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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Wallsee, H. E.: Justus Brinckmann
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVI. Jahrgang 1914/1915 Nr. 21. 19. Februar 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

JUSTUS BR1NCKMANN f

Vor ein paar Jahrzehnten konzertierten in einem
Hamburger Ausstellungspark italienische Bersaglieri.
Nachdem sie ihr Abendprogramm zu Ende gespielt,
verließen sie den Musikpavillon, um im Laufschritt,
immer spielend und immer laufend, das ganze Aus-
stellungsgebäude zu umkreisen. Die schwerblütigen
Hamburger sahen sich die behende dahineilenden
Söhne der Bella Italia mit ihren im Winde flattern-
den Federbüschen schmunzelnd an, aber es fiel kei-
nem ein, mitzulaufen. Bis eines Tages ein schlanker
Mann mit prachtvollem Jupiterkopf und wehendem
Havelock, mit zwei Damen am Arme lachend sich
anschloß. Damit war der Bann gebrochen, und bis
zu ihrer Abreise wiederholte sich täglich das Schau-
spiel der hinter den im Laufen musizierenden Ber-
saglieri lustig und vergnügt einherlaufenden Aus-
stellungsbesucher. Dieser erste Dauerläufer im wehen-
den Havelock war Justus Brinckmann.

Es mag manchem Leser sonderbar erscheinen, an
der Spitze dieser Zeilen, die dem am 8. Februar in
stiller Nachtstunde sanft entschlafenen Manne als Nach-
ruf dienen sollen, das mitgeteilte kleine Erlebnis ge-
stellt zu sehen. Und doch gehört es dahin, weil es
die ganz besondere Begabung Brinckmanns im raschen
Erkennen alles dessen, was auf die Erhöhung der
Lebensfreudigkeit einzuwirken vermag, überaus be-
zeichnend illustriert. Denn letzten Endes beruht ja
auch das Geheimnis des großen und außerordentlichen
Erfolges, den er als Lehrer und als Museumsleiter
erworben, auf genau derselben froh aufschäumenden
Menschlichkeit, die ihn nach allem, das Lebensgefühl
Erhöhenden hat hindrängen lassen.

Ein freundliches Geschick, mehr aber noch die
ihm eigene, wohlwollende, menschenfreundliche Art,
die ihn bei einiger vorhandener Interessengemeinschaft
auch seine ganze warme Innennatur frei hat erschließen
lassen, hat mich in den achtziger Jahren, bald nach
meinem Eintritt in den Redaktionsverband der »Ham-
burger Nachrichten« dem trefflichen Manne nahe-
kommen lassen. Aus dem nur gelegentlichen Verkehr
erwuchs der Wunsch nach einem häufigeren Bei-
sammensein, zu dessen Verwirklichung das Insleben-
treten einer, auf Vorschlag des damaligen ersten Assi-
stenten des Hamburger und jetzigem Direktor des
Krefelder Museums, Dr. Deneken, gebildeten Stamm-
tischrunde die Gelegenheit ergab. Obwohl die Kennt-
nis von der Existenz dieser an Sonnabenden zu-
sammentretenden Runde über den Teilnehmerkreis
nicht hinausgedrungen ist, hat sie innerhalb der zehn
Jahre ihres Bestehens — erst die Übersiedelung Brinck-
manns nach dem nahen Bergedorf hat diesen Zu- I

sammenkünften ein Ende gemacht — für das künst-
lerische Gesamtleben Hamburgs doch eine gewisse
befruchtende Bedeutung gehabt. Kamen doch, durch
Brinckmann und auch durch andere Teilnehmer ein-
geführt, häufig Künstler und Gelehrte von Rang mit
als Gäste zu Besuch — gelegentlich einer Tagung der
von Brinckmann ins Leben gerufenen Vereinigung
von Museumsleitern zur Bekämpfung der Fälschungen
von Kunstwerken saßen in dem kleinen rauch-
geschwängerten Gastlokale, in dem der Stammtisch
stand, sogar einige dreißig Fachgenossen Brinckmanns
in drangvoll fürchterlicher Enge beisammen —; dann
war für geistige Befruchtung auch noch dadurch ge-
sorgt, daß Brinckmann sich hier alles frei vom Herzen
zu sprechen liebte, was ihn gerade innerlich bewegte.
Und da diese Bewegung stets von irgend einem künstle-
rischen Geschehen ausging, wuchsen diese Sitzungs-
abende sich nicht selten zu förmlichen Vortragsabenden
aus, die noch dadurch an Interesse gewannen, daß
einzelne Tischgenossen — die durch Brinckmann zum
Sammeln von japanischen Altsachen angeregt worden
waren — ihre neuen Erwerbungen mitbrachten und
vorwiesen. Neidlos konnte dann Brinckmann sich des
Erworbenen freuen, sofern es zum Erfreuen war, während
jede noch so geschickt drapierte Fälschung von ihm
sofort erkannt und — nicht immer zur Freude des
»glücklichen« Besitzers — in die ihr zukömmlichen
Schranken verwiesen wurde. Gerade bei solchen An-
lässen konnte man so recht des enormen Schatzes an
Wissen und Können inne werden, über den Brinck-
mann als Ergebnis weitzieliger Reisen und gründlich
betriebener Studien in verschiedenen wissenschaftlichen
Disziplinen verfügte. So selbstverständlich erachtete
es Brinckmann, daß jeder von dem Mitteilenswerten,
was er selbst besaß, an die anderen abzugeben habe,
daß er, wo immer er stand und sprach, zum Erzieher
wurde und zum Erwecken

Gleich seinem, ihm im vorigen Jahre im Tode
vorangegangenen Hamburger Amtskollegen Lichtwark,
hat auch Brinckmann nicht von vorneherein auf den
Museumsdirektor als Lebensziel losgesteuert. Sehr im
Gegenteil hat sich erst nach mancherlei auseinander-
strebenden Experimentalversuchen bei ihm die be-
stimmte Erkenntnis seiner eigentlichen Lebensaufgabe
eingestellt. Am 23. Mai 1843 als Sohn eines Rechts-
anwaltes in Hamburg geboren, hat Brinckmann die
ersten Hinleitungen zur Kunst durch seine im Malen
und Zeichnen sehr geübte Mutter in schon frühen
Jahren erfahren, ohne daß sich daraus zunächst eine
direkte Einwirkung auf seinen weiteren Lehrgang er-
geben hätte. Weit mehr nach dieser Seite hin frucht-
bar wurde für ihn eine Reise, die er, selbst noch ein
den Kinderschuhen kaum Entwachsener, als Hofmeister
 
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