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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Graul, Richard: Hugo Vogel: zum sechzigsten Geburtstag
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Hagen, Oscar: Dürer und Bramantino: ein Beitrag zum Problem der ersten italienischen Reise
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0143

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207

Dürer und

Bramantino

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den Einsatz welcher Energie es in jahrelanger Arbeit
Vogel gelungen ist, mit seinen Rathausbildern ein
Werk zu hinterlassen, dessen dekorativer Wert unbe-
streitbar ist, und das in seiner koloristischen Harmonie
einen bedeutenden Eindruck hinterläßt. Dieser Vor-
zug wurde erreicht durch die beherrschende Rolle
der Landschaft, die die Bilder harmonisch zusammen-
klingen läßt, und es soll nicht untersucht werden,
in wieweit dieser Kunstgriff die Bedeutung des Figür-
lichen hervorzuheben und der dem Zyklus zugrunde
liegenden Idee einer Charakterisierung verschiedener
Kulturstadien zu dienen geeignet war. Was auch gegen
die Bilder gesagt worden ist, sie bedeuten um des
Kompromisses mit der Landschaft willen einen Merk-
stein in der Folge moderner deutscher Wandmalereien.

Nach diesem großen Hamburger Werke ist Hugo
Vogel noch mit umfassenden dekorativen Malereien,
zuletzt für einen Hörsaal der Charite in Berlin, auf-
getreten.

In jüngster Zeit hat der Künstler außer gelegent-
lichen Landschaften und Figurenbildern mit Glück
die lange Reihe seiner Bildnisse aus der Berliner Ge-
sellschaft, leitender Persönlichkeiten der Handelswelt,
der Justiz, des Heeres und der Marine vermehrt, und
so dürfen wir hoffen, daß er auch den einen oder
anderen der Heerführer, auf die jetzt unser aller Blicke
gerichtet sind, in sein Bildniswerk aufnehmen wird.

RICHARD GRAUL.

DÜRER UND BRAMANTINO

Ein Beitrag zum Problem der ersten italienischen Reise
Von Dr. Oscar Hagen

Nichts Aufregenderes und doch auch nichts Beklem-
menderes gibt es für den Historiker, als wenn einzelne,
zufällig und verstreut aufgefundene äußere Anzeichen
ihn auf irgend eine wichtige geschichtliche Kom-
bination hinzuweisen scheinen, und ihm doch trotz
allem noch der greifbar feste Anhaltspunkt fehlt, an
dem er sich aufschwingen kann, um von hier aus die
bisher nur geahnte Gewißheit sich mit einem Schlage
zur festen geschichtlichen Wahrheit verdichten zu
sehen.

In solcher Lage befinden wir uns einem Problem
wie Dürers erster italienischen Reise gegenüber. Wir
wissen aus seinen eigenen Aufzeichnungen, daß er
1495 einmal über die Alpen gegangen ist. Wo er
sich aber damals aufhielt, darüber erfahren wir nur
Ungefähres aus den Resultaten der Stilkritik. Mantegna,
Pollaiuolo, Lorenzo di Credi tauchen in Kopien und
Reminiszenzen bei ihm auf, aber es handelt sich doch
dabei um Wiederholungen von Kupferstichen, die ihm
immerhin auch in Deutschland vor die Augen ge-
kommen sein können.

Sehr viel deutlicher sprechen die Zeichnungen.
Landschaftsaufnahmen, die an der Brennerstraße ge-
macht wurden, und die auf keine andere Vorlage als
die Natur selbst zurückgehen, sind mit einer für Dürers
spätgotisches Auge so verblüffenden Objektivität fest-
gehalten, daß es an der Hand dieser Dokumente nicht
schwer fallen konnte, die Reiseroute des Vierundzwanzig-

jährigen festzustellen. Und ich glaube, es könnte aus
den frühen Stichen und Zeichnungen für den Geo-
logen noch eine dankbare Aufgabe sein, die dort ebenso
objektiv festgehaltenen Terrainformationen auf den Ort
ihres Ursprungs zurückzuführen und damit der Nach-
barwissenschaft der Kunstgeschichte einen nicht zu
unterschätzenden Dienst zu leisten.

Aber wir haben noch festere Anhaltspunkte. Im
frühen Kupferstich des »Heiligen Sebastian an der Säule«
(B. 56) taucht bekanntlich eine Anlehnung an ein Ge-
mälde des Cima da Conegliano auf, das Dürer damals
wohl nur in Venedig gesehen haben kann, wohin
uns ja auch die Stelle aus einem Brief an Pirkheimer
weist, aus der heraus erst der ganze Anstoß zu der
Frage nach der ersten Italienreise erwachsen ist.
Zu alledem kommt dann noch die Vermutung, daß
er die Lombardei und ihre Hauptstadt Mailand besucht
habe, aber das blieb doch bisher nur Vermutung.
»Mailändisch frisierte« Köpfe treten uns aus Zeich-
nungen und Malereien entgegen. Und wie gern gingen
wir doch dieser Vermutung auf den Grund, wie gern
wüßten wir Genaues, ob er damals dort war, und ob
er Gelegenheit hatte Lionardo, sein anderes Ich, da-
mals zu sehen und mit ihm in irgendwelche, wenn
auch nur räumliche Nähe zu kommen!

Daß das Wissen um solche persönliche Fühlung
der zwei spekulativsten Köpfe des Cinquecento für
uns von der einschneidendsten Bedeutung wäre, braucht
wohl nicht betont zu werden. Dürer ist in seinen
Proportionsstudien und seiner ganzen spekulativen
Ästhetik ja so durchtränkt mit italienischer und speziell
lionardischer Anschauung, daß ein endgültiges Auf-
finden des verbindenden Punktes zwischen beiden zu
den wünschenswertesten Ergebnissen der kunstge-
schichtlichen Forschung gezählt werden müßte. Jeden-
falls reicht die unglückliche Zufallserscheinung des Ja-
copo dei Barbari nicht aus zur Erklärung von Dürers
ästhetischen Bestrebungen.

Ich hoffe nun mit folgender Beobachtung, wenn
auch leider das Lionardo-Problem nicht im entfernte-
sten zu lösen, so doch die Angelegenheit dadurch ein
gut Stück zu fördern, daß ich einmal die Tatsache
eines Mailänder Aufenthaltes im Jahre 1495 zu be-
gründen suchen will.

Es ist der bekannte »Dresdener Altar« Dürers, der
uns auf die Spur führen soll. Ein Werk, das eine
Zeitlang zu den lebhaftesten Debatten der Anlaß
wurde, als Wölfflin nämlich glaubte, es aus dem
Werk Dürers streichen zu müssen1) und die »ärger-
liche Bewegung« im Lager der Forscher dazu führte,
die Lösung all der Ungereimtheiten jenes Werkes
damit herbeizuleiten, daß man nach gründlicher Unter-
suchung ein durch barbarische (besser als »nazare-
nische«) Übermalung völlig entstelltes Originalwerk
Dürers feststellte2). Immerhin bleibt danach noch so-
viel davon, daß das Hauptthema, die für Dürer höchst
singuläre, verkürzte anbetende Maria noch seine

1) Jahrbuch der preuß. Kunstsammlungen XXV (1904),
S. 196 ff.

2) L. Justi: Dürers Dresdener Altar, Leipzig 1904. Vgl.
Wölfflin im Dresdener Jahrbuch 1905, S. 20 ff.
 
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