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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Seidlitz, W. von: Alfred Lichtwark
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Berliner Kunstpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0143

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Berliner Kunstpflege

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sunden Geschmacks, wie er selten anzutreffen ist, für
jedes Kunsturteil aber die notwendige Grundlage bildet.
Seine ausgedehnte Menschenkenntnis, die man be-
sonders bei Verhandlungen bewundern konnte, sowie
eine weitreichende Bildung, die auf der Kenntnis der
Literaturen aller Kulturvölker beruhte, ließen ihn stets
das Erreichbare erkennen und bewahrten ihn vor
jeglichem Draufgängertum. Daher folgte er auch nur
langsam, dann aber mit Entschiedenheit, der Entwicke-
lung der zeitgenössischen Kunst.

Seine Popularität beruhte auf dem Streben, Helfer
für seine Ziele zu gewinnen, ohne seine persön-
lichen Ansichten aufdrängen zu wollen. So fühlte
sich ihm jeder, der seine Schriften las oder sein Wort
hörte, zu Dank verpflichtet für die Förderung, die er
durch seine Lehren erfuhr. Diese Schriften aber wer-
den nicht nur wegen ihres gediegenen Inhalts und
ihrer ansprechenden Form, sondern vor allem wegen
der Lebendigkeit und Vollendung ihres Ausdrucks
eine dauernde Bereicherung unserer Literatur bilden,
besonders wenn auch seine zahlreichen Beiträge zu
den siebzehn Bänden des Jahrbuchs der Gesellschaft
Hamburgischer Kunstfreunde veröffentlicht sein werden,
die bisher nur einem beschränkten Kreise zugänglich
waren.

Der dauernden Anhänglichkeit seiner Freunde kann
er sicher sein, wie ihm auch bei Lebzeiten ihre Zu-
stimmung über die mancherlei Anfeindungen hinweg-
geholfen hat, die ihm so wenig wie jedem anderen
Menschen von eigenem Schrot und Korn erspart ge-
blieben sind. W. v. Seidlitz,

BERLINER KUNSTPFLEGE

Der Erwerb des Ermelerschen Hauses in der
Breiten Straße wird, wie es scheint, in kurzer Zeit
abgeschlossen werden. Den Stadtverordneten ist eine
Vorlage des Magistrats zugegangen, die den Kauf des
Gebäudes zum Gegenstand hat. Berlin ist nicht ge-
rade reich an alten Bauwerken, die der Konservierung
wert sind. Um so mehr ist es zu begrüßen, wenn
in diesem Falle von der sonst üblichen Praxis nach-
träglichen oder stillschweigenden Bedauerns abgegangen
wird und durch tatkräftiges Eingreifen das Haus vor
der Demolierung bewahrt wird. Noch ist ja das
Schicksal des alten Opernhauses nicht entschieden,
noch wird in dem benachbarten Potsdam unbarm-
herzig genug gegen die Gebäude gesündigt, die hier
in großer Zahl aus der friderizianischen Epoche bis
in unsere Zeit unversehrt erhalten geblieben waren.
Droht doch auch dem Potsdamer Rathause mit dem
unmöglichen Projekt der Verdoppelung des Turmes
ernstliche Gefahr.

In Berlin sind die Reste der Bautätigkeit unter
dem großen König spärlich genug, und es ist ein
erfreuliches Zeichen der Besinnung auf selbstverständ-
liche Pflichten, wenn jetzt das Haus, das der Armee-
lieferant Peter Friedrich Damm im Jahre 1761 er-
richten ließ, von der Stadt erworben wird, um mit
seinem schönen Treppenhaus und den gut erhaltenen
Gesellschaftsräumen für immer konserviert zu werden.

Eine andere Frage ist, was nun mit dem Hause
geschehen soll, wie es weiter verwendet werden wird.
In Paris kann man Beispiele mustergültiger Nutzbar-
machung alter Architekturdenkmäler in nicht geringer
Zahl finden. So ist an das Hotel Soubise zu er-
innern, in dem städtische Archive untergebracht sind,
deren Schausammlung in den Prunkräumen aufgestellt
ist, um diese so dem Publikum jederzeit zugänglich
zu machen. Allerlei kleine Museen sind auf ähnliche
Art in und um Paris allmählich entstanden, und es
ist ihr besonderer Reiz, daß Gebäude und Inhalt
gleichermaßen eine Sehenswürdigkeit bilden.

Das Museumswesen der Stadt Berlin ist ja noch
immer eine uneingelöste Forderung. Der wenig
glückliche Bau des märkischen Museums kann als
Provinzialmuseum, auch wenn es zufällig in Berlin
steht, nicht alle Verpflichtungen der Reichshaupt-
stadt erfüllen. Seit einiger Zeit ist nun endlich
von der lange geforderten Schaffung einer modernen
Galerie die Rede. Aber was von den Plänen und dem
Programm in die Öffentlichkeit dringt, ist wenig
vertrauenerweckend.

Nach den traurigen Erfahrungen des Märchen-
brunnens, der durch viele Jahre den schmalen Kunst-
fonds der Stadt Berlin verschlungen hat, ist auch
für dieses Museum alles Schlimme zu befürchten,
und die Bürgerschaft Berlins hat ein Recht, öffent-
liche Diskussion der Angelegenheit zu fordern, ehe
alle wichtigen Entscheidungen getroffen sind. Es
ist ja leider oft so, daß innerhalb der freien Ver-
fassung der Städte mehr Raum für diktatorische Ge-
walt ist als bei der durch viele Instanzen kontrollier-
ten Regierung. Gerade auf künstlerischem Gebiete
sind von städtischer Seite manche schlimme Miß-
griffe zu verzeichnen, dadurch, daß die Herren der
Verwaltung sich Kompetenzen selbst anmaßen, die in
dem umständlicher arbeitenden Apparat der Regierung
nur Sachverständigen zustehen.

So hat man leider Grund, auch für die neu zu
schaffende städtische Galerie Berlins alles mögliche
Schlimme zu fürchten. Soll sie nichts weiter werden
als ein Reservoir zur Konservierung von Kunstaus-
stellungsresten, so bliebe sie besser ungeboren. Es
gibt andere Aufgaben heut, und eine klare Abgren-
zung gegen das Sammelgebiet der Nationalgalerie
wäre erforderlich. Hätte die Stadt früh genug sich
ihrer Pflicht erinnert und einen Stock von Werken
Menzels sich gesichert, so wäre für eine Sammlung
Berliner Malerei des 19. Jahrhunderts der Mittelpunkt
geschaffen, der nun immer fehlen wird. Eine Lieber-
mann-Sammlung zusammenzubringen, ist gerade noch
Zeit. Man sollte nicht auch diese Gelegenheit ver-
säumen. Jedenfalls bleibt neben der Nationalgalerie
noch durchaus Platz für ein städtisches Museum, das
naturgemäß da einsetzen sollte, wo die staatliche Galerie
aus verschiedenen Gründen versagen muß. Aber unter
keinen Umständen sollte man anstatt eines Museums
eine Künstlerversorgungsanstalt schaffen und mit dem
Ballast beginnen, der ja leider auch in jedem gut ge-
leiteten Museum im Laufe der Jahre sich ansammeln
muß. Die Erfahrungen, die einem Museumsleiter heut
 
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