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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Neues vom Louvre
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0231

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Sammlungen — Personalien — Ausstellungen

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dünn und lang wie Flamingostelzen, dort sind ganze
Stuhllehnen in bunte Körbe voll Äpfel und Trauben
verwandelt. Hier drängen sich Bronzebeschläge und
Inkrustationen vor, dort greifen Armlehnen durch den
Stuhlsitz hindurch nach den Stuhlfüßen, als gälte es,
ein Akrobatenkunststück zu demonstrieren. Am er-
quicklichsten muten kleinere Kunstgewerbegegenstände
an. Marcs Schreibmappen und Bucheinbände mit
farbigen Blumen- oder Figurenmotiven auf gelblich-
weißem Pergament sind von einem entzückenden,
festlichen Farbenzusammenklang: so lichtfrohe, leicht-
beschwingte Dichter wie Homer oder Walter von der
Vogelweide möchte man in dieser Weise gebunden
besitzen. Auch Marinots transparente Glasgefäße mit
farbigem Emailleschmuck darauf sind reife, herz-
erfrischende Kunst. Eine nie um Motive verlegene
Phantasie, zweckvolle Formen ohne gesuchte Origi-
nalität, Rücksichtnahme auf die besonderen Material-
forderungen lassen Marinot als einen den alten Vene-
zianern ebenbürtigen Glaskünstler erscheinen. Eine
Glashütte in Bar ist mit der Herstellung betraut: eines
der wenigen Beispiele in Frankreich, daß ein indu-
strielles Unternehmen sich einen modernen Künstler
verschreibt. A. D.

SAMMLUNGEN

Eine überraschende Nachricht kommt aus Budapest:
An Stelle des wegen seiner dauernden Erkrankung endgültig
vom Amt zurückgetretenen Herrn v. Kammerer ist Dr. jur.
Alexis Petrowics, bisher Sektionsrat im Ministerium des
Innern, zum Direktor des Museums der schönen Künste
in Budapest ernannt worden. Wir kennen die Gründe
nicht, die die ungarische Regierung bewogen haben, diese
wichtige Stellung mit einem juristisch geschulten Ver-
waltungsbeamten zu besetzen, fühlen uns aber verpflichtet,
dem Erstaunen, das die Fachwelt des Auslandes hierüber
ergreifen wird, Ausdruck zu geben. Die Zeiten, wo eine
Sammlung von europäischer Bedeutung ohne die Leitung
eines kunsthistorisch gebildeten Museumsfachmannes ge-
deihen kann, sind vorüber. Die Ansprüche der Forschung
und die Schwierigkeit des Marktes sind so gestiegen, daß
Mißgriffe oder unterlassene Zugriffe sich oft bitter rächen.
— Doch um von diesen selbstverständlichen Allgemein-
heiten zur vorliegenden Sache zu Rommen, fragen wir:
Warum hat man Dr. Gabriel von Terey, der während der
Erkrankung Kammerers diesen in der leitenden Direktion
schon längst vertrat und sich durch seine bisherigen Leis-
tungen um das Budapester Museum die größten Verdienste
erworben hat, nicht an diese Stelle gesetzt? — Terey hat
als früherer Vorstand des Kupferstichkabinettes, späterer
Vorstand der Gemäldeabteilung und in den letzten Jahren
als stellvertretender Leiter des gesamten Museums eine
derart fruchtbare, vor aller Augen liegende Arbeit geleistet,
er hat auch dank seinen Beziehungen zum europäischen
Westen das Budapester Museum so in seinem internatio-
nalen Ansehen gesteigert, daß man sich erstaunt fragt:
Warum setzt die ungarische Regierung diesen Mann, der
ihr so viel geleistet hat, derart zurück, daß sie ihn, statt
mit der bisher verwalteten Stelle endgültig zu betrauen,
in den früheren Posten des Abteilungsvorstandes wieder
einsetzt? — Wer sich die bedeutenden kunsthistorischen
Publikationen Tereys vergegenwärtigt und sich seine Arbeit
der Erweiterung, Ordnung, Bestimmung und Katalogisierung
der Galerie vorstellt, der wird jedenfalls die Uberzeugung

hegen: Ein sachlicher Grund für diese Übergehung
Tereys kann nicht vorliegen. a. k.

Ein Trachtenmuseum in Paris. Das ethnographische
Museum im Trokadero hat sich mit einem französischen
Trachtenmuseum aus dem Besitz des Fräuleins König be-
reichert. In etwa 500 Kostümpuppen wird die Geschichte
der französischen Volkstracht abgewandelt: ethnisch wert-
volle Dokumente, wie sie so vollständig kein anderes
Museum aufzuweisen hat, und dazu von einer künstlerischen
Durchführung, die sie zu kleinen Meisterwerken macht.

PERSONALIEN

Die weitverbreitete Vermutung, daß Herr Dr. Rintelen
an die Frankfurter Hochschule berufen sei, bestätigt sich
nicht. Wenigstens ist bisher noch in keiner Form eine
Anfrage an Herrn Dr. Rintelen ergangen.

AUSSTELLUNGEN

Das Berliner Königliche Kupferstichkabinett gibt
in seiner neuen Ausstellung eine Ubersicht über die Ent-
wicklung des künstlerischen Farbendrucks von seinen An-
fängen im Ausgang des 15. Jahrhunderts bis in die neueste
Zeit. Der alte Holzschnitt rechnete mit der Kolorierung.
Er gab nur die Umrisse der Zeichnung, die erst durch die
farbige Anlage bildmäßige Wirkung erhielten. Es lag
nahe, auch für den Farbenauftrag ein mechanisches Ver-
fahren zu verwenden, und nachdem zuerst Schablonen
versucht worden waren, kam man bald darauf, durch einen
zweiten oder mehrere weitere Holzstöcke die farbigen
Flächen einzudrucken. Erhard Ratdolt, der nacheinander
in Venedig und Augsburg als Drucker tätig war, bildete
dieses Verfahren des ersten Farbendrucks aus. Mit der
Entwicklung des Holzschnitts zu einer reinen Schwarz-
Weiß-Kunst, die mit Tönen von Hell und Dunkel rechnet,
schwand die Notwendigkeit der Ergänzung durch Farben.
Die Holzschnitte des beginnenden 16. Jahrhunderts ver-
tragen nicht mehr die Kolorierung im alten Sinne. Da-
gegen war es möglich, die Skala von Schwarz zu Weiß
durch einen Mittelton zu bereichern. In der Zeichnung
lassen sich auf farbigem Papier weiße Lichter mit dem
Pinsel aufsetzen, die ganz anders hell wirken als der ausge-
sparte Grund. Wollte man den gleichen Effekt im Holz-
schnitt erzielen, so konnte man den Papierton mit Hilfe
einer zweiten Platte aufdrucken, aus der nur die wenigen
weißen Lichter ausgespart blieben. Jede Strichplatte
ließ sich durch eine solche Tonplatte ergänzen, und es
ist nicht immer sicher, ob es sich nicht um nachträgliche
Hinzufügung handelt, wie in Dürers Bildnis des Ulrich
Varnbühler. Die Erfindung des Verfahrens scheint auf
Lukas Cranach zurückzugehen, der schon im Jahre 1506
einen solchen »Tonschnitt« vollendete. Hans Baidung Grien
und Johannes Wechtlin haben die Technik übernommen und
neben Cranach die bedeutendsten Blätter der Art geschaffen.
Immer sind zwei Platten verwendet, und die Strichplatte
allein gibt bereits die vollständige Zeichnung. Hans Burgkmair
ging hierüber prinzipiell hinaus, nicht allein durch Ver-
wendung von drei und mehr Platten, sondern vor allem,
indem er mit dem Prinzip der Trennung von Zeichnungs-
und Tonplatte brach. Sein wundervoller Holzschnitt »Der
Würger Tod» entsteht erst durch den Übereinanderdruck
der drei Platten. Die hauptsächlichen Elemente der Zeich-
nung liegen in dem Mittelton. Schwarz gibt nur die
tiefsten Schatten. In dem Porträt des alten Jakob Fugger
verwendet er dann sogar fünf Platten, von denen zwei
allerdings im wesentlichen wieder einer eigentlichen Kolo-
rierung dienen. Noch weiter ging Altdorfer in dieser
 
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