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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Clemen, Paul: Die Baudenkmäler im östlichen Belgien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0071

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Nekrologe

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dekorativen, nur äußerlich den spätgotischen Kern
umkleidenden Renaissance ist dann das -erste Auf-
treten des Cornelis Floris von entscheidender Be-
deutung. In seinem Antwerpener Stadthaus hat er
in den Jahren 1561 —1565 einen nun für lange Zeit
gültigen Typus einer streng gegliederten, ganz regel-
mäßigen Schöpfung gegeben. Vor allem der Mittel-
risalit mit der straffen Aufeinanderfolge der Säulen-
ordnungen, dem nur auf den Aufsatz selbst ver-
wiesenen plastischen Schmuck ist ein klassisches Bei-
spiel dieses strengen, selbstbewußten und selbst-
gerechten, auf den italienischen Theoretikern fußenden
unerbittlichen Stiles. Wie liebenswürdig fein und üppig
spielerisch stehen demgegenüber wieder die großen
architektonischen Kaminaufbauten. Jeder Besucher von
Belgien kennt wohl den großen Prachtkamin im Justiz-
palast in Brügge, wie wenige aber kennen die beiden
nicht minder schönen, aus dem alten Hotel der Abtei
von Tongerloo stammenden Kamine im Stadthaus in
Antwerpen, die Werke des Pierre Coecke von Alost.

Wie lang und zäh die Lebensdauer der Gotik ist,
das zeigen vor allem die ersten Jesuitenbauten auf
belgischem Boden. Braun hat mit Recht diese bel-
gischen Jesuiten die letzten Gotiker genannt. Die
ersten Ordenskünstler halten nicht nur im Grundriß,
sondern auch in der Außenarchitektur an dem histo-
rischen Schema fest, und die eigentlichen großen
Jesuitenbauten des 17. Jahrhunderts nehmen wohl das
von Vignola zuerst ausgebildete neue Fassadenschema
des römischen Barock auf, aber setzen dieses vor einen
dreischiffigen basilikalen oder Hallenbau, der noch
ganz der alten heimischen Tradition folgt. Neben
den eigentlichen Barockelementen herrschen auch noch
die alten Vorsatzstücke der Spätrenaissance. Es ist
ein ganz ähnlicher Vorgang, wie er sich in dem
Bau der bekannten Jesuitenkirche in Köln vollzieht.
Die größte Kirche unseres Gebietes ist die Kolleg-
kirche in Brüssel, die schon 1610 vollendet war, die
reichste die 1650 nach Plänen von P. Wilhelm Hesius
aufgeführte Kollegkirche St. Michael in Löwen, die
einzige, die einen Ansatz zur Querschifflösung auf-
weist. Die Fassade zeigt hier ein durchgängiges
Streben nach einer saftigeren Architektur, nach einer
Wirkung mit größeren Motiven. In dem Aufsatz
wird. durch eine Verschwendung von Kandelabern,
Fruchtgehängen und breiten Rahmenprofilen eine un-
ruhige und pompöse Wirkung hervorgebracht. Wenn
man diesen Stil oft den Rubensstil nennt, so kann
doch Rubens hier nur als einer der großen Anreger
in Betracht kommen, Anreger vor allem für alle
dekorativen Aufbauten, nicht so sehr durch seine
einzige Schöpfung, sein leider fast ganz zerstörtes und
nur auf der Brüsseler Ausstellung 1910 vorübergehend
wiederhergestelltes Wohnhaus mit dem merkwürdigen
triumphbogenartigen Abschluß des Hofes und seinem
Gartenhaus, als vielmehr in den in einem ver-
wilderten Barock entworfenen und im Kupferstich
weithin verbreiteten architektonischen Phantasien seines
»Introitus Ferdinandi«. Die Jesuitenkirche in Ant-
werpen, die zwischen 1615 und 1621 entstanden ist,
gab vielleicht auch im Inneren einen Begriff von der

ausschweifenden dekorativen Erfindungskraft des
Meisters. Nach dem Brand von 1718 ist sie nun in
bescheidener Form im Inneren wiederhergestellt auf
uns gekommen. Die Zunfthäuser auf der Grande
Place in Antwerpen und die Zunfthäuser, die die
Grande Place in Brüssel umgeben, sind allzu bekannt.
Die gänzlich überflüssige Beschießung der Stadt Brüssel
durch den Oberbefehlshaber der französischen Truppen
— der heutigen belgischen Alliierten —, den Mar-
schall Villeroi im Jahre 1695 hat das alte mittelalter-
liche Brüssel fast ganz zerstört. Die in den nächsten
Jahren wiederhergestellten Gildenhäuser, über die jetzt
die Stadtverwaltung dank der Initiative des unvergeß-
lichen Charles Buls eifersüchtig wacht, indem sie auf eine
wahrhaft vorbildliche Art der munizipalen Denkmal-
pflege die Fürsorge für die Erhaltung der Denkmäler
ihrerseits übernommen hat, geben die wunderlichste
und amüsanteste Musterkarte der innerhalb des Barock
liegenden Möglichkeiten. Der Wetteifer der eifer-
süchtigen Gilden und geistreiche Einfälle haben hier
Lösungen von einem Reiz geschaffen, wie sie die
belgischen Städte sonst nicht wieder aufweisen. Ebenso
sind alle diese Städte voll von Werken des späten
Barock, das sich in seiner biegsamen Art den Be-
dürfnissen der Zeit am besten angepaßt hat. Die
Beguinenkirche in Brüssel zeigt in den Bekrönungen
des Daches ganz seltsame Neigung zu geschweiften
Formen, und wie hat wieder an dem jetzigen könig-
lichen Palast in Antwerpen, der 1745 von Jan
Alexander v. Susteren aufgeführt ward, über einer
strengen Fassade eine Neigung zu einer üppigen
Attikabildung und Balustradenarchitektur ihre Triumphe
gefeiert. Man muß in das Land hineinfahren, die
Bauten der großen Barockklöster, etwa die ehemalige
Prämonstratenserabtei in Averbode südlich von Diest
oder die jetzt als Priesterseminar dienende Prämon-
stratenserabtei Floreffe auf dem Wege von Charleroi
nach Namur sich vor Augen stellen, und man wird
sich sagen, daß die Barockbauten dieses Landes wohl
neben denen Südbayerns und den großen oberöster-
reichischen Abteien genannt werden dürfen.

Das sind nur ein paar Proben aus dem archi-
tektonischen Reichtum dieses Gebietes. Ganz gleich-
gültig, wie lange die jetzige provisorische Verwaltung
andauern wird, welches später das Schicksal des Landes
sein wird, Deutschland kann auf diesem Gebiete kein
besseres Denkmal seiner Tätigkeit hinterlassen, keins,
was auch die unberechtigten Anfeindungen besser
entkräftet, als dadurch, daß es in den okkupierten Pro-
vinzen auch die ordnungsmäßige und systematische
Pflege der Kunstdenkmäler sofort als eine Ehrenauf-
gabe auffaßt. Die Vorbedingung ist nur, daß wir
uns überhaupt zunächst einmal klar machen, um
welche Monumente es sich in diesem überreichen
Lande tatsächlich handelt.

(Ein weiterer Aufsatz über den der-
zeitigen Zustand der Kunstdenkmäler folgt.)

NEKROLOGE

Am 17. Dezember verschied unerwartet der bekannte
Düsseldorfer Maler Professor Hermann Emil Pohle.
Als Sohn des gleichnamigen Landschaftsmalers am 12. De-
 
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