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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Gronau, Georg: Die Ausstellung venezianischer Malerei im Burlington Fine Arts Club in London
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3. LtSEH.

NQV1SU

KUNSTCHRONIK

1914/1915

Nr. 5. 30. Oktober 1914

Neue Folge. XXVI. Jahrgang

n- „ - ., 377 Woche (im luli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.

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DIE AUSSTELLUNG VENEZIANISCHER MALEREI
IM BURLINGTON FINE ARTS CLUB IN LONDON1)

Von Georg Gronau

Cl h° Hd'esem Frühjahr veranstaltete der Burlington
die Fortsetzung der Ausstellung, die vor zwei
janren an derselben Stelle stattgefunden hatte. Waren
aamals Werke der Malerei des fünfzehnten Jahrhunderts
gezeigt worden, jedoch mit Einschluß des Giorgione,
so war die diesjährige Ausstellung wesentlich der
Generation von Künstlern gewidmet, die in ihren An-
langen von dem Genius des Frühverstorbenen die
stärksten Anregungen erfahren hatten. Nur zwei Bilder,
übrigens von geringer Bedeutung, gehörten noch der
Kunst der vorhergehenden Generation an: ein »seg-
nenderGottvater« (Nr. 50 des Katalogs, Lady Wimborne),
ausgestellt als Lotto, aber wahrscheinlich, wie der
Katalog schon andeutet, von Cima und das Bildnis
einer reich gekleideten jüngeren Frau, auf dem
^artellmo als Werk des Giovanni Bellini bezeichnet,
ein geringes Bild der Werkstatt, etwa von Bissolo
(Nr. 44, Lord Somers).

der Ip^«m!telp*Unkt stand Tizian> u"d das Hauptstück
das K"Auss,ellung ^iner Qualität nach) bildete
BeuSi^^i^" Mannes, das die Mehrheit

. -----* «-"»W JU11]

enHlST^!" gCne!?t zu sein scheint, diesem Meister

We S ,wm ^ °ies jedenfa,ls sanz hervorragende
werk stellt einen vornehmen '

»vtin. stein einen vornehmen jungen Mann in rotem
und schwarzem Atlasgewand vor einer ornamental
dekorierten Nische dar, der seinen Hut gesenkt in der
Hand hält (Nr. 14, Bes. Hon. Ed. Wood, früher Hon.
Mrs. Meynell Ingram, Temple Newsam. Abgebildet bei
H. Cook, Giorgione2 S. 86). So gewiß es enge
Beziehungen zu der kleinen Gruppe von Bildern
Giorgiones — Berlin, Pest — aufweist, so scheint
die Auffassung, fester, weniger sensitiv, ein anderes
Temperament zu verraten und leitet zu Tizian hinüber.
Daß auch diese Zuschreibung, die von allen mög-
lichen die größte Wahrscheinlichkeit hat, nicht jeden
Zweifel zerstreut, soll nicht verschwiegen werden; der
Vergleich mit dem wenige Plätze davon hängenden
gesicherten Jugendwerk Tizians, dem bekannten Jüng-
lingsporträt aus Hamptoncourt (Nr. 18), ließ leichte
Verschiedenheiten der Auffassung erkennen, die aber
innerhalb einer und derselben Persönlichkeit wohl mög-
lich sind.

Nicht allzuviel später
-Ire Entstehung eines unuer
Tizians angesetzt werden, das einen Giacomo

Doria, von vorn gesehen, darstellt (Nr. 20, Lady
Wernher). Dieses Bild hat s. Z. Herbert Cook in die
Literatur eingeführt1) und hat damals die völlig richtige
Empfindung gehabt, wenn er es als ein Werk der
Jugendepoche ansprach. Es ist wesentlich meine
Schuld2), wenn es dann als Werk der Spätzeit be-
trachtet worden ist, wofür ich als Entschuldigungs-
grund nur die mir damals mangelnde Autopsie an-
führen kann. Wie der Augenschein beweist, gehört
das Bild zur Gruppe der reifsten Frühwerke und
möchte in dem bedeutenden Bildnis eines jungen
Mannes im Louvre (Nr. 1591) auch hinsichtlich der
Auffassung seinen nächsten Verwandten haben.

Von Werken der Jugendzeit waren ferner da: die
Replik der Herodias mit der Magd aus Mr. Bensons
Besitz (Nr. 8), die sich aber mit dem Original in
der Galerie Doria nicht vergleichen läßt8), und das
Hauptexemplar des Porträts der prachtvollen Frauen-
gestalt, die ihre Linke auf der Schulter eines Mohren
ruhen läßt, in welchem Bild wir nach Justis wohl-
begründeten Ausführungen das von Vasari erwähnte
Bildnis der Laura de' Dianti sehen dürfen (Nr. 31,
Richmond, Sir Frederic Cook). Leider hat dieses
Exemplar, das sich bis in die estensische Sammlung
zurückverfolgen läßt, so stark gelitten und ist wegen
der Firnisflecken, mit denen es ganz bedeckt ist, so
schwer zu beurteilen, daß man sich nur mit größter
Zurückhaltung äußern kann; jedoch läßt das einzige
wohlerhaltene Stück, das farbig reiche Kostüm des
Knaben, ahnen, daß das Bild einst von sehr hoher
Qualität gewesen sein muß.

Eine Reihe anderer Werke standen in mehr oder
minder lockerem Zusammenhang mit dem Meister.
Außer Kopien, wie einer im Format veränderten nach
dem hl. Hieronymus im Louvre (Nr. 4, Sir Archibald
Campbell), oder der koloristisch sehr reizvollen nach
dem Abendmahl im Escorial (vor der Verstümmelung
des Originals, wie auch das Bild in der Brera; Nr. 52,
Lady Wantage) gab es Variationen auf tizianische
Themata: eine »Lavinia«, das blonde Haar mit Blu-
men geschmückt, im grünen Gewand, in der Haltung
der sogen. Cornaro der Uffizien und des Mädchens
mit der Vase in Dresden (Nr. 4, H. E. Wilbraham),
ein Mädchen mit aufgelöstem blonden Haar, im Hemd,
das einen Teil der Brust frei läßt, eine Abwandlung
des Wiener Bildes des »Mädchens im Pelz« (Nr. 29,

mnR h;Ö p "w s,JiHer ~ elwa ein Jahrzehnt —

Sand Tii hU"g dneS dritten Bildnisses von der
nana lizians nnn-pcot,* ._____1__

Werk^?reASgt0n:C,Ub hat die Absicht> die Haupt-
werke der Ausstellung ln einer seiner bekannten Veröffent-
lichungen zu vereinigen. verunem

1) Burlington Magazine 1, 1903, S. 185.

2) In der englischen Ausgabe meines Tizianbuches
I (London 1904) S. 282.

3) Das läßt sich selbst aus den Abbildungen beider
Exemplare in Fischeis Bande (Klassiker der Kunst III*
S. 30) erkennen.
 
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