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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Clemen, Paul: Die französischen Kunstdenkmäler innerhalb unseres Operationsgebietes
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0118

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVI. Jahrgang 1914/1915 Nr. 17. 22. Januar 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
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DIE FRANZÖSISCHEN KUNSTDENKMÄLER
INNERHALB UNSERES OPERATIONSGEBIETES

Geh. Reg.-Rat Professor Dr. Clemen (Bonn),
der Vorsitzende des Denkmalrates der Rhein-
provinz, dessen amtlichen Bericht über den Zu-
stand der belgischen Kunstdenkmäler wir in Nr. 10
im Anschluß an einen zuerst im »Zentralblatt der
Bau Verwaltung« Nr. 91 und 92 veröffentlichten Auf-
satz über die Baudenkmäler des östlichen Belgiens
abgedruckt hatten, hat im November und Dezember
im Auftrag der obersten Heeresleitung unsere
Westfront bereist, um den Zustand der Kunst-
denkmäler im Etappen- und Operationsgebiet fest-
zustellen. Diesen vorläufigen amtlichen Bericht,
der durch die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung«
mitgeteilt worden ist, bringen wir hier vollständig
zum Abdruck.

Die Schäden an den historischen Baudenkmälern
im nördlichen und östlichen Frankreich sind inner-
halb unseres Etappengebietes bis in die hintere Zone
des Operationsgebietes relativ gering. Man darf vor
allem hervorheben, daß ganz unberührt geblieben sind,
von Nordosten angefangen, Cambrai, Douai, Valen-
ciennes, St. Quentin, die ihre reichen Kirchen, die
Rathäuser wie die Museen unversehrt bewahren. Lille,
in dem, obwohl es als offene Stadt bezeichnet war,
unsere Truppen unerwartet und heimtückisch Feuer
erhielten, ist nur anderthalb Tage lang von Südosten
her beschossen worden; zumal in der Gegend des
Hauptbahnhofes sind ganze Straßenviertel und ein-
zelne Häuserfronten durch das Bombardement zer-
stört, doch haben die historischen Denkmäler darunter
kaum gelitten. An der Kirche St. Maurice ist an
einem der vier Giebel der Westfront die Spitze weg-
geschossen. Der Barockbau der Grande Garde an
der Grande Place ist ebenso an der Spitze der Fassade
durch eine Granate beschädigt, aber bei beiden Bau-
werken ist dieser Schaden lokal beschränkt. Das
Museum, dessen mächtiger, in den achtziger Jahren
durch die Architekten Berard und Delmas errichteter
Prachtbau die eine Seite der Place de la Republique
im Zentrum der Stadt einnimmt, ist von verschie-
denen Granaten, vor allem aber reichlich von Schrap-
nells getroffen worden. Die Granaten haben in der
Hauptsache nur an der Außenarchitektur der Südseite
Schaden getan. Eine ist in den südöstlichen Ecksaal
im oberen Stock eingedrungen; die Schrapnells aber
haben die sämtlichen Fenster der Oberlichter zer-
schlagen, dazu sind auch die Scheiben im Hof durch-
weg durch den Luftdruck gesprungen. Eine Reihe
der großen, von ihren Plätzen nicht zu entfernenden
Gemälde ist durch Schrapnells oder durch herab-
stürzende Glassplitter und Bruchstücke des Daches

beschädigt, zum Glück aber keines von den wert-
vollen Objekten. Die kostbarsten Bilder hat der
Museumsdirektor, Em. Theodore, der während der
ganzen Beschießung in dem Museum anwesend war,
während des Kugelregens selbst mit persönlicher Auf-
opferung gerettet. Auch die berühmte Wachsbüste
von Lille ist, wie ich festgestellt habe, in einem be-
sonderen Gelaß des Kellers sicher und vor jeder Be-
schädigung wie vor Feuchtigkeit oder Kälte geschützt
untergebracht.

Von den historischen Städten nördlich von der
Aisnefront sind zum Glück Laon und auch Noyon
gänzlich unberührt. Die beunruhigenden Nachrichten,
daß Noyon, um das wiederholt gekämpft worden ist,
beschädigt sei, haben sich nicht bestätigt. Die Kathe-
drale wie das Hotel de ville sind unverletzt. Bei
den notwendig gewordenen Zerstörungen einzelner
Orte zwischen der Nordostgrenze Frankreichs und
der Aisnelinie ist ganz deutlich zu verfolgen, wie die
Heeresleitung überall sorgsam um die Erhaltung der
historischen Bauten bemüht gewesen ist. Bei der
Beschießung und der daran angeschlossenen Ein-
äscherung eines Teiles von Rethel ist die hochgelegene
Kirche St. Nicolas, an deren Süd- und Ostseite sich
nur ein einziges langgestrecktes Trümmerfeld hinzieht,
mit ihrem reizvollen spätgotischen Südportal völlig
unversehrt erhalten. An der Schlachtfront nördlich
und östlich von Verdun und um den Argonnerwald,
sowie vor der Woevre in der vorderen Linie des
Operationsgebietes sind natürlich eine ganze Reihe
von Ortschaften bei dem Hin- und Herwogen des
Kampfes mehr oder weniger zerstört, doch konnten
dafür auf dem Wege, den unsere Truppen nach dem
Südwesten genommen haben, gerade die wichtigsten
Monumente sämtlich sorgsam geschont werden. Völlig
intakt sind die Kirchen zu Mezieres und Mouzon,
ganz unversehrt ist in ihrer Ausstattung die spät-
gotische Wallfahrtskirche zu Avioth nördlich von
Montmedy und ebenso die frühgotische Wallfahrts-
kirche zu Mont südlich von Stenay mit ihrem so
überraschend reichen Figurenportal. Ganz unberührt
ist ebenso mit ihren Schätzen, den Stiftungen der
französischen Könige, eine dritte berühmte Wall-
fahrtskirche, Notre-Dame de Liesse östlich von Laon.

Unsere Hauptsorge gilt jetzt den Denkmälern von
Reims und Soissons, die beide von unseren Truppen
eng eingeschlossen, beide von den Franzosen aus
Stellungen hinter der Stadt und in der Stadt selbst
auf das hartnäckigste verteidigt werden. In Reims
hat die Aufstellung von schweren Batterien unmittel-
bar vor der Kathedrale, die von Fliegern festgestellte
Ansammlung von Truppenmassen und von Munitions-
kolonnen auf der Place du Parvis vor der Westfront
 
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