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Nekrologe
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wasser spielen und die größeren Mädchen strickend in den
Dünen sitzen, ist bis zuletzt das Thema seiner durch und
durch holländischen Kunst gewesen, in der von fremd-
ländischem Einfluß nichts zu spüren ist. Seine Sujets haben
äußerlich viel Ähnlichkeit mit denen von Jozef Israels, aber
sie sind jeder Romantik bar und ohne das Rührselige, die
melancholische Stimmung, die bei Israels meistens den
Grundton abgibt. Blommers' Auge oder vielmehr sein
Gefühl ist nicht auf das Leid der menschlichen Existenz ein-
gestellt, wie das von Israels; nicht das Trübe und Schmerz-
liche stellt er dar, sondern die heiteren Seiten greift er
heraus; das Befriedigtsein in der Beschränkung, das idyl-
lische Behagen an der Enge des Daseins, das Glück im
Winkel ist der Inhalt seiner Kunst. In manchen Interieur-
bildern berührt er sich in der Auffassung mit Albert Neu-
huys, dem er in der technischen Hinsicht aber weit nach-
steht. Die Farbe hat bei Blommers oft etwas Stoffliches,
und der Ton entbehrt der Feinheit, die die Werke von
Neuhuys auszeichnen. Den zarten Dunstkreis, das kaum
merkbare Fluidum, das die Dinge umhüllt und verbindet,
vermißt man in seinen Werken. — Blommers hat auch
einige reizende lebensvolle Kinderbildnisse geschaffen, von
denen das Museum Mesdag im Haag verschiedene besitzt.
Stofflich aus dem Rahmen seines Werkes fallen zwei
Gemälde, die Bremmer in seiner Zeitschrift »Moderne Kunst-
werke« in Band IV und VI reproduziert hat, ein Stilleben
mit einem blühenden Maidornstrauß und eine Gruppe
badender Knaben bei einem Graben. Werke von seiner
Hand finden sich in den meisten holländischen Museen.
— Blommers hat sich auch als Radierer versucht; in diesen
kleinen anspruchslosen Sachen behandelt er auch dieselben
Themen wie Israels, mit dem er 1869 bekannt geworden war;
aber in Auffassung und Manier zeigt er hier mit Israels
ebensowenig Verwandtschaft wie in seinen Gemälden.
M. D. Henkel.
Gotthard Kühl -\. Dresden hat durch den Tod Gott-
hard Kühls (gestorben am 10. Januar 1915 nach kurzer
schwerer Krankheit) einen schweren Verlust erlitten. Große
Verdienste hat sich Kühl vor allem durch die glänzende
Leitung aller großen Dresdner Kunstausstellungen seit 1897
erworben, durch die er das so öde schematische Aus-
stellungswesen auf eine echt künstlerische Grundlage stellte
und das Ausstellen von Kunstwerken erst zu einer Kunst
machte. Hierdurch sind die Dresdner Kunstausstellungen,
die Kühl durch immer neue dekorative Ideen reizvoll zu
beleben wußte, geradezu epochemachend geworden. Auch
als Lehrer an der Akademie hat Kühl in Dresden eine sehr
fruchtbare reformatorische Tätigkeit entfaltet. Die Dresdner
Kunst war um 1890 auf dem toten Punkt angekommen
und begegnete auf den auswärtigen Ausstellungen allge-
meiner Mißachtung. Die jüngere Generation der Dresdner
Künstlerschaft — Bantzer, Baum, Ritter, Claudius usw. —
schloß sich eben erst zur Sezession zusammen und strebte
zu neuen Idealen und zur Anerkennung empor. Vor allem
die Kunstakademie aber bedurfte der Erneuerung, und da
brachte Gotthard Kühl, der 1895 als Leiter des Meister-
ateliers für Figurenmalerei nach Dresden berufen wurde,
die Befreiung von der akademischen Vergreisung. Die Aus-
stellung seiner Schüler zu Ehren seines 60. Geburtstags
Ende November 1910 zeigte augenfällig, was Kühl als
Lehrer geleistet hat: eine lange Reihe tüchtiger Künstler
hat er herangezogen, indem er ihnen das Handwerk und
die Feinheiten der impressionistischen Malweise in ihren
geistvollen Ergebnissen sorgsam überlieferte, ohne die per-
sönliche Begabung und Neigung des einzelnen gewaltsam
zu beeinflussen. Dieses allein richtige Lehrverfahren ist
von seinen Schülern stets dankbar anerkannt worden.
Kühls eigenes künstlerisches Schaffen hat sich nach kurzem
Tasten durchaus folgerichtig entwickelt. Kühl wurde am
28. November 1850 zu Lübeck als Sohn eines Volksschul-
lehrers geboren, mit 20 Jahren ging er von der Kaufmanns-
schule zur Kunst über. In München besuchte er die Kunst-
akademie, Wilhelm Diez wurde sein Lehrer, dann kam
Kühl unter den Einfluß des Spaniers Fortuny, der damals
neben Meissonier und Menzel sich als Historien- und
Genremaler hohen Ansehens erfreute. Im Jahre 1879 trat
Kühl in der Internationalen Kunstausstellung zu München
zum ersten Male mit drei Genrebildern hervor, die diesen
Einfluß zeigten. Weiter ging Kühl auf eine Reihe von Jahren
nach Paris, und hier gewann er in der impressionistischen
Licht- und Farbenmalerei die endgültige Grundlage seines
Schaffens. Auch Holland, das er gleich Liebermann wieder-
holt besuchte, gab kräftige Anregungen, die ihn aber nur
vorübergehend beherrschten. Die Hauptsache war, daß er
seine Palette gründlich auffrischte und Luft und Licht mit
ihrem Einfluß auf die Farben als bestimmend für seine
Malweise annahm. Auf dieser Grundlage hat Kühl seine
Kunst zu immer größerer Breite und Freiheit weiter ent-
wickelt. Die Tiefe eines Fritz von Uhde ging ihm ab,
ebenso die eindringliche Kraft Liebermanns, uns Natur-
eindrücke zu übermitteln — aber er hatte ein Malerauge
feinster Art und baute seine Bilder mit unfehlbarem Ge-
schmack für Eleganz und dekorative Wirkung auf. Seelische
Vertiefung und innerlicher Ausdruck lagen ihm nicht —
auch Waisenmädchen, Chaisenträger, alte Männer im
Hospital waren ihm Träger von farbigen Werten, die er
mit virtuosem Geschick in seinen Bildern verwertete. Die
Motive zu seinen Bildern wählte Kühl mit nicht minderem
Spürsinn überall, wo sich kräftige malerische Wirkungen
in seinem Sinne fanden. Die Dielen und Höfe in Lübeck,
die barocken Kirchen in München, in Überlingen am
Bodensee, allerlei schöne Innenräume in alten und mo-
dernen Häusern oder in seinem Atelier zusammengestellt,
alles das belebt von seinen Bewohnern oder auch nur als
Raumbilder bürgerlicher Wohlhäbigkeit, in Eleganz oder
mindestens in farbigem Glänze — Armeleutmalerei lag
ihm gänzlich fern. Einen besonderen Namen hat sich
Kühl noch als Maler Dresdens und seiner alten Architektur
gemacht. Die barocke Pracht der sächsischen Haupt-
stadt schilderte er unablässig in immer neuen Bildern.
Dutzende von Malen gab er die Augustusbrücke und
dann auch die neue Friedrich-August-Brücke in allen
Jahreszeiten und Stimmungen von seinem Atelier und
der Kgl. Kunstakademie aus, und alle die alten Bauten,
Straßen und Plätze Dresdens, wie sie das 18. Jahrhundert
gestaltet hat, hielt er in immer neuen Bildern in seiner
geistreichen flotten Mal weise bald in Ölfarbe, bald in
malerischer Farbstifttechnik fest. Das Dresdner Stadt-
museum besitzt an 25 dieser Bilder, eine Sammlung, die
sich der Canaletto-Sammlung der Kgl. Gemäldegalerie
würdig zur Seite stellt, so himmelweit sich auch die flotte
ganz persönliche Farbenkunst Kühls von der sorgsamen
gleichmäßigen Camera - obscura - Kunst Canalettos sonst
unterscheidet. Elf große prächtige Bilder von Dresdner
Plätzen, Ortschaften und Bauwerken, die in ovalen Rahmen
in die vertäfelte Wand eingelassen sind, zieren den Saal
der Stadtverordneten im neuen Rathaus zu Dresden. Alle
bedeutenden Gemäldesammlungen Deutschlands besitzen
Bilder von Kühl, auch in der Luxembourg-Galerie zu Paris ist
er neben Fritz von Uhde und anderen Deutschen vertreten.
Kühl ist das Glück beschieden gewesen, bis zuletzt die
volle Kraft seines Könnens zu besitzen; unter seinen
Werken, die nach vielen Hunderten zählen, finden sich
allerdings gar manche von geringerem Werte, was sich
eben aus der Leichtigkeit und Massenhaftigkeil seines Schaf-
fens erklärt; seine sorgfältig ausgeführten Werke aber
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wasser spielen und die größeren Mädchen strickend in den
Dünen sitzen, ist bis zuletzt das Thema seiner durch und
durch holländischen Kunst gewesen, in der von fremd-
ländischem Einfluß nichts zu spüren ist. Seine Sujets haben
äußerlich viel Ähnlichkeit mit denen von Jozef Israels, aber
sie sind jeder Romantik bar und ohne das Rührselige, die
melancholische Stimmung, die bei Israels meistens den
Grundton abgibt. Blommers' Auge oder vielmehr sein
Gefühl ist nicht auf das Leid der menschlichen Existenz ein-
gestellt, wie das von Israels; nicht das Trübe und Schmerz-
liche stellt er dar, sondern die heiteren Seiten greift er
heraus; das Befriedigtsein in der Beschränkung, das idyl-
lische Behagen an der Enge des Daseins, das Glück im
Winkel ist der Inhalt seiner Kunst. In manchen Interieur-
bildern berührt er sich in der Auffassung mit Albert Neu-
huys, dem er in der technischen Hinsicht aber weit nach-
steht. Die Farbe hat bei Blommers oft etwas Stoffliches,
und der Ton entbehrt der Feinheit, die die Werke von
Neuhuys auszeichnen. Den zarten Dunstkreis, das kaum
merkbare Fluidum, das die Dinge umhüllt und verbindet,
vermißt man in seinen Werken. — Blommers hat auch
einige reizende lebensvolle Kinderbildnisse geschaffen, von
denen das Museum Mesdag im Haag verschiedene besitzt.
Stofflich aus dem Rahmen seines Werkes fallen zwei
Gemälde, die Bremmer in seiner Zeitschrift »Moderne Kunst-
werke« in Band IV und VI reproduziert hat, ein Stilleben
mit einem blühenden Maidornstrauß und eine Gruppe
badender Knaben bei einem Graben. Werke von seiner
Hand finden sich in den meisten holländischen Museen.
— Blommers hat sich auch als Radierer versucht; in diesen
kleinen anspruchslosen Sachen behandelt er auch dieselben
Themen wie Israels, mit dem er 1869 bekannt geworden war;
aber in Auffassung und Manier zeigt er hier mit Israels
ebensowenig Verwandtschaft wie in seinen Gemälden.
M. D. Henkel.
Gotthard Kühl -\. Dresden hat durch den Tod Gott-
hard Kühls (gestorben am 10. Januar 1915 nach kurzer
schwerer Krankheit) einen schweren Verlust erlitten. Große
Verdienste hat sich Kühl vor allem durch die glänzende
Leitung aller großen Dresdner Kunstausstellungen seit 1897
erworben, durch die er das so öde schematische Aus-
stellungswesen auf eine echt künstlerische Grundlage stellte
und das Ausstellen von Kunstwerken erst zu einer Kunst
machte. Hierdurch sind die Dresdner Kunstausstellungen,
die Kühl durch immer neue dekorative Ideen reizvoll zu
beleben wußte, geradezu epochemachend geworden. Auch
als Lehrer an der Akademie hat Kühl in Dresden eine sehr
fruchtbare reformatorische Tätigkeit entfaltet. Die Dresdner
Kunst war um 1890 auf dem toten Punkt angekommen
und begegnete auf den auswärtigen Ausstellungen allge-
meiner Mißachtung. Die jüngere Generation der Dresdner
Künstlerschaft — Bantzer, Baum, Ritter, Claudius usw. —
schloß sich eben erst zur Sezession zusammen und strebte
zu neuen Idealen und zur Anerkennung empor. Vor allem
die Kunstakademie aber bedurfte der Erneuerung, und da
brachte Gotthard Kühl, der 1895 als Leiter des Meister-
ateliers für Figurenmalerei nach Dresden berufen wurde,
die Befreiung von der akademischen Vergreisung. Die Aus-
stellung seiner Schüler zu Ehren seines 60. Geburtstags
Ende November 1910 zeigte augenfällig, was Kühl als
Lehrer geleistet hat: eine lange Reihe tüchtiger Künstler
hat er herangezogen, indem er ihnen das Handwerk und
die Feinheiten der impressionistischen Malweise in ihren
geistvollen Ergebnissen sorgsam überlieferte, ohne die per-
sönliche Begabung und Neigung des einzelnen gewaltsam
zu beeinflussen. Dieses allein richtige Lehrverfahren ist
von seinen Schülern stets dankbar anerkannt worden.
Kühls eigenes künstlerisches Schaffen hat sich nach kurzem
Tasten durchaus folgerichtig entwickelt. Kühl wurde am
28. November 1850 zu Lübeck als Sohn eines Volksschul-
lehrers geboren, mit 20 Jahren ging er von der Kaufmanns-
schule zur Kunst über. In München besuchte er die Kunst-
akademie, Wilhelm Diez wurde sein Lehrer, dann kam
Kühl unter den Einfluß des Spaniers Fortuny, der damals
neben Meissonier und Menzel sich als Historien- und
Genremaler hohen Ansehens erfreute. Im Jahre 1879 trat
Kühl in der Internationalen Kunstausstellung zu München
zum ersten Male mit drei Genrebildern hervor, die diesen
Einfluß zeigten. Weiter ging Kühl auf eine Reihe von Jahren
nach Paris, und hier gewann er in der impressionistischen
Licht- und Farbenmalerei die endgültige Grundlage seines
Schaffens. Auch Holland, das er gleich Liebermann wieder-
holt besuchte, gab kräftige Anregungen, die ihn aber nur
vorübergehend beherrschten. Die Hauptsache war, daß er
seine Palette gründlich auffrischte und Luft und Licht mit
ihrem Einfluß auf die Farben als bestimmend für seine
Malweise annahm. Auf dieser Grundlage hat Kühl seine
Kunst zu immer größerer Breite und Freiheit weiter ent-
wickelt. Die Tiefe eines Fritz von Uhde ging ihm ab,
ebenso die eindringliche Kraft Liebermanns, uns Natur-
eindrücke zu übermitteln — aber er hatte ein Malerauge
feinster Art und baute seine Bilder mit unfehlbarem Ge-
schmack für Eleganz und dekorative Wirkung auf. Seelische
Vertiefung und innerlicher Ausdruck lagen ihm nicht —
auch Waisenmädchen, Chaisenträger, alte Männer im
Hospital waren ihm Träger von farbigen Werten, die er
mit virtuosem Geschick in seinen Bildern verwertete. Die
Motive zu seinen Bildern wählte Kühl mit nicht minderem
Spürsinn überall, wo sich kräftige malerische Wirkungen
in seinem Sinne fanden. Die Dielen und Höfe in Lübeck,
die barocken Kirchen in München, in Überlingen am
Bodensee, allerlei schöne Innenräume in alten und mo-
dernen Häusern oder in seinem Atelier zusammengestellt,
alles das belebt von seinen Bewohnern oder auch nur als
Raumbilder bürgerlicher Wohlhäbigkeit, in Eleganz oder
mindestens in farbigem Glänze — Armeleutmalerei lag
ihm gänzlich fern. Einen besonderen Namen hat sich
Kühl noch als Maler Dresdens und seiner alten Architektur
gemacht. Die barocke Pracht der sächsischen Haupt-
stadt schilderte er unablässig in immer neuen Bildern.
Dutzende von Malen gab er die Augustusbrücke und
dann auch die neue Friedrich-August-Brücke in allen
Jahreszeiten und Stimmungen von seinem Atelier und
der Kgl. Kunstakademie aus, und alle die alten Bauten,
Straßen und Plätze Dresdens, wie sie das 18. Jahrhundert
gestaltet hat, hielt er in immer neuen Bildern in seiner
geistreichen flotten Mal weise bald in Ölfarbe, bald in
malerischer Farbstifttechnik fest. Das Dresdner Stadt-
museum besitzt an 25 dieser Bilder, eine Sammlung, die
sich der Canaletto-Sammlung der Kgl. Gemäldegalerie
würdig zur Seite stellt, so himmelweit sich auch die flotte
ganz persönliche Farbenkunst Kühls von der sorgsamen
gleichmäßigen Camera - obscura - Kunst Canalettos sonst
unterscheidet. Elf große prächtige Bilder von Dresdner
Plätzen, Ortschaften und Bauwerken, die in ovalen Rahmen
in die vertäfelte Wand eingelassen sind, zieren den Saal
der Stadtverordneten im neuen Rathaus zu Dresden. Alle
bedeutenden Gemäldesammlungen Deutschlands besitzen
Bilder von Kühl, auch in der Luxembourg-Galerie zu Paris ist
er neben Fritz von Uhde und anderen Deutschen vertreten.
Kühl ist das Glück beschieden gewesen, bis zuletzt die
volle Kraft seines Könnens zu besitzen; unter seinen
Werken, die nach vielen Hunderten zählen, finden sich
allerdings gar manche von geringerem Werte, was sich
eben aus der Leichtigkeit und Massenhaftigkeil seines Schaf-
fens erklärt; seine sorgfältig ausgeführten Werke aber