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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Streifzug durch die Pariser Kunstsäle
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0159

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Nekrologe — Personalien

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rischer Wille rege: Mit Aquarellfarben der flüchtigsten
aber unmittelbarsten aller Malweisen, spürt er der
inneren Balance in einem Naturausschnitt nach. So
sind die Formen auf ein paar Hauptlinien, aber von
äußerster Tragfähigkeit, und auf ein paar gegen ein-
ander abgewogene Farbflächen reduziert. Aber von
solchen Studien aus läßt sich dann sicher weiterbauen.
Gerade aus diesen Aquarellstudien erhellt, mit welchen
Widerständen innerlich begründeter Art Cezanne zu
kämpfen hatte. Daher gewisse Deformationen, die
gleichsam seismographisch die heftige Erregung des
schaffenden Künstlers kundtun.

Wie blaß und fadenscheinig wirkt Aman-Jean,
wenn man von Cezanne her zu ihm kommt! Die
Galerie Manzi gab eine Übersicht über sein Lebens-
werk. Ein brav gemaltes Porträt des Bildhauers Dampt
von 1894 trägt auf dem Rahmen die Aufschrift: Volo,
volo! Wie ein Angstschrei zieht dieses Volo durch
die ganze Entwicklung Aman-Jeans hindurch; er möchte
wohl, aber er kann nicht. Im Bann der englischen Prä-
raffaeliten werden seine Bilder immer vaporoser, die
Gebärden immer müder; nur ein angeborener Ge-
schmack hält die Bilder noch aufrecht, aber Geschmack
allein bringt kein starkes Kunstwerk zuwege. Auf einem
großen Pleinairbild sind drei Personen mit zwei Hunden
dargestellt. Eine jede der Personen sieht in eine
andere Ecke, so fade ist es ihnen zumut voreinander;
aber es sieht auch so aus, als wendeten sie sich ge-
langweilt von ihren eigenen Porträts ab. Die Dame
nebenan hingegen lächelt mich elegisch an. Volo, volo,
erscholl ihr vielleicht eine Stimme, aber es war wohl
die Stimme eines Eunuchen.

Der Ausstellung Aman - Jean folgte eine Ver-
steigerung eines Teiles seiner Werke. Für ein paar
Dutzend Bilder wurden etwa 50000 Frs. eingenommen.

Im Musee des Arts Decoratifs hat eben Manzana-
Pissarro, der Sohn des Malers Pissarro, eine umfassende
Ausstellung von Bildern, Gouachen, Radierungen, Tep-
pichen, Möbeln, gemalten Gläsern. Bedeutet dekorative
Kunst nur das Schmücken irgend eines Materials mit
Traumgestalten, Tieren oder Ornamenten von gefälligen
Linien und Farben, so ist Manzana ein bewunderungs-
würdiger Künstler; kaum einer möchte es mit ihm an
Reichtum der Phantasie, an Mannigfaltigkeit hand-
werklicher Tätigkeit aufnehmen. Bedeutet aber deko-
rative Kunst das Unterordnen des Künstlers unter
bestimmte Stilgesetze nebst dem Respekt vor der Eigen-
art eines Materials, so hält kaum eines der ausgestellten
Werke einer Kritik, die auf diese Weise ihm käme,
stand. Manzana führt den Beschauer nach Arabien
und Indien, an die Gestade des Ganges und des
Nils, in Landschaften voll fabelhafter Frauen und
exotischen Geflügels — ein Schwelger, aber kein
Gestalter. Und kein Material ist vor ihm sicher, nicht
die Marmorplatte einer Kommode, kein Wollfaden,
der zum Wirken eines Teppichs dienen könnte, keine
Glasschale, kein Wandschirm, kein Spiegel. Über
alles ergießen sich — gleichermaßen, das ist das
Schlimme —, seine Träume. Dabei könnte man ihm
nicht einmal mangelndes Naturstudium vorwerfen;
Skizzen von Frauenakten, von Hühnern und Schwänen

zeigen eine rassige Beobachtungsgabe; woran es fehlt,
das ist die Anwendung, die Umformung zum Ornament.
Beim Übergang zur angewandten Kunst, statt daß die
Form sich strafft, verlottert sie. Der Impressionismus
des Vaters lebt zu stark in seinem Blut. Reichte es
bei ihm vielleicht nicht zum originalen freien Künstler
aus, so stellt doch der Impressionist, der in ihm steckt,
fortwährend dem dekorativen Künstler ein Bein.

In den Sälen neben Manzana findet eine Ausstellung
japanischer Holzschnitte und Kunstgegenstände statt:
eine gefährliche Nachbarschaft. Wäre man nicht klar,
woran es Manzana gebricht, ein Blick in die Räume
nebenan brächte schnell die Erleuchtung. Auch hier
ist Phantasie, Lust am Fabulieren, Trieb zum Schmücken
und Freude an vielerlei Material. Aber kein Metall,
kein Holz berührt der Japaner mit Handwerkszeug,
keine Linie zieht er, keine Farbe trägt er auf, ohne
daß eine heilige Notwendigkeit es rechtfertige.

A.D.

NEKROLOGE

Am 22. Januar d. J. starb in Eutin im 75. Lebensjahre
der holsteinische Landschaftsmaler Johannes Vahldiek.
Er war selbst bei seinen landsmännischen Berufsgenossen
nur wenig bekannt, und seine über ein nur bescheidenes
Maß des Könnens selten hinausgehenden Arbeiten waren
auch nur auf lokalen Ausstellungen vereinzelt anzutreffen.

PERSONALIEN

Wilhelm Bode ist in den erblichen Adelsstand er-
hoben worden. Wir brauchen unsere Leser nicht auf die
Bedeutung eines Mannes hinzuweisen, der so sehr die
zentrale Persönlichkeit nicht nur der deutschen Kunst-
wissenschaft, sondern des heutigen Kunstlebens überhaupt
ist, daß in der ganzen Welt sein Name zu den bekann-
testen zählt. Den vielen Ehrungen, die ihm zuteil wurden,
reiht sich diese neue als eine der nur in seltensten Aus-
nahmefällen verliehenen an.

Wolfgang Helbigs 75. Geburtstag. Als jüngst der
berühmte dänische Brauer und Kunstfreund Carl Jacobsen
starb, war natürlicherweise in den Nekrologen hauptsäch-
lich von dem größten seiner Werke, der Glyptothek »Ny-
Carlsberg« die Rede. Merkwürdigerweise waren aber dabei
fast niemals seine getreuen Helfer Wolfgang Heibig in
Rom und Paul Arndt in München genannt. Was oder wie
wäre die wunderbare Kopenhagener Sammlung, die Jacobsens
Mittel und sein Kunsteifer vereinigt haben, geworden
ohne Wolfgang Helbigs 25jährige Mitarbeit, der jetzt am
2. Februar in voller geistiger Frische, wenn auch körper-
lich etwas unter den Beschwerden des Alters leidend,
seinen 75. Geburtstag feierte ? — In dem Vorwort zu der
III. Auflage von Helbigs unentbehrlichem »Führer durch
die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in
Rom«, den Amelung, Reisch und Weege jetzt neu heraus-
gegeben haben, ist betont, daß, trotzdem der Alte von der
Villa Lante sich der Neubearbeitung seines Führers nicht
mehr widmen konnte, er doch noch fleißig im Hause die
Resultate der neueren Forschungen zu einer dritten Aus-
gabe seines großen und bedeutenden Werkes »Das home-
rische Epos an den Denkmälern erläutert« zusammenträgt.
— Wolfgang Heibig ist am 2. Februar 1839 zu Dresden
als Sohn eines Gymnasialdirektors geboren; seine Jugend-
bildung beruhte nicht allein auf der üblichen Gymnasial-
erziehung, sondern war auf die verschiedenartigsten Gegen-
 
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