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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 25.1914

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Die ägyptischen Expeditionen des Bostoner Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.6191#0330

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXV. Jahrgang 1913/1914 Nr. 44. 25. September 1914

Die Kunstchronik und der Kunstraarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

Die durch den Kriegsausbruch eingetretenen Stockungen in den technischen Betrieben sind Ober-
wunden, so daß meine Zeitschriften von Anfang Oktober ab pünktlich und regelmäßig erscheinen werden.
Auch für die Aufrechterhaltung der redaktionellen Verbindungen ist gesorgt. Von den näheren Mitteilungen
im Anzeigenteil dieser Nummer bitte ich Kenntnis zu nehmen. Nr. 1 der Kunstchronik wird am 9. Oktober
ausgegeben. E.A.Seemann.

DIE ÄGYPTISCHEN EXPEDITIONEN
DES BOSTONER MUSEUMS

Zu den erfolgreichsten Ausgrabungen des letzten
Jahres in Ägypten (siehe Kunstchronik 1913/1914 Nr. 8,
20, 27, 32) treten auch die Resultate des Bostoner Museum
of fine Arts, welches gemeinschaftlich mit der Harvard-
Universität nach verschiedenen Stätten Ägyptens Expedi-
tionen ausgesandt hat. Die Hauptarbeit der Bostoner
Expedition war an den königlichen Friedhöfen von Oizeh.
O. A. Reisner beschreibt diese Ausgrabungen in dem
Bostoner Museumsbulletin vom November 1913, und
22 Abbildungen lassen die hervorragenden Schätze er-
kennen, welche die Amerikaner dem Boden wieder ent-
zogen haben und von denen auch ein großer Teil in das
Bostoner Museum gelangt ist (s. auch den eben herüber-
gekommenen Annual Report des Museum of fine arts
für 1913, Boston 1914). Reisner grub am nordöstlichen
Ende der Cheops-Pyramide, da wo Lepsius im Jahre 1842/43
Gräber ausgegraben hatte. Reisner fand, daß hier ein
ganzer Komplex von Gräbern einer einzigen Familie an-
gehörte, der des Senezem-Ib; diese Gräber, von denen acht
identifiziert wurden, reihten sich um einen gewaltigen
Opfer- oder Darbringungshof und über älteren Mastabas.
Schon vor der römischen Periode waren die Gräber im
Süden und im Osten zerstört worden und einige der Re-
liefs und Gemälde lagen unter dem römischen Pflaster.
Das schönste gefundene Relief repräsentiert den Nekhebuw
mit seinem Sohn Im-Thepy, wie sie Fische mit dem Speer
fangen. Von Nekhebuw sind auch noch andere Abbil-
dungen in Relief- und Rundplastik gefunden. Die Gräber
bargen drei Generationen von Architekten und Baumeistern
aus der Zeit von 2675—2600 v. Chr., welche den Königen,
von Isesi oder Assa bis Pepy IL, als Hofbaumeisler gedient
hatten. Ein Grab, das des Im-Thepy, war vollständig in-
takt. Außer dem hölzernen Sarkophag lagen da eine ganze
Reihe von großen Krügen mit Gips- und Schlammstöpseln,
dann eine ganze Anzahl Tongeräte und Modelle von Haus-
mobiliar und Geräte aus Kupfer waren dabei liegend. In
dem Sarkophag selbst lagen neben dem auf einer Alabaster-
kopfstütze ruhenden Kopf der Mumie ein Kupferspiegel
und zwei Alabasterkrüge, weiter ein prachtvolles Goldhals-
band mit Fayencebrustschmuck. — In dem Grab des Yenty
(Senezem-Ib, wahrscheinlich der Gründer der Familie) lag
ein Dioritbecher, der den Namen Tepy trug und wahrschein-
lich ein königliches Geschenk war. — In einer Kammer
unter dem Grab des Mehy fanden sich fünf kleine Holz-
figuren von knienden Gefangenen und zwei Holzstatuen,
von denen eine wahrscheinlich den Sohn des Mehy dar-
stellt; sie ist fast lebensgroß und erreicht in Technik und
Schönheit des Ausdrucks die berühmteste altägyptische
Holzfigur, die des Sheikh-el-Beled im Museum von Kairo.

Diese Figur ist jetzt im Bostoner Museum ebenso wie der
Holzsarkophag des Im-Thepy, der als eine der wertvollsten
bekannten Holzarbeiten der 6. Dynastie anzusehen ist.
Außerdem ist das schönste und vollendetste der jetzt auf-
gedeckten Gräber von Gizeh vollständig nach Boston ge-
bracht worden und soll in dem demnächst zu eröffnenden
neuen Flügel des Museum of fine Arts ausgestellt werden.
Auch sonst sind eine Anzahl schöner Reliefs und ein
Obelisk mit der Lebensgeschichte des Nekhebuw nach
Boston gelangt. Abgesehen von der künstlerischen Aus-
beute aus diesem Komplex von Mastabas konnte Dr. Reisner
aus ihnen und aus den nördlich und nordwestlich davon
gelegenen Grabbauten eine exakte chronologische Ent-
wicklung der Mastaba-Bauten während der 4., 5. und 6.
Dynastie aufstellen.

Im April - Bulletin des Museum of fine Arts sind
nun die weiteren Ausgrabungserfolge des Bostoner Mu-
seums in Nubien bei Kerma, wenig südlich vom 3. Kata-
rakt, ausführlich beschrieben. Lepsius hatte Kerma am
20. Juni 1844 besucht und geglaubt, daß hier eine
mächtige Stätte im alten Reich gewesen sei. — Eine
große Anzahl interessanter Funde sind aus diesen höchst
erfolgreichen Ausgrabungen in das Bostoner Museum ge-
langt, darunter Fragmente von Alabastergefäßen mit Na-
men von Königen des alten und mittleren Reichs, Siegel-
abdrücke auf Schlamm, Tontöpfe, Glasgefäße, Skara-
bäen und ein kleines Gefäß aus blauer Paste, Stelen,
Granitfiguren und endlich eine ganze Fülle von Gegen-
ständen aus der Hyksos-Periode, nämlich rotpolierte Töpfe-
reien mit schwarzem Rand, hölzerne Tische, Stühle, ver-
zierte Stuhlbeine und Kopfstützen, Bronzegegenstände und
Waffen teilweise mit eingelegter Arbeit, Straußfedernfächer,
Bein- und Elfenbeinintarsien und Mica-(Glimmer-)Orna-
mente. — G. A. Reisner, der auch diese Ausgrabungen
geleitet hat, nennt die letztgenannte Serie von Funden
geradezu überraschend. In wenig Tagen lernte man Ge-
bräuche und Gewohnheiten an den Funden erkennen, von
denen man für diese Periode keine Ahnung hatte. Man
stieß auf die Kultur einer Rasse, deren mögliche Identi-
fikation man als kaum möglich sich selbst gestehen konnte.

Es ist jetzt nicht daran zu zweifeln, daß die Bostoner
Expedition den Friedhof der Garnison von Kerma aus der
Hyksos-Periode gefunden hat: »a bewildering success of
finds incredibly preserved«. — Um 2600 v. Chr. hatten die
Ägypter bereits begonnen, den oberen Nil zu erforschen
und ihre militärische Macht war bis zu der heutigen Pro-
vinz Dongola vorgedrungen, das reichste Gebiet zwischen
der Grenze Ägyptens bei Assuan und dem tropischen
Sudan. Von dort holte sich der Ägypter Gold und Vieh,
Elfenbein, Straußfedern und -Eier, Ebenholz, Häute, Spe-
zereien und Weihrauch, Dinge, welche entweder die Pro-
vinz produzierte oder im Handel erwarb. Vieles kostbare
 
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