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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Schumann, Paul: Kriegstagung für Denkmalpflege in Brüssel
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVI. Jahrgang 1914/1915 Nr. 44. 21. September 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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===== Vom 1. Oktober ab erscheint die Kunstchronik wieder wöchentlich =============-

KRIEGSTAGUNG FÜR DENKMALPFLEGE
IN BRÜSSEL

Der Tag für Denkmalpflege, der im vorigen Jahre
in Augsburg stattfinden sollte, mußte des Krieges
wegen ausfallen, und auch in diesem Jahre erschien
es nicht tunlich, den Tag zu berufen. Da war es
ein glücklicher Gedanke, eine Kriegstagung einzu-
berufen, in der die neuen Aufgaben, die der Krieg
für die Denkmalpflege geschaffen hat, beraten werden
sollten, und nicht minder glücklich war es, daß
die Hauptstadt Belgiens dazu ausersehen wurde, weil
sie inmitten und in der Nähe der kunstgeschicht-
lich wichtigen alten Kulturstädte und Ortschaften liegt,
deren Denkmäler infolge größerer oder geringerer Be-
schädigungen während des Krieges am meisten bal-
diger Fürsorge bedürfen. Geh. Hofrat Dr. v. Öchel-
häuser (Karlsruhe), zurzeit als Adjutant in Antwerpen,
Geh. Regierungsrat Dr. Clemen, der von der preu-
ßischen Regierung mit der Wahrung der Interessen
der Denkmalpflege in den besetzten Gebieten Belgiens
betraut ist, und Geh. Hofrat Dr. Cornelius Gurlitt
(Dresden) traten dem Gedanken näher und brachten
eine wohlgeeignete Tagesordnung zustande. Ent-
scheidend war, daß der Generalgouverneur in Belgien
Generaloberst Freiherr von Bissing bereitwillig das
Protektorat der Tagung übernahm. Dr. Hensler aus
Dresden übernahm die Vorbereitung des Tages an
Ort und Stelle. Sorgsam und umsichtig vorbereitet,
verlief die Tagung, vom Geh. Hofrat Dr. v. Öchel-
häuser mit gewohntem Geschick geleitet, sehr glück-
lich und brachte gute Ergebnisse. Selbstverständlich
konnte zu der Tagung nur ein beschränkter Kreis von
Teilnehmern eingeladen werden. Außer den Mit-
gliedern des vorbereitenden Ausschusses des Tages
für Denkmalpflege, nahmen noch eine Reihe anderer
hervorragender Kunsthistoriker und Architekten, Ver-
treter der deutschen Verwaltung in Belgien und Nord-
frankreich, Vertreter der Denkmalpflege bei den Re-
gierungen einiger deutscher Bundesstaaten, sowie auch
einige hervorragende Männer der Denkmalpflege aus
Österreich und der Schweiz teil.

Der Eröffnungsabend Sonnabend den 28. August,
zu dem ein weiterer Kreis deutscher Offiziere und Be-
amter Belgiens eingeladen war, fand im Sitzungssaale
der belgischen Abgeordnetenkammer statt. Exzellenz
von Bissing begrüßte die Teilnehmer mit warmen
Worten und sprach seine Genugtuung aus, daß die
Anregung zu der Kriegstagung so großen Anklang
gefunden habe. Mit gehaltvollen Ausführungen wür-
digte er die Bedeutung der Denkmalpflege sowie die
alten Kunstdenkmäler Belgiens und wünschte der
Tagung vollen Erfolg.

Alsdann sprach Prof. Clemen in zweistündigem
glänzendem Vortrag über den Krieg und den Zu-
stand der Kunstdenkmäler auf dem west-
lichen Kriegsschauplatze. In ernster Weise wies
er alle die Vorwürfe zurück, die der deutschen Krieg-
führung gemacht worden sind; er betonte, daß Deutsch-
land das klassische Land der Denkmalpflege ist, daß
uns die Gegner die Beschießung von Reims und
anderen Städten nebst den darin befindlichen bedeut-
samen Baudenkmälern aufgezwungen haben. Wirksam
wies er im Gegensatz dazu hin auf die Beschießung
Roms durch Oudinot im Jahre 1849, auf die Zer-
störung Delhis durch die Engländer 1857, auf die
Beschießung Brüssels durch Villeroy 1695. Auch
haben die Franzosen durch ihre neuere kirchliche Ge-
setzgebung eine ganze Reihe hervorragender Kirchen-
bauten geradezu dem Verderben überliefert. Die weit-
aus größte Mehrzahl der belgischen Städte, zumal der
großen Kunststätten, sind unbeschädigt geblieben, weil
Zerstörungen ohne Not den Deutschen ganz fern liegen.
Der Kriegsnotwendigkeit wegen aber haben die Eng-
länder Dixmuiden u. a. zerstört, und die Franzosen
sind insofern schuldig, als sie die gefährdeten Kunst-
denkmäler nicht planmäßig gegen Granaten u. ä. ge-
schützt haben. An den unersetzlichen Verlusten an
Menschenleben und an Kunstwerken trägt nicht die
Barbarei der Deutschen, sondern die Barbarei des
Krieges die Schuld, und die Verantwortung dafür
haben die Männer, die diesen entsetzlichen Krieg
heraufbeschworen haben. Eine lange Reihe ausgezeich-
neter Lichtbilder erläuterte den für die Tagung grund-
legenden Vortrag.

In der geschlossenen Versammlung am Montag
den 29. August begrüßte Herr v. Öchelhäuser die Ver-
sammlung mit warmen Worten, besonders die Schweizer
und Österreicher, er gedachte des verstorbenen Bürger-
meisters Charles Buls von Brüssel und betonte,
daß die Versammlung ihres vertraulichen Gepräges
wegen sich auf einen engeren Kreis habe beschränken
müssen. Für die Österreicher dankte der k. k. Mini-
sterialrat Ritter von Förster-Streffleur, für die
Schweizer der Zürcher Architekt Eugen Probst, der
Verfasser der ausgezeichneten Schrift: Eindrücke eines
Neutralen in Belgien (131. Flugschrift des Dürer-
bundes, Georg D. W. Callwey, München).

Sodann berichtete Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Ritter
von Falke (Berlin) über die Fürsorge für die Denk-
mäler in Belgien. Auch er betonte, daß die zerstörten
Kunstwerke nur der Kriegsnotwendigkeit zum Opfer
gefallen sind, daß die wenigen beschädigten Kunst-
werke und Baudenkmäler leicht wieder hergestellt
werden können. Geraubt, verschleppt oder sonstwie
 
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