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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Tietze, Hans: Oskar Pollak
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0254

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVI. Jahrgang 1914/1915 Nr. 40. 9. Juli 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11 a.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

Das nächste Heft der »Zeitschrift für bildende Kunst« erscheint in doppeltem Umfang am 23. Juli. —
===== Die nächste Nummer der Kunstchronik (Nr. 41) erscheint Anfang August --

OSKAR POLLAK f

Zu den zahlreichen Blutopfern, die die Kunst-
geschichte in diesem Kriege schon gebracht hat, ist nun
auch Oskar Pollak zu zählen, der am 11. Juni bei den
schweren Kämpfen am Isonzo gefallen ist. Aus Rom,
wo er, nach manchen Enttäuschungen in Wien, als
kunsthistorischer Sekretär des österreichischen geschicht-
lichen Instituts einen angemessenen und reichen Aus-
bau gestattenden Wirkungskreis gefunden hatte, war
Pollak zu Kriegsbeginn nach Wien geeilt, um sich
als Kriegsfreiwilliger zu melden; beim Wiener In-
fanterieregiment Nr. 4 im Verband der Akademischen
Legion ausgebildet, kam er im Jänner — kurz vor-
her nach anderthalbjähriger Verspätung als Privat-
dozent an der Wiener Universität bestätigt — an
die serbische Grenze. Den dortigen zuwartenden
Dienst »Gewehr bei Fuß« hat er mit Ungeduld mit-
gemacht und Ende Mai mit Jubel seine Versetzung
auf den heißeren italienischen Kriegsschauplatz begrüßt.
Am a. Juni schrieb er scherzend: »Meine ehemaligen
italienischen Freunde schießen fleißig auf uns, aber
sie könnens ziemlich schlecht« — zwei Tage darauf
fiel er mit seinem Kommandanten durch einen Granaten-
volltreffer. Der Glanz dieses Heldentodes überstrahlt
nun ein schlichtes, im Schatten verflossenes Leben;
eine aus gewissenhafter Pflichttreue aufgebaute Existenz
ist glorreich gekrönt.

Oskar Pollak war aus der Schule H. A. Schmids
hervorgegangen. Er hatte sich zunächst mit der reichen
Kunst seiner Heimat Böhmen beschäftigt und zwei
wichtige Arbeiten abgeschlossen; eine — seine Disser-
tation — über die Barockbildhauer Johann und Fer-
dinand Max Brokoff (auszugsweise im Kunsthistorischen
Jahrbuch der Zentralkommission 1908, dann vollständig
als Publikation der Gesellschaft für deutsche Kunst
und Wissenschaft in Böhmen, 1910 erschienen), die
andere, »Studien zur Geschichte der Architektur Prags
1520—1600« (im Jahrbuch der kh. Sammlungen des
österr. Kaiserhauses 1910), ein interessanter Versuch,
dem verwickelten und reichhaltigen Vorgang der Re-
zeption italienischer und niederländischer Anregungen
in Deutschland an einem lokal abgegrenzten und durch
bedeutende Schöpfungen bemerkenswerten Beispiel ins
Detail nachzugehen; Schicht um Schicht ließ sich bloß-
legen, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt das Wechseln der
Vorlagen, die leise Wandlung des Geschmackes sich
nachweisen. Das Verlangen, seine bisherigen Themen
fester und tiefer zu begründen, führte Pollak zu lang-
jährigem Aufenthalt nach Italien; der Boden, auf dem
er bauen wollte, erwies sich als trügerisch, und seine

Studien über das römische Barock überzeugten ihn
immer mehr von der Unzulänglichkeit unserer Kennt-
nisse dieser Kunst; seine Gewissenhaftigkeit nötigte
ihn, ehe er an die stilkritischen Themen ging, die ihm
vorschwebten, eine Quellenerschließung auf breitester
Grundlage vorzunehmen. Das von ihm zutage ge-
förderte Material ist erstaunlich groß. Nur einen Teil hat
er veröffentlicht: Der Architekt im XVII. Jahrhundert
in Rom, in der Zeitschrift für Architekturgeschichte 1910;
Alessandro Algardi als Architekt, daselbst 1911; An-
tonio del Grande im Jahrbuch der Zentralkommission
1909; Die Decken des Palazzo Falconieri, daselbst 1911;
Italienische Künstlerbriefe aus der Barockzeit im Jahr-
buch der Kgl. preußischen Kunstsammlungen 1913;
Bernini als Maler und Regesten zu Pietro da Cortona,
in der Kunstchronik 1912, Nr. 36 und 38; und zahl-
reiche Beiträge in Thiemes Künstlerlexikon, zu dessen
Getreuen er von Anfang an zählte. Anderes dürfen
wir noch erwarten; die Vorarbeiten zu einer groß
angelegten systematischen Urkundenpublikation, die
für die Barockpontifikate ähnliches leisten sollte wie
das, was Münz für die Kunstbestrebungen der Re-
naissancepäpste getan hat, und zu einer kritischen
Neuausgabe der römischen Künstlerviten waren so
weit gediehen, daß manches druckreif sein dürfte.
Aber von der Zusammenfassung dieser selbstlosen
und weitausholenden Materialsammlung bleibt uns
wohl nur, was Pollak über barocke Architektur und
Malerei für die Neuausgabe des Cicerone geschrieben
hat; das eigentliche Ziel seiner Mühe hat er nicht
erreicht, die monographische Darstellung des großen
Bahnbrechers Francesco Borromini, ein Lieblingsplan
vieler Jahre, ist ungeschrieben geblieben.

Es ist das eine der Traurigkeiten seines Lebens.
Über dem Sammel- und Stückwerk, das er zum Ab-
schluß brachte, übersieht man leicht die Sehnsucht
nach dem Ganzen, die ihn beseelte. Namentlich in
den drei Jahren, die er als Assistent Professor Dvoraks
in Wien verbrachte, hat er sich gemüht, Einseitigkeiten
zu überwinden und seine reichen Kenntnisse von spe-
zieller Kunst durch ein eindringenderes Verständnis
für alle Kunst zu verlebendigen. Den Lesern der
Kunstchronik, der er in dieser Zeit regelmäßig über
das Wiener Kunstleben Bericht erstattete, ist bekannt,
wie er den Anschluß an die moderne Kunst suchte
und fand; warmfühlend stand er allem Kraftvollen
unserer Moderne zur Seite, dankbar anerkennend, hier
die beste Hilfe zum Begreifen der alten gefunden zu
haben, eifrig bestrebt, in der Flucht der raschgleitenden
Tageserscheinungen große Grundlinien zu finden.
 
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