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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 26.1915

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Schrey, Rudolf: Tizians Gemälde "Jupiter und Kallisto" bekannt als "Die himmlische und irdische Liebe"
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Weizsäcker, H.: Zum Gedächtnis Viktor Moessingers: geboren 8. Oktober 1857, gestorben 9. August 1915
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https://doi.org/10.11588/diglit.6190#0296

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Zum Gedächtnis Viktor Moessingers

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und Cavalcaselle) als eine Darstellung der drei Lebens-
alter des Mannes: den wißbegierigen, lerneifrigen
Jüngling, den ernsten gereiften Mann, der auf der
Scheitelhöhe des Lebens steht, rückschauend auf das
von ihm Geleistete und abwägend das, was ihm im
verbleibenden Rest noch zu tun übrig bleibt (erfassen
wir doch einmal den tiefen Sinn des »Schwaben-
alters«!), endlich den schon von der Welt abgewandten
Greis, der zufrieden auf sein Lebenswerk hinweist.
Schüchtern möchte ich die »Familie des Giorgione«
(Venedig, Pal. Giovanelli) auch als eine freie Illustration
zu Ovids Metamorphosen in Anspruch nehmen; das
Gemälde zeigt wohl Deukalion und Pyrrha nach der
Flut, die alles dahingerafft, bis auf diese selbst; die
Wasser verziehen sich, sinnend steht Deukalion, sorg-
los dagegen sehen wir Pyrrha, Trost findend in
ihrer Mutterschaft.

Die rechte Seite des Cassonebildes in Padua
(Justi 45 »Erysichthons Frevel und Bestrafung«) ist
wohl zwangloser als die ermüdete Kallisto zu deuten,
der sich Jupiter in Gestalt Dianens naht, allerdings
in fast häßlichem Körper, die Figur am Baume kann
wohl schwerlich einen Jüngling darstellen. Noch
eine beiläufige Bemerkung zu Giorgione; zu dem
Bildnis in Berlin: die Buchstaben auf der Brüstung V V
sind meiner Meinung nach die Abkürzung eines Wahl-
spruches, in diesem Falle Vanitas Vanitatum; schon
Justi (Giorgione I. Bd. 135) vermutet die Abkürzung
irgend eines Sinnspruches, wie ich eben sehe. End-
lich ist das Gemälde der Dresdner Galerie Nr. 186
»Nach Giorgione, Das Horoskop« wieder nur als
»Die Lebensalter« zu erkennen, wozu der dem Greis
beigegebene Phönix, das Sinnbild ewiger Verjüngung,
vorzüglich paßt. Es hatte gewiß viel Verlockendes,
Giorgione mit dem Haus Este in Verbindung zu
bringen, aber es geht doch nicht an, dieses Tier,
dessen Körperformen denen einer Gans nahekommen,
als das Wappentier der Este — weißer Adler — an-
zusprechen.

ZUM GEDÄCHTNIS VIKTOR MOESSINGERS

GEBOREN 8. OKTOBER 1857,
GESTORBEN 9. AUGUST 1915

Die Stadt Frankfurt hat durch den unlängst er-
folgten Tod von Viktor Moessinger einen ihrer ver-
dientesten Bürger verloren. Im Besitze einer un-
abhängigen sozialen Stellung, die er sich aus eigener
Kraft erworben, ein unermüdlicher Arbeiter, selbstlos
und hilfsbereit, wo immer man seiner bedurfte, war
er mit dem öffentlichen Leben seiner Vaterstadt in
jeder Richtung verwachsen. Vor allem aber war es
die Pflege der künstlerischen Interessen, auf die ihn
seine Neigung hinwies. Der Aufschwung, der dem
Frankfurter Museumswesen seit etwa fünfzehn Jahren
beschieden gewesen ist, hat an ihm einen seiner
rührigsten und einsichtsvollsten Vorkämpfer gehabt.

Seiner Natur war eine schöngeistige Richtung von
Haus aus eigen, aber seine Schule hatte er doch nicht
im gelehrten Stande, sondern im kaufmännischen Be-
rufe durchgemacht; seine abschließende Bildung hatte
ihm ein langjähriger Aufenthalt in der Fremde ge-

geben. So ist ihm auch immer etwas von dem
wetterfesten Typus des Auslanddeutschen eigen ge-
blieben, nicht zu seinem und seiner Mitbürger Schaden.
Die Entschiedenheit der Initiative, mit der er sich,
seitdem er 1885 aus Paris in die Heimat zurück-
gekehrt war, in den Dienst der Allgemeinheit stellte,
kennzeichnen den Mann des Entschlusses und der
Tat. Bald sah ihn das Freie Deutsche Hochstift
wie später auch der Kunstverein unter seinen Mit-
arbeitern, und wenige Jahre schon nach seiner
Heimkehr hatte ihm das Städelsche Kunstinstitut zwei
wertvolle Schenkungen zu verdanken, ein Bild seines
Landsmannes Schreyer, des Pferdemalers, und Uhdes
»Emmausjünger«.

Die Zeit seiner intensivsten Mitwirkung an der
Gestaltung der heimatlichen Kunstverhältnisse war ge-
kommen, als es im Jahre 1899 gelang, einen »Städel-
schen Museumsverein« ins Leben zu rufen, um der
mit der Ungunst ihrer finanziellen Lage schwer
ringenden Städelschen Stiftung einen festeren Rückhalt
zu verleihen. Eine der ersten Persönlichkeiten, welche
die Begründer jenes Vereins ins Auge faßten, war M.,
und er hat die Hoffnungen, die damals auf ihn ge-
setzt wurden, nicht getäuscht. Bescheiden zurück-
haltend im Austausch der Meinungen, aber zäh aus-
dauernd im Handeln, wenn es galt, alle Kräfte für
ein einmal gewähltes Ziel einzusetzen, dazu mit
hervorragenden praktischen Fähigkeiten ausgestattet,
war er dort eben an der rechten Stelle. In jener
Zeit, als in Frankfurt noch keine Millionenstiftungen
an der Tagesordnung waren und vor allem auch die
Instanzen der städtischen Verwaltung dem Institut
gegenüber noch eine abwartende Haltung einnahmen,
waren die Arbeitsziele des neuen Vereins unschwer
festzulegen. Von hoffnungslosen Versuchen, in den
bereits damals heftig entbrannten Konkurrenzkampf
des internationalen Bildermarktes einzugreifen, hatte
die Leitung der Anstalt schon vordem Abstand ge-
nommen. Die aus älterer Zeit vorhandene Sammlung
war zu gut, als daß sie durch den Ankauf von Mittel-
mäßigkeiten hätte gewinnen können, das Gute aber
unerschwinglich hoch im Preise, namentlich wenn
man etwa an Werke älterer Meister hätte denken
wollen. Eher konnte einmal ein Gelegenheitskauf an
modernen Bildern glücken, besonders aber empfahl
es sich, auf die reichlich vorhandenen Schätze ein-
heimischer Kunst zu achten, die Werke des Cron-
berger Kreises und die noch vielfach verkannte jüngere
Gruppe der Viktor Müller, Scholderer, Thoma, Stein-
hausen, Trübner, Persönlichkeiten, deren Namen heute
jedermann geläufig sind, die aber damals selbst in Frank-
furt nicht allgemein bekannt oder gar als gefährliche
Neuerer verdächtigt waren. Hier einzusetzen ließ der
neue Museumsverein seine erste Sorge sein. Und
bald zeigte sich, daß seine Mittel auch weiter hinaus-
reichten. Die ganze Münchener Gruppe derer um
Thoma und Trübner konnte mit in den Bereich der
Anschaffungen gezogen werden, vor allem durfte man
nun aber auch seine Wünsche auf andere, kost-
spieligere Gegenstände richten: 1900 gelang der An-
I kauf eines Liebermann, des schönen frühen Bildes
 
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