungen zu illustrieren versuchen.

Claude Gelee, le Lorrain (1600-1682).

Christus erscheint der Magdalena. Weite, blau-
dunstige Landschaft, deren grünlicher Vordergrund
von einem Zaun begrenzt und die seitlich von je
einem Hügel abgeschlossen ist. Auf dem Gipfel des
kahlen Hügels rechts die drei Kreuze von Golgatha,
an seinem Fuße das Tor des Grabes Christi, in dem
ein Engel (kleinfigurig) wachend sitzt. Links vor
dem mit Bäumen bestandenen Hügel in kleinen Fi-
guren Christus als Gärtner in blauem Gewand und
vor ihm kniend Magdalena. Im Mittelgrund tief-
liegend die Ansicht einer ummauerten Stadt (Rom);
in der Zahl ihrer Bauten ist eventuell das Kolosseum
zu erkennen. In der Ferne blaue Gebirgszüge (Al-
banerberge).

Bezeichnet rechts unten: CLAUDIO I VF

ROMAE 1678 (nicht 1681).

Leinwand, H.: 0,83, Br.: 1,39. Beglaubigt durch das
Liber Veritatis, Nr. 194; nach diesem für den Kardinal
Spada gemalt. Nach Smith, Cat. rais., vol. VIII., pag.
302, im Jahre 1837 in der Sammlung William Beck-
ford, Fouthill. Vergl. ferner: Marc Pattisson, Claude
Lorrain, Paris 1884, pag. 110—115—192—224.

Johann Karl Loth (Carlo Lotti, Carlotto). München
1632, Venedig 1698.

Kain und Abel. Lebensgroße Figuren vor düster-
braunem Hintergrund. Im Vordergrund liegt hori-
zontal bildeinwärts nach rechts der erschlagene Abel
am Boden; der nackte Körper nur mit schmutzig-
grauem Lendentuch bekleidet; beim Fall zu Boden
sind beide Arm« über den Kopf des Toten geschlagen.
Hinter ihm in der Mitte des Bildes enteilt diagonal
nach rechts außen Kain, der mit einem trübbraunen
Schurzfell angetan ist. Links rückwärts ein Opferaltar
mit branstigrot flackerndem Feuer.

Leinwand, H.: 2,05, Br.: 1,70.

Erworben als Geschenk des Herrn Marczell von
Nemes-Budapest. Das Bild stammt aus den Samm-
lungen Dr. Sterne (versteigert 1886 bei Artaria-Wien,
Nr. 835) und Konsul Weber-Hamburg (versteigert
bei Lepke-Berlin 1912, Nr. 150); in beiden Samm-
 
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