Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

DOI Artikel:
Friedländer, Max J.: Kleine Studienergebnisse
DOI Artikel:
Fischel, Oskar: Die Madonna Daun
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0034

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVI. Jahrgang

1914/1915

Nr. 4. 23. Oktober 1914

Frpi(.„p ieder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6
rrcuisj j Fii, 7»!chnuneen. Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt w

Mark.

eingesandt werden,

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am rreuagc YaTzelchnuneen, Manuskripte

Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage ode r beider t'os t. ^r ind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Brief schatten unaserm B Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik undKunstrnarKij«»__

KLEINE STUDIENERGEBNISSE
Von Max J. Friedländer
In der Sammlung des Herzogs N. v. Leuchtenberg
zu St. Petersburg befindet sich (oder befand sich) ein
schon in der Kompositionsfassung merkwürdiges Frauen-
porträt, von dem wir eine Abbildung in der Publi-
kation »Les Tresors d'art en Russie« (19°4) finden —
mit der Verlegenheitsbestimmung »peintre inconnu de
l'ecole Francaise du XV s.«

Mich hat dies etwa 1490 entstandene Bildnis seit
langem beschäftigt, weil ich holländische Stilart, be-
sonders Anklang an die Kunst Geertgens darin zu
spüren glaubte.

Jetzt vermag ich mit Hilfe einer Nachzeichnung
in dem Porträt-Kodex von Arras die Dargestellte zu
bestimmen. Das unter der Nr. 355 von Giraudon
photographierte Blatt dieser Sammlung von Bildnissen
deckt sich (gegenseitig) so weit mit dem Gemälde,
daß über die Identität der Personen kein Zweifel be-
steht, wenn auch die Zeichnung vielleicht nicht direkt
von unserm Exemplar, sondern von einer Replik stammt.
Nach der alten und glaubwürdigen Beischrift in Arras
ist die Dame: Anne batarde de Bourgogne 2. femme
de Adolphe de Cleves.

Soweit ich feststellen kann, ist dieser illegitime
Sproß aus dem Burgunder Haus eine Tochter Philipps
des Guten, eine Schwester Karls des Kühnen, die den
Herzog Adolf von Kleve heiratete. Ihr Gatte starb 1494,
sie selbst 1504. Ihr Geburtsjahr vermag ich nirgends
angegeben zu finden. Da aber ihr 1396 geborener
Vater 1467 starb, wird die Tochter kaum erheblich
nach 1450 das Licht der Welt erblickt haben. Und
da sie in unserem Bilde nicht älter als etwa vierzig-
jährig aussieht, wird die Ansetzung um 1490, die
dem Kostüm entspricht, bestätigt.

Wir besitzen ein kleines Porträt ihres Gatten, das
aus dem Vorrat der königlichen Museen zu Berlin
vor einigen Jahren leihweise nach der Burg Altena
gekommen ist. Auch dieses Bild zeigt holländischen
Charakter.

Das Porträt der Leuchtenberg-Sammlung enthält
unten auf dem gemalten Rahmen ein Schriftband mit
dem Spruch: »Ecce venit deus et nascetur de pauper-
cula clamabunt / Laudate eum in atrye coelorum et
bestiae terrarum adorabunt«.

Die glücklich in den oben rund geschlossenen
Bildrahmen gestellte Figur ist nicht, wie die altnieder-
ländischen Bildnisse zumeist, unter der Brust ab-
geschnitten, sondern reicht wesentlich tiefer herab, so
daß die locker auf dem Leib übereinander gelegten
Hände sichtbar sind.

Das Bildnis wirkt individuell, leicht und frei in

der Haltung und ist in der Qualität Geertgens selbst
nicht unwürdig.

*

In der berühmten Sammlung des Barons Adolphe
de Rothschild, die als Ganzes, von einer reichen
Schenkung an den Louvre abgesehen, in den Besitz
des Barons Maurice de Rothschild in Paris übergegangen
ist, befindet sich ein merkwürdiges Doppelporträt, das
sich durch die naiv ausgedrückte Häßlichkeit des dar-
gestellten Ehepaars einprägt. Der liebenswürdigen
Vermittlung des Herrn Wildenstein in Paris verdanke
ich eine photographische Aufnahme dieses Diptychons.
Wieder war es der Zusammenhang mit holländischen
Malereien, was mich fesselte und wieder fand ich im
Arras-Kodex die Möglichkeit, den Stileindruck zu
kontrollieren. Der listig schielende Blick des alten
Herrn, sowie die undurchsichtig gelbliche Hautfarbe
erinnerte mich noch an den sog. Meister von Alk-
maar, also an jenen Holländer, von dem in Alkmaar
die Bilderfolge der sieben Werke der Barmherzigkeit
bewahrt werden (mit dem Datum 1504).

Mit Hilfe von zwei Zeichnungen im Arras-Kodex
(Nr. 462, 463) läßt sich der Nachweis führen, daß
unser Diptychon Johann den ersten Grafen von Egmond
und seine Gemahlin Magdalena von Wardemberghe
darstellt, also Glieder einer der ersten holländischen
Geschlechter, die Großeltern des berühmten Grafen
Egmond. Johann starb in hohem Alter 1516. Unser
Diptychon mag wenig früher entstanden sein. Die
schönste Bestätigung aber zu der stilkritischen Bestim-
mung finde ich in dem Umstände, daß der Stammsitz
der Egmond-Familie in der Nähe von Alkmaar liegt.

DIE MADONNA DAUN

Seit Jahren immer wieder taucht diese sogenannte
Raphael-Madonna auf, bald antichambrierend bei Auto-
ritäten, bald in Vorträgen und jetzt sogar im »Re-
pertorium«1) mit so viel Illustrationsmaterial, daß sich
wieder das salomonische Wort Friedrich Lippmanns
bewährt: »nur nicht abbilden, was Ihr beweisen wollt«.

Raphael gegen diese Zumutung in Schutz zu
nehmen, ist eigentlich unnötig, denn er hat selbst
darauf eine doppelte Antwort gegeben.

Das Kind der »Madonna del baldacchino« scheint
von seinem hohen Platz nach links zu den Heiligen
oder über sie hinweg zum Andächtigen herabzu-
blicken. In allen Bildern für private und kirchliche
Andacht pflegen bekanntlich Mutter und Kind, wenn

!) Einige der Madonna del Baldacchino Raffaels ver-
wandte Madonnen von Berthold Daun. RepertoriumXXXVlI,
N. F., II. Bd., Heft 2. 12 Seiten mit 18 Anmerkungen und
I 8 Abbildungen.
 
Annotationen