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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Voigtländer, Emmy: Ein Beitrag zu dem Bildnis der Sammlung Czartoryski
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVI. Jahrgang 1914/1915 Nr. 39. 25. Juni 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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Die nächste Nummer der Kunstchronik (Nr. 40) erscheint Mitte Juli

EIN BEITRAG ZU DEM BILDNIS DER
SAMMLUNG CZARTORYSKI

Von Dr. Emmy Voigtländer

Die Ausstellung der Sammlung Czartoryski in
Dresden hat die Aufmerksamkeit wieder stark auf das
so anziehende Bildnis der Dame mit dem Wiesel
gelenkt, wobei naturgemäß auch die Frage nach seinem
Urheber im Mittelpunkt der Erörterungen steht. Immer
mehr neigt man dazu, das Bild nicht mehr Leonardo,
sondern einem seiner Schüler zuzuschreiben. Der
Name Boltraffios1) wird dabei am meisten neben dem
Predas2) genannt. Im folgenden möchte ich nun auf
eine Zeichnung aufmerksam machen, die einen Schritt
weiter führen kann, denn sie ist, bisher unerkannt,
doch zweifellos eine genaue Vorstudie zu dem frag-
lichen Bildnis.

Die Zeichnung (vergl. d. Abb.) ist in der Albertina-
Publikation Band g, Nr. 960 veröffentlicht, merk-
würdigerweise als von einem unbekannten Meister der
altniederländischen Schule um 1500 herrührend und
befindet sich in Stockholm, Nationalmuseum Nr. 27,
H. 0,14, Br. 0,11. Der Vergleich von Zeichnung und Bild
läßt bei aufmerksamer Be-
trachtung wohl keinen
Zweifel an der Identität
der Personen. Es ist das-
selbe zarte Gesicht mit
dem bei aller Zurückhal-
tung so heimlich belebten
Ausdruck; wohl kaum nö-
tig, noch besonders auf
den völlig gleichen Kon-
tur von der Stirn zu den
Wangen und dem Kinn
aufmerksam zu machen,
auf die Zeichnung desMun-
des usw.; die Nasenspitze
erscheint freilich im Bild
etwas länger gezogen, doch
scheint an dieser Stelle in
der Zeichnung ein nicht

1) So von Berenson,
North Italian painters S. 170;
Pauli, Boltraffio; Thieme-
Becker, Künstlerlexikon Bd.
IV.; Gronau, Zeitschrift f.
b. Kunst N. F. XXVI, 1915,
S. 148.

2) Seidlitz, Jahrbuch d.
Kunstslg. d. A. Kaiserhauses
XXVI, S. 41.

zugehörender Strich zu sein. Die Verteilung von
Licht und Schatten ist in beiden Stücken ganz die
gleiche, es finden sich die Schatten in den Augen-
winkeln, auf den Wangen, das Reflexlicht am Kinn
an denselben Stellen.

Wichtig ist vor allem die Zeichnung für die
Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes der
Haartracht, die wie der Hintergrund und die Kleidung
ja ziemlich übermalt ist. In der Zeichnung ist die
Stirn frei, der Kopf mit einem leichten Häubchen
bedeckt, aus dem im Nacken und an der Seite lose
Locken herauskommen, während an der Stirn das
Vorderhaar frei ist. (Hier scheint die Zeichnung auch
etwas von fremder Hand behandelt worden zu sein,
die Striche laufen merkwürdig durcheinander.) Der
Befund des Bildes stimmt ganz zu dem in der Zeich-
nung Gegebenen. Am Hinterkopf ist tatsächlich unter
der Übermalung ein Häubchen zu erkennen und alles
Übrige ist wegzudenken, wie der gelbe, den Rand
eines Schleiers vorstellende Streifen über den Augen,
über dem die Malerei der Stirn ziemlich unangetastet
ist, aber auch das schwarze Stirnband, da es zu
dieser die Stirn freilassenden Frisur nicht passen

würde. Die bis um das
Kinn wie ein Band herum-
gezogenen Haare verber-
gen wohl ähnlich der
Zeichnung lose vorkom-
mende Locken.1) Die
Zeichnung gibt also ziem-
lich darüber Auskunft, wie
die Haartracht ursprüng-
lich ungefähr zu denken ist.

Eine zweite Frage ist,
ob die Zeichnung auch
ein Beitrag zu der Frage
nach dem Maler des Bil-
des sein kann. Zweifellos
rühren beide von einer
Hand her, und da noch
niemand das Bild als nie-
derländisch angesprochen
hat, ist die Zugehörigkeit

Frauenkopf. Handzeichnung im Stockholmer Nationalmuseum

1) Dazu stimmt die Be-
obachtung, die H. W. Singer
im Cicerone VII, S. 135 mit-
teilt, und die mir entgangen
ist, daß das alte Haar zeich-
nerisch durchgearbeitet ist
und daß sich nach dem
Scheitel Locken winden.
 
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