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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Gefährdete Kunstwerke, [1]
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Ein Berliner Baudenkmal bedroht
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0011

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Ein Berliner Baudenkmal bedroht

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in unseren Ausstellungen willig die Ehrenplätze, und
unsere Forschung kannte keinen Unterschied von
diesseits und jenseits der Grenzen.

Das soll auch in Zukunft nicht anders werden.
Wohl wird manches nach diesem Kriege auf das
rechte Maß zu bringen sein. Trotzdem wird niemand
daran denken) Wissenschaft oder Kunst von nun an
in hermetischem Abschluß gegen das Ausland zu halten.
Eines aber erhoffen wir allerdings unter den großen
Erfolgen, die dieser Krieg uns bringen soll, daß auch
die anderen Völker von nun an wissen: wir sind
keine Barbaren.

Heut haben wir zu den französischen Truppen
nicht das gleiche Vertrauen wie zu den unseren.
Fast noch mehr als den Vandalismus, den französische
Heere in früheren Zeiten bewiesen haben, fürchten
wir ihre Unwissenheit. Wir können ihnen nicht zu-
trauen, daß sie Kenntnis besitzen von den Werten,
die auf dem Wege liegen, den sie zu gehen hofften.
Und wir zittern, wenn wir den Namen Kolmar in
Verbindung mit Nachrichten vom Kriegsschauplatze
nennen hören. Unser Trost ist allein die Zuversicht,
daß unser Heer den Denkmalen nationaler Kultur den
stärksten Schutz leiht, indem es den Feind in sein
eigenes Land zurückdrängt, um dort den gewaltigen
Kampf zur Entscheidung zu bringen.

Es soll damit nicht gesagt sein, daß wir Deutschen
den Untergang fremder Kunstwerke weniger beklagen
werden als den unserer eigenen. Aber wir wissen,
daß unsere Truppen schonungsvoller sein werden,
als wir unseren Gegnern zutrauen können, daß sie es
wären. Bei Treitschke kann man nachlesen, wie die
Franzosen staunten, als 1813 die preußischen Frei-
willigen fast so eifrig wie ihr Kronprinz zu den
Kunstschätzen des Louvre wallfahrteten. Anton Springer
erzählt, wie 1870 die deutschen Truppen, als sie bei
der Kathedrale von Reims vorbeimarschierten, ohne
Kommando Augen rechts hielten, um ihre Ehrfurcht
vor dem großen Werke zu bezeugen. Das war vor
der Zeit der allgemeinen Kunsterziehung. Und nach
dem Märchen von Löwen will man uns nun glauben
machen, daß eben diese Kathedrale von deutscher
Artillerie aus leichtfertiger Zerstörungslust in Brand
geschossen worden sei. Wie es sich damals heraus-
stellte, daß die Darstellung, die von deutscher Seite
gegeben worden, die richtige war, so vertrauen wir
auch jetzt dem Berichte, der besagt, die Franzosen
selbst haben die ehrwürdige Kathedrale in den un-
mittelbaren Bereich der Operationen einbezogen, so daß
ihre Beschießung unvermeidlich wurde. In der ersten
Nachricht bereits, die von deutscher Seite kam, wurde
jede mögliche Schonung des Bauwerkes zugesagt.
Wenn aber französische Kanonen auf der Plattform
aufgefahren sind, so gilt kein anderes Gebot mehr
als das des Krieges, und dieses heißt allein, durch
Gegenwehr die feindliche Batterie zum Schweigen
bringen. Es blieb ebenso unwidersprochen, daß die
Antwerpener den Turm der Liebfrauenkirche zur Auf-
stellung von Maschinengewehren benutzten. So dürfen
die Belgier nicht klagen, wenn das Gebäude auch
von der Gegenseite beschossen ward. Reims ist

Festung. Es war an den Franzosen, Sorge zu tragen,
daß seine Kathedrale außerhalb des Bereiches der
militärischen Operationen blieb.

Der Krieg ist heut nicht mehr wie in den Ur-
zeiten der Völker ein Kampf aller gegen alle. Er ist
ein Duell der Armeen, und das Völkerrecht soll die
Maßnahmen binden. Auch der Schutz der Kunst-
denkmale ist an sich möglich. Aber beide Parteien
müssen in gegenseitiger Übereinstimmung handeln.
Wir geben unten eine Erklärung der deutschen Re-
gierung über den Brand der Kathedrale von Reims
wieder, und wir können auch von unserer Seite diesen
klaren Worten nichts hinzufügen. Könnte unsere
Stimme bis zu unseren Gegnern hinüberdringen, so
möchten wir ihnen zurufen: übt selbst Schonung an
euren nationalen Denkmalen. Dorthin, anstatt nach
Deutschland, sollten auch die auswärtigen Körper-
schaften ihre Mahnungen richten. Gegenseitige Über-
einkunft hat es zuwege gebracht, daß das rote Kreuz
im Kriege Schutz genießt. Der Artikel 27 des Haager
Abkommens lautet: »Bei Belagerungen und Beschießun-
gen sollen alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen
werden, um die dem Gottesdienst, der Kunst, der
Wissenschaft und der Wohltätigkeit gewidmeten Ge-
bäude, die geschichtlichen Denkmäler, die Hospitäler
und Sammelplätze für Kranke und Verwundete soviel
wie möglich zu schonen, vorausgesetzt, daß sie nicht
gleichzeitig zu einem militärischen Zweck Verwendung
finden. Pflicht des Belagerten ist es, diese Gebäude
oder Sammelplätze mit deutlichen besonderen Zeichen
zu versehen und diese dem Belagerer vorher bekannt zu
geben.« Sind die Gegner gewillt, diesen Grundsatz zu
respektieren, so können sie nach allen Erfahrungen gewiß
sein, daß von deutscher Seite kein Bruch erfolgen wird.

Solches Vertrauen aber setzt eine Achtung des
Gegners voraus, die eben durch die Lügennachrichten
der französischen und englischen Presse nochmals
untergraben wurde. Darum sind diese doppelt schäd-
lich. Darum wird es in Friedenszeiten dreifach nötig
sein, unsere jetzigen Gegner zu belehren, daß auch
wir ein Kulturvolk sind, wie wir von ihnen es nie-
mals bezweifelt hatten.

EIN BERLINER BAUDENKMAL BEDROHT

Während draußen im Feindesland der unerbitt-
lichen Not des Krieges unersetzliche Denkmäler zum
Opfer fallen und wir trotzdem bewundern dürfen,
wie unsere Soldaten das Menschenmögliche tun,
zu schonen, was irgend sich erhalten läßt, schrei-
tet in Berlin die beinahe planmäßige Zerstörung
der verhältnismäßig geringen Überreste einer archi-
tektonischen Vergangenheit weiter fort. Die Gefahr
droht diesmal nicht einem Bau, sondern einem Platz.
Aber man sollte meinen, daß das Bewußtsein von
der Wichtigkeit der architektonischen Gesamtsituation,
innerhalb deren das einzelne Gebäude immer nur
ein untergeordnetes Glied bleibt, in unserer Zeit, die
den Begriff des »Städtebaues« eben erst geprägt hat,
allgemein geworden sei. Leider jedoch scheint der
altgewohnte Instanzenweg trotz des neugegründeten
»Zweckverbandes« für Groß-Berlin dieser endlich ge-
 
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