Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

DOI Artikel:
Die Anbetung der Könige des Hugo van der Goes im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0126

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 16. 9. Januar 1914

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

DIE ANBETUNG DER KÖNIGE DES HUGO VAN
DER GOES IM BERLINER KAISER-FRIEDRICH-
MUSEUM

Die Anbetung der Könige des Hugo van der Goes
ist am ersten Weihnachtstage in Berlin eingetroffen
und mit dem Beginn des neuen Jahres in dem Eyck-
Saale der Gemäldegalerie öffentlich ausgestellt worden.
Alle Erwartungen, die an das so viel besprochene
Werk geknüpft wurden, sind durch sein endliches
Erscheinen nicht nur erfüllt, sondern bei weitem über-
troffen worden. Das Berliner Museum wurde mit
ihm um eines der allerherrlichsten Meisterwerke alt-
niederländischer Malerei bereichert. Selbst in der er-
lesenen Sammlung niederländischer Kunst, die das
Kaiser-Friedrich-Museum sein eigen nennt, wird dieses
Werk von nun an ein Höhepunkt sein. Mit dem
Genter Altar wird es das Glanzstück der Abteilung
bilden.

Auf einer großen Breittafel ist die Anbetung der
heiligen drei Könige geschildert. Vor einem ver-
fallenen Gebäude sitzt zur Linken Maria, das Kind
auf dem Schöße, ein wenig seitwärts kniet Joseph, er
hat den Hut in der Hand und blickt voll Staunen
auf das prunkvolle Schauspiel, das sich vor seinen
Augen vollzieht. In matten Tönen, die wie von einem
bläulichen Schimmer überhaucht sind, ist diese Gruppe
zur Linken gehalten. Hinter Maria blühen blaue Iris,
eines der wundervollen Pflanzenstilleben, wie sie die
Meisterhand des Hugo van der Goes geschaffen hat.
Mit der Figur des Königs, der anbetend mit zusammen-
gelegten Händen in der Mitte des Bildes kniet, setzt
eine andere Farbigkeit ein. Ein wundervolles Kirsch-
rot ist sein Gewand, und der gleißende Prunk seines
Kleides setzt sich nun weiter verklingend in den Ge-
stalten der beiden anderen Könige und ihres Gefolges
fort. Ein echt goesisches Bewegungsmotiv ist das
Niederknien des zweiten Königs, der von einem Diener
das Gefäß in Empfang nimmt. Und die prachtvollste
Figur der Tafel vielleicht ist der jüngste König, der
aufgerichtet dasteht, in einer seltsam innerlichen Be-
wegtheit, der manchen Beschauer nicht zu Unrecht
an das Pathos des Grünewald erinnert.

Das Licht fällt von rechts ein und mit hoher
Kunst ist es zum Träger der Stimmung gemacht.
Der jüngste König ist beschattet, warm durchleuchtet
der Schein die wundervoll gezeichnete Hand des
zweiten Königs, und weich ruht ein gleichsam ver-
klärender, milder Schimmer auf dem Antlitz der Gottes-
mutter.

Die Pracht der Farbe, die seltene Meisterschaft
der Malerei ist durch keine Schäden der Zeit beein-
trächtigt. Strahlend und rein erhalten steht das Werk
vor uns, nachdem es von der deckenden Schmutz-

schicht befreit wurde. Kleine Lücken der Farbschicht
vermögen kaum den Eindruck zu trüben, und auch
die bräunlichen Flecken eines alten Firnisüberzuges
sind nur eine Edelpatina, die zugleich die beste Ge-
währ dafür ist, daß kein scharfes Putzmittel wie leider
so oft die obersten Lasuren zerstörte.

Auch der alte Rahmen mit seinem einfach edlen
gotischen Profil blieb erhalten. Es scheint, daß das
Bild ihn niemals verlassen hat. Und dieser Rahmen
ist zugleich der Beweis, daß das Werk leider heut
nur mehr ein Bruchstück ist. Es war ein Flügelaltar.
Die alten Scharniere sind noch erhalten. Die Flügel-
tafeln fehlen. Nach Analogien wird man vermuten
dürfen, daß die Geburt des Kindes zur Linken ge-
schildert war, die Darbringung im Tempel zur Rechten,
eine Verkündigung auf den Außenseiten, wenn dies
auch nicht die einzig möglichen Konjekturen sind. Be-
dauerlicher noch ist es aber, daß die Tafel selbst ihres
rechteckigen Aufsatzstückes beraubt ist, in dem sich
die Architektur des Bildes fortsetzte und höchst wahr-
scheinlich Engelgruppen schwebten. Als der Flügel-
altar zum Tafelbilde reduziert wurde, mag diese For-
matveränderung vorgenommen worden sein. Möglich,
daß es geschah, ehe das Bild nach Spanien wanderte,
und daß die Flügeltafeln schon in den Niederlanden
zurückblieben. Denn man weiß nichts über die Ge-
schichte des Werkes. Sein Urheber ist durch keine
Tradition bezeichnet. Aber es bedarf keinerlei Be-
weises, daß kein anderer als Hugo van der Goes der
Meister gewesen sein kann. Auch daß das Bild für
Spanien ursprünglich bestimmt gewesen sei, ist nir-
gends bezeugt. Und alte Kopien sprechen dafür,
daß es längere Zeit zunächst in den Niederlanden
gestanden hat.

Dort muß das Werk beträchtlichen Ruhm ge-
nossen haben, denn auch Hans Holbein der Ältere
hat es bewundernd gesehen und noch mehr als zwei
Jahrzehnte nach seinem Entstehen in einer großen
Federzeichnung eine Reihe von Motiven wörtlich über-
nommen. In meiner Monographie über den Meister1)
habe ich die Zeichnung, die sich in Basel befindet,
bereits als Kopie nach einem niederländischen Ori-
ginale behandelt und dieses in die Nähe jener Kom-
position des Hugo van der Goes versetzt, die sich
nur in Wiederholungen erhalten hat, deren schönste
im Stile des Gerard David die Münchener Pina-
kothek besitzt. Die Weiträumigkeit und Größe der
Anlage, die komplizierten Bewegungsmotive sind un-
denkbar als Holbeinsches Eigentum. Und das Blatt
ist eine der wichtigsten Stützen für die Annahme
einer Reise Holbeins nach den Niederlanden, die in

1) Leipzig 1908.
 
Annotationen