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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Hildebrandt, Hans: Josef Eberz
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Gefährdete Kunstwerke, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0019

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'9

Gefährdete

Kunstwerke

20

Kompositionen das geometrisch-konstruktive Schema
meist allzudeutlich spiegelte, so hatten diese doch be-
reits starke rhythmische Reize im Liniengefüge und in
der Zusammenstimmung tiefer, gesättigter Farben.

Das Ganz-Persönliche, die Kraft des Ausdrucks
entwickelten sich bei Eberz erst, nachdem ihm sein
erster bedeutender Auftrag geworden war: Für die
Seminarkirche in Ehingen ein 4 zu 6 m messendes
Gemälde, »Die Wunder des Herzen Jesu«, zu fertigen.
Was Eberz bisher geleistet hatte, konnte nur als Vor-
arbeit für die große und schwierige Aufgabe gelten.
Eirr Bild wie dieses, zur Ausfüllung eines festum-
grenzten Platzes berufen und nicht weniger durch
seine Maße zur Eingliederung in einen architektonischen
Organismus bestimmt, bedurfte in weit höherem Grade
als die nach freiem Ermessen komponierten Tafelbilder
eines einheitlich durchgeführten Massenrhythmus, einer
auf dem Prinzip des Gleichgewichts gegründeten Ge-
schlossenheit. Es verlangte aber auch Gestaltung des
Seelischen. Und der junge Künstler, dessen Stärke
vordem weit weniger im Ausdruck als in der Lösung
rein formaler Probleme gelegen hatte, wußte unter
dem Zwange einer genau gestellten Aufgabe mit einem
Mal auch diesen neuen Forderungen zu genügen.
Nicht nur das Gemälde selbst, auch alle Studien, die
seiner Ausführung vorangehen mußten, und alle selb-
ständigen Gemälde, die aus Anlaß solcher Studien
entstanden, haben etwas Innerliches und zeugen von
echter, zu Mystik neigender Religiosität. Daß Eberz
bei diesem Bilde wie bei dem 14 Gemälde umfassenden
Passionzyklus für die Marienkirche in Kaiserslautern,
der eine eigenartige, sehr interessante Leistung zu
werden verspricht, auch daraus Vorteile zog, daß er
als Katholik mit den Legenden und Lehren der rö-
mischen Kirche nicht nur äußerlich vertraut ist, mag
mit zur Erklärung dienen.

Übrigens erschöpft sich die Begabung des jungen
Stuttgarters durchaus nicht in der Darstellung religiöser
Stoffe. Seine Landschaften haben, wenn nicht, was
früher häufig geschah, das Formalistische sich zu sehr
vordrängt und den Eindruck des Allzu-Gewollten
hervorruft, eine schöne Ruhe der Bildwirkung, die
eben daher rührt, daß irgend eine Naturimpression
nur die Anregung zu selbständig-rhythmischem Auf-
bau bot. Als Beispiel möge die (auf der letztjährigen
Ausstellung in Essen preisgekrönte) Landschaft mit
der Brücke dienen, die ein Motiv aus Montjoie zu
einem Phantasieerlebnis umdeutet. Eberz' ausge-
sprochener Sinn für die Farbe kommt bei den Land-
schaften als stimmungbildendes Element besonders
zur Geltung.

Die Zeichnungen zielen, gleichgültig ob sie freie,
von der Form zum Gegenstand gelangende Erfin-
dungen, oder ob sie in der Natur gesehene Dinge
wiedergeben, mit stark ornamentaler Schwarz-Weiß-
Wirkung alle auf das Bildmäßige hin.

In der letzten Zeit ist Eberz zu Kompositionen fort-
geschritten, die noch losgelöster von geometrischen
Tendenzen sind. In Farbflecken, die er an Moor-
wänden und Kiesgruben des Dachauer Mooses be-
obachtet, sieht er phantastische Gestalten oder Gruppen,

Vorgänge religiösen oder weltlichen Lebens hinein.
Diesen Arbeiten, die meist als Skizzen in Aquarell
ausgeführt sind, eignet ein unmittelbarer und hoher Reiz.

Noch bleibt ein Wort über das technische Vor-
gehen zu sagen, in dem Eberz zu durchaus originalen
Lösungen gelangt ist. Der Hauptwert dieser technischen
Errungenschaften liegt darin, daß sie nicht um ihrer
selbst willen gemacht wurden, sondern um eine der
besonderen Begabung gemäße Art und Weise der
Darstellung zu erzeugen, daß sie also einem inneren
Bedürfnis ihr Dasein danken. Bei umfangreichen Ge-
mälden wie bei jenen für die Kirche von Ehingen
oder wie bei dem Passionzyklus für Kaiserslautern,
der dank den bei dem früheren Werk gemachten Er-
fahrungen eine noch höhere Leistung zu werden ver-
spricht — bei großen Gemälden verwendet der Künst-
ler matte Mussinifarben, die keinerlei Ölglanz aufweisen
und so den Tönen der Freskofarben sehr nahe kommen.
Eine ganz eigenartige Behandlung aber gibt er dem
Aquarell. Er weiß durch wechselnden Auftrag unver-
dünnter und fein abgestufter Farben eine Leuchtkraft
und eine Intensität des Farbeneindrucks zu erzielen,
die jene der Ölmalerei erreicht, und eine Immaterialität,
die sich der Ölmalerei versagt.

HANS HILDEBRANDT.

GEFÄHRDETE KUNSTWERKE
II.1)

Von der schweren Gefahr, die in dem Kriege
jetzt vielen unersetzlichen Kunstwerken droht, war
kürzlich hier die Rede. Die Tageszeitungen sind er-
füllt von Berichten über die angebliche Zerstörung
der Kathedrale von Reims, die glücklicherweise nicht
mehr als eine ernstliche, aber wieder gut zu machende
Beschädigung zu sein scheint. Eifrig wird das Für
und Wider der Schuldfrage erörtert. Langsam findet
nun die Auffassung, die hier von vornherein ver-
treten wurde, auch im Auslande hie und da endlich
Anerkennung, daß nämlich diejenigen allein die
schwere Verantwortung tragen, die das kostbare Bau-
denkmal in den Bereich der kriegerischen Operationen
einbezogen. Mit Recht erinnert die Vossische Zeitung
an die analogen Erörterungen, die im Jahre 1870
um die Beschießung von Paris geführt wurden. Da-
mals wandten sich Akademie und Universität von
Dublin in einem Schreiben an die deutschen Hoch-
schulen, um sie aufzufordern, sich an einem Protest
gegen die Konsequenzen dieser Belagerung zu be-
teiligen. Darauf erwiderte Richard Dove im Namen
der Universität Göttingen, die befürchteten Gefahren
für Kunst und Wissenschaft seien nicht Folgen der
deutschen Belagerung, sondern »der Befestigung von
Paris, für die sich der Ehrgeiz unserer ruhelosen
Nachbarn durch den gefeiertsten historischen Roman-
schreiber Frankreichs, durch Thiers, gewinnen ließ,
damit dies Land in Zukunft vor den Folgen des
etwaigen Mißglückens seiner periodisch wiederkehren-
den Angriffe auf den Frieden Europas bewahrt bleibe.
Damals, als Frankreich die Stätte, die so viele Schätze

1) Vergl. auch Nr. 1 vom 2. Oktober d. J.
 
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