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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Lehrs, Max: Jaro Springer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0278

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVI. Jahrgang 1914/1915 . Nr. 43. 3. September 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

Die nächste Nummer der Kunstchronik (Nr. 44) erscheint Mitte September

JARO SPRINGER f

Am 13. August fiel Professor Dr. Jaro Springer,
der einzige Sohn Anton Springers, als Hauptmann an
der Spitze seiner Kompagnie bei einem Sturmangriff
vor Nowo-Georgiewsk.

Er war am 8. November 1856 in Prag geboren,
wo sein Vater damals den Lehrstuhl für Kunstge-
schichte innehatte. Dort und später in Leipzig ver-
brachte er seine Jugend und entschied sich auch
seinerseits für das Studium der Kunstgeschichte. Aber
er war der Sohn eines berühmten Vaters, in dessen
Schatten er aufwuchs, und diese Tatsache darf bei
der Beurteilung des Menschen Jaro Springer nicht
außer acht gelassen werden. Sie reifte in ihm, als
er 1884 an das Berliner Kupferstichkabinett kam, wo
er seit 1885 als Direktorialassistent, seit 1909 als
Kustos tätig war, jenen Hang zur Seifestiron isierung,
jene bewußte, wenn auch humorgewürzte Bitterkeit
und Schärfe im Urteil über andere, die ihm, wenigstens
in den Augen Fernstehender, einen Stachel verliehen,
aber auch wieder den Reiz seiner Persönlichkeit er-
höhten.

Denn er war eine Persönlichkeit im eigentlichsten
Sinne des Wortes. Wer die stattliche Erscheinung
des hochgewachsenen Mannes mit dem martialischen
Schnurrbart, den buschigen Brauen, unter denen ein
paar helle, durchdringend in die Welt blickende Augen
leuchteten, ansah, glaubte eher die ritterliche Gestalt
eines alten Soldaten vor sich zu haben, als die eines
friedlichen Direktorialassistenten am Königl. Kupfer-
stichkabinett. Wie herrlich hätte er in die Magnaten-
tracht eines altpolnischen Starosten gepaßt! —

Seit Lippmanns Tagen, die der Grabesruhe der
Weiß-Wesselyschen Ära mit fröhlicher Schaffenslust
und witzgetränktem Lärm folgten, gehörte er zum
unveräußerlichen Inventar des Berliner Kabinetts, bil-
dete mit dem jetzt auch im Feld stehenden Valerian
v. Loga ein Dioskurenpaar, das sich nicht an der
gemeinsamen Tagestätigkeit im Dienst genügen ließ.
Kein ständiger Besucher der Sammlung hätte die
Beiden missen mögen, und es war vor allem
Springers geistvolle Art, die es den »Intimen«, wenn
sie den zum Schutz vor dem Publikum geschlossenen
Vorhang im Rücken hatten, oft schwer machte, zur
Arbeit zu kommen. Dann begann das Kleingewehr-
feuer seiner bissigen und ironischen Bemerkungen
über Anwesende und Abwesende. Paradoxe Behaup-
tungen prasselten wie Schrapnells hernieder, und man
mußte sich erst durch die Stacheldrahtverhaue seines

unerschöpflich galligen Humors hindurcharbeiten, um
schließlich zu gewahren, daß dahinter ein für die hohe
und echte Kunst warm pulsierendes, treffliches Herz
verschanzt lag.

Er liebte das Kupferstichkabinett, dem er dreißig
Jahre seiner besten Kraft gewidmet hatte, nicht wie
ein trockener Beamter, sondern wie ein Kunstfreund
und Sammler seine Privatschätze, die er vertrauten
und auserlesenen Freunden zu zeigen nicht müde
wurde. Dann schleppte er eigenhändig Mappen her-
bei oder die köstlichen Codices der Hamilton-Samm-
lung, deren Miniaturen seine besondere Liebe galt.
Die-Dürer-Zeichnungen, das erlesene Schongauer- und
Rembrandt-Werk, das Lippmann mit unvergleichlichem
Spürsinn in Berlin zu vereinigen gewußt hatte, Botti-
cellis Dante-Illustrationen und die Farbstiche des acht-
zehnten Jahrhunderts wurde er niemals müde, als
Prophet der einzigartigen Bedeutung seiner Sammlung
vorzuführen.

Die Publikationen, die er im Holbein-Verlag oder
bei Fischer & Franke herausgab: Dürers Kupferstiche,
Ostades Radierungen, das Leben Jesu in Bildern alter
Meister, trugen mehr den Stempel auf Wunsch der
Verleger zusammengestellter Werke für ein größeres
Laienpublikum, dem allerdings wenigstens die beiden
letztgenannten infolge der minderwertigen Repro-
duktionsart (Zinkätzung) keine Vorstellung vom eigent-
lichen Reiz der Originale zu geben vermochten.

Viel ernster zu nehmen waren seine 1897 im
Rahmen der Internationalen Chalkographischen Ge-
sellschaft erschienenen Gothischen Alphabete und be-
sonders die 1910—12 von der Graphischen Gesell-
schaft herausgegebene mustergültige Veröffentlichung
der Radierungen von Hercules Seghers in drei Tafel-
bähden und einem numerierten Verzeichnis. Der
eigentliche Text ist bedauerlicherweise nicht mehr be-
endet worden. In den Studien zur deutschen Kunst-
geschichte erschien 1907 eine vortreffliche Abhandlung
über die Bildnisse Sebastian Brants.

Mit dem bekannten Berliner Sammler Julius Model
gab er 1912 ein prächtig ausgestattetes, umfangreiches
Werk über den französischen Farbenstich des acht-
zehnten Jahrhunderts heraus, für dessen pikante Er-
zeugnisse er von jeher eine Vorliebe hatte. Im übrigen
beschränkte er sich meist auf wenig umfangreiche
Artikel oder kurze Notizen im Jahrbuch der preußischen
Kunstsammlungen, dessen Beiblatt, den Amtlichen Be-
richten und der Zeitschrift für bildende Kunst. Als
die wichtigsten davon sind hervorzuheben: Ein Skizzen-
buch von Martin Heemskerck (1884), Neue Nach-
 
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