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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Schumann, Paul: Ausstellung für Kunstunterricht, Zeichnen und angewandte Kunst Dresden 1912
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Mayer, August Liebmann: El Grecos Grab
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0329

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635

"El Orecos Grab

636

Zahl von Fachleuten zusammengestellt, ein einheit-
licher Aufbau aller Schulgattungen versucht. Von
der freien Kinderzeichnung an über die Volks- und
Mittelschulen nach der Universität einerseits und über
die gewerblichen nach den kunstgewerblichen Schulen
andererseits wurde die natürliche Verbindung gesucht.
Eindringliches klares Beschreiben durch Zeichnen ist
für jedermann erlernbar. Geschmackliche und künstle-
rische Kultur aber wird durch einzelne gefördert,
deren Arbeit der Zeit und dem Volke das Gepräge,
den Stil, geben. Demzufolge werden allgemeine
Schulen künstlerische Ergebnisse nicht erzwingen
können, müssen aber bis oben hinauf klares Zeichnen
pflegen. Die gewerblichen Fachschulen tun gut, das
Hauptgewicht auf geschmackliche Bildung zu legen,
die durch eine Stillehre gefördert wird. Das Ent-
werfen ist im allgemeinen den Kunstgewerbeschulen
zu überlassen. Diese wiederum können nur dann
tiefgehende Erfolge erzielen, wenn sie sich auf die
Praxis und die handwerksgemäße Technik stützen und
den natürlichen Kunstsinn zu fördern suchen. Das
Naturstudium, recht betrieben, soll in erster Linie das
Gefühl für Verhältnisse und Formen verfeinern und
das Struktive im Gegensatz zum Malerischen betonen.
Demgegenüber tritt das sogen. Stilisieren, recht eigent-
lich ein Ergebnis von Schulmethoden, zurück.'

Prof. Karl Groß geht so weit, zu behaupten, daß
das absichtliche Mechanisieren und Ertöten der Natur-
formen, das man heute Stilisieren nenne, ein großer
Irrtum sei und nicht dem Schönheitssinne, sondern
verstandesmäßigen und theoretischen Absichten ent-
springe, die Schaustücke und Übungen, die die Aus-
stellung in allen Abteilungen bot, seien nur ganz
gleichartige, theoretische, schulmeisterliche Versuche,
die vor dem künstlerischen Empfinden niemals be-
stehen könnten. Neben dieser scharfen Kritik sind
die positiven Vorschläge von Groß allerdings weniger
bestimmt und durchsichtig, immerhin sind diese
Fragen ernster Erörterung würdig, und alle Versuche,
von der Stilisierung loszukommen, wie sie z. B. an
der Kgl. Zeichenschule und an der Kgl. Kunstgewerbe-
schule zu Dresden gemacht werden, verdienen volle
Aufmerksamkeit und Beachtung.

PAUL SCHUMANN.

EL GRECOS GRAB

Vor Jahresfrist konnten wir in der »Zeitschrift für
bildende Kunst« (N. F. XXII. 77 ff.) von interessanten
auf Grecos Leben'und Wirken bezüglichen Dokumenten
berichten, die der junge Toledaner Gelehrte D. Francisco
de Borja y San Roman in verschiedenen Archiven
seiner Vaterstadt gefunden und veröffentlicht hatte.
Darunter waren auch Mitteilungen, aus denen hervor-
ging, daß Greco in der Klosterkirche Santo Domingo
el Antiguo beigesetzt wurde in einem Erbbegräbnis,
das er 1612, zwei Jahre vor seinem Tod, erworben
hatte. Merkwürdigerweise gelang es jedoch nicht,
an der durch die Dokumente genau bezeichneten
Stelle irgendwelche Reste eines Grabes zu entdecken.
Die Lösung des Rätsels scheint nun gegeben in ver-

schiedenen bisher unbekannten Dokumenten, die
wiederum der genannte Toledaner Forscher gefunden
und unter dem Titel »El sepulcro de los Theoto-
köpuli« im Archivo de Investigaciones historicas vor
kurzem veröffentlicht hat. Es geht daraus hervor,
daß in der Tat nicht nur Greco, sondern auch seine
drei Jahre später verstorbene Schwiegertochter Da.
Alfonsa de Morales in der Familiengruft zu Santo
Domingo beigesetzt wurde, daß jedoch 1618 Grecos
Sohn Jorge Manuel Theotokopuli in Unterhandlungen
mit den Nonnen trat, um die Gebeine seines Vaters
und seiner ersten Gattin nach dem Kloster S. Torquato
zu überführen. Am 18. Februar trat das Kloster
S. Torquato mit Genehmigung des Erzbischofs an
Jorge Manuel einen Platz in der Nähe des Haupt-
eingangs ab, woselbst der Künstler nach seinen bereits
ausgearbeiteten Plänen ein Grabgewölbe »für sich,
seine Gattin, Söhne und Nachkommen wie für seine
Eltern...« anlegen sollte. Das Kloster überließ Jorge
Manuel den Platz anstelle einer Geldentschädigung,
die es ihm für architektonische Arbeiten schuldete,
die der Künstler in S. Torquato ausgeführt hatte
(offenbar u. a. das noch erhaltene Hauptportal).

Aus einem vom 22. Oktober 1618 datierten
Schriftstück geht hervor, daß der Erzbischof die Er-
laubnis gegeben hatte »zur Überführung der Gebeine,
die in der Gruft zu S. Domingo ruhten«, und daß
auf Wunsch des Klosters die Exhumierung jederzeit
stattfinden könne; ferner daß das Kloster nach Be-
zahlung von 32273 Maravedis nicht nur wieder das
freie Verfügungsrecht über das Grabgewölbe erhielt,
sondern auch in freiem Besitz des Altarwerkes, das
el Greco über seiner Grabstätte geschaffen hatte. (Das
betr. Altarbild stellte die »Anbetung der Hirten« dar,
die jetzt den Giebel des Retablo Mayor der Kloster-
kirche schmückt.) Äußerst interessant ist die Stelle
in dem Protokoll vom 26. September 1618 über die
Abschätzung des künstlerischen Wertes dieses Altar-
werkes durch Grecos Schüler Luis Tristan. Es heißt
da: Luis Tristan sagt, daß das fragliche Gemälde von
der Hand des Dominico Greco stammt und er ihn
es malen sah, denn ich fragte ihn ausdrücklich, ob
er (Greco) der Hauptausführende (prencjpal) war,
und da dies stimmt, schätzte und taxierte er den Wert
des Gemäldes und die Vergoldung der Architektur
auf 2000 Realen«. Daraus geht wieder einmal mit
voller Deutlichkeit hervor, daß Greco einen Werk-
stattbetrieb unterhielt, das kunstliebende Publikum dies
wußte und dementsprechend die Bilder bezahlte.

Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, daß
die Überführung der Gebeine nach S. Torquato wirk-
lich stattgefunden hat. Jorge Manuels zweite Gattin
bestimmte 1629 m ihrem Testament ausdrücklich dort
beigesetzt zu werden. Noch 1845 schmückte die
Kirche eine Darstellung des hl. Maurizius von Grecos
Hand, die als Skizze zu dem großen Bild im Eskorial
galt und wahrscheinlich mit dem in Grecos Nachlaß
erwähnten Stück identisch ist, das^man wohl in dem
Exemplar der Königlichen Gemäldesammlung in
Bukarest wieder erkennen darf. 1857 scheint das
Bild schon aus S. Torquato verschwunden zu sein,
 
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