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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Baldass, Ludwig: Friedrich Dörnhöffer und die k. k. Staatsgalerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0167

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Friedrich Dörnhöffer und die k. k. Staatsgalerie in Wien

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in die Hand. Der schnelle und bis heute hoffnungs-
lose Rückschritt im künstlerischen Niveau der Wiener
Ausstellungen brachte die Notwendigkeit mit sich, die
anzukaufenden Werke unmittelbar vom Künstler oder
aus dem Handel zu erwerben und vor allem machte sich
der Wunsch nach einheitlicher Leitung durch einen
kunsthistorisch gebildeten Fachmann geltend. So wurde
denn im Jahre 1909 der damalige Leiter der Kupfer-
stichsammlung in der k. k. Hofbibliothek Dr. Friedrich
Dörnhöffer an die Spitze der modernen Galerie be-
rufen, die 1912 in k. k. Staatsgalerie umgetauft wurde.
Es ist ein großes und bleibendes Verdienst des k. k.
Unterrichtsministeriums, daß es dem neuen Direktor
nicht nur in reichem Maße Gelder zur Verfügung
stellte, sondern ihn auch frei und ohne Einschränkung
durch irgend eine Kommission walten ließ. Wenn
er jetzt die Sammlung verließ, so konnte er freilich
in der kurzen Spanne Zeit kein abgerundetes Ganzes
schaffen, das sich der Hamburger Kunsthalle oder
der Berliner Nationalgalerie zur Seite stellen ließe, aber
er hat aus dem vagen molluskenhaften Gebilde, das er
vorfand, eine lebenskräftige Schöpfung gestaltet und
die Richtlinien für das Weiterbestehen der Staatsgalerie
auf lange Zeit deutlich vorgezeichnet.

Wenn von Dörnhöffers Erwerbungen die Rede
sein soll, so müssen wir in erster Linie der öster-
reichischen und insbesondere der Wiener Schule ge-
denken, deren würdiger und reichlicher Vertretung
in der Galerie er mit Recht seine hauptsächlichste Auf-
merksamkeit zuwandte. Da ist ist vor allem Wald-
müller zu nennen, der feine, intime Künstler und
Vorahner einer großen Färb- und Lichtkunst. Ihm
galt Dörnhöffers besondere Liebe, und wir dürfen
hoffen, daß seine Übersiedlung nach München den
Plan, ein zusammenfassendes Werk über diesen Mei-
ster zu schreiben, im schlimmsten Falle aufschiebt, nicht
aufhebt. Was vor 1909 von diesem Meister erworben
wurde — und es war der Zahl nach nicht wenig —
das waren große überladene Stilleben, das waren reine
Vedutenlandschaften, Ansichten von schönen Punkten
Österreichs, das waren jene Genreszenen, die bei
minutiöser, an Dou oder Frans Mieris gemahnender
Feinheit der Technik an süßlicher Sentimentalität
und verlogener Übertriebenheit des Ausdrucks die
Kompositionen eines Adriaen van der Werff oder
Greuze weit hinter sich lassen. Die Auswahl war
rein nach dem Geschmack eines Bourgeois-Publikums
getroffen, das vor allem diese Seite von Waldmüllers
Werk wegen der Gefälligkeit der Sujets schätzte.
Eine Ausnahme bildeten nur die paar kleinen, male-
risch und psychologisch so überaus fein gesehenen
Bildnisse, die schon auf Tschudis Jahrhundertaus-
stellung glänzten. Erst jetzt aber, nach den Neu-
erwerbungen Dörnhöffers, kann sich der Besucher der
Staatsgalerie ein klares Bild von der Entwicklung und
der künstlerischen Potenz Waldmüllers machen. Nur
aus den zwanziger Jahren (der ersten Epoche des
Künstlers) fehlt leider ein wirklich charakteristisches
Werk, wie es die Hamburger Kunsthalle in dem
Jungen mit der Laterne besitzt. An Flächenausdehnung
nimmt die erste Stelle das lebensgroße Bildnis der

Familie Kerzmann von 1835 ein. Was wir vor allem
an dem Werke bewundern, ist die glänzende stoffliche
Charakterisierung und der fabelhafte Schmelz in der
Modellierung, jene Eigenschaften, die den an viel
kleineren Formaten geübten Maler verraten. Die Perch-
toldsdorfer Hochzeit von 1843 ist eine sehr wirkungs-
voll abgewogene Komposition, die aus knapp neben-
einandergesetzten Einzelgenreszenen besteht. Sie be-
deutet eine glänzende Repräsentation jener Epoche,
die in der illustrativen, milieugetreuen Schilderung
ländlichen Sonntagslebens eines der wichtigsten Themen
der Malerei erblickte. Reinsten Genuß bietet die große
Praterlandschaft von 1849 in ihrer tiefen Sattheit des
Lokaltons. Der Kontrast zwischen dem in hellem
Sonnenlicht modellierten vordersten Baumriesen und
der beschattenden Raumtiefe zwischen den Stämmen
ist zu Harmonie gedämpft. Er läßt erkennen, mit
welchem Erfolg Waldmüller in seiner Jugend die
Landschaften Jakob Ruisdaels kopierte. Die Düsterkeit
in der Monumentalität des großen Haarlemers ist hier
einer Lieblichkeit gewichen, die aus des Künstlers
eigenstem wienerisch-weichem Temperament heraus-
strömt. Können wir in der Perchtoldsdorfer Hochzeit
den Vorläufer eines seit den Sezessionen zu tief ein-
geschätzten Knaus oder Vautier erkennen, so läßt des
Künstlers reifstes und eigenstes Werk, die Kinder vor
der Fronleichnamsprozession, bereits die malerischen
Werte der großen Impressionisten vorausahnen. Trotz
der altmeisterlichen Technik sehen wir die Gestalten
fast im Freilicht mit farbigen Schatten, bewundern wir
eine in dieser Intensität bisher der bildenden Kunst
unbekannte Helligkeit schräg einfallenden Sonnen-
lichts. Unter den Spätwerken des Künstlers (1857)
ragt ferner der Dorffrühling im Wienerwald hervor
— ein Thema, von dem die Berliner Nationalgalerie
eine veränderte Wiederholung besitzt. Die Figuren
sind hier völlig mit der Landschaft zusammengesehen
als ebenso wie Bäume und Wiesen der Atmosphäre
unterworfene Glieder der Gesamtnatur. Einen eigenen
Reiz gibt dem Bilde der Gegensatz zwischen der
verdämmernden Ferne und dem zeichnerisch feinen
Geäst der noch unbelaubten Bäume des Vordergrunds,
das die ganze obere Bildhälfte überzieht. Die Heim-
kehr von der Arbeit ist ein anderes Beispiel des Spät-
stils Waldmüllers, bei dem allerdings die Figuren zu
nahe und für sich und zu wenig im Zusammenhang
mit der wundervoll dämmerigen Ferne links gesehen
sind. Einige kleine Kabinettstücke runden noch das
Bild vom reichen Schaffen des Künstlers, das wir
jetzt bei einem Besuche der Staatsgalerie gewinnen,
ab, so die Schönbrunner Ruine und vor allem die
ungeheuer feinfühlig gemalte Waldschlucht, dann das
kleine Rosenstilleben und die gegen das Licht gesehene
Traubenranke vor der Fensteröffnung. Von anderen
Wiener Genremalern der Biedermeierzeit ist Fendi
zu nennen, dessen »Besuch« eine besonders anmutige
Probe seiner gefälligen Kunst bedeutet. Das nicht
ganz vollendete Bild ist von harmonischer Duchsichtig-
keit des Lokalkolorits und von der dem liebens-
würdigen Künstler eigenen Feinheit der Genreauf-
fassung, die ohne jede Affektiertheit das Psychologische
 
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