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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Wie Jaro Springer Fiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0059

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVII. Jahrgang 1915/1916 Nr. 11. 10. Dezember 1915

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A.Seemann, Leipzig, Hospitalstr. U a.
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WIE JARO SPRINGER FIEL

Von seiner Gefechtsordonnanz erzählt*)

Als Mitte August die Nachricht kam, Jaro Springer
sei vor Nowo Georgiewsk gefallen, hat wohl mancher
von denen, die ihm einen Nachruf schuldig zu sein
glaubten, empfunden, daß über eine solche Er-
scheinung mit dem vollen persönlichen Reiz nur Jaro
Springer selbst hätte schreiben können. Er fehlte
seinen Freunden zum erstenmal. Nun kommt aus
seiner Kompagnie eine Stimme; dort war er nicht
der langgediente Museumsbeamte, der »ererbt zur
Kunstgeschichte gehörte«, sondern »auf sich selber
stand er da ganz allein« — und wer ihn im Leben
richtig gesehen hat, wird die Unteilbarkeit seines
Wesens auch in diesen letzten Tagen wiederfinden
mit jener Mischung von Gefühlen, die für seine
Freunde in den Worten lag: »der ganze Springer«. —
Wir lassen nun den Bericht folgen. Er lautet:

Hauptmann Springer erfreute sich in der Kom-
pagnie allgemeiner Beliebtheit. Er war von den
Offizieren, die viel mit ihm zusammenkamen, sehr
geschätzt, und seine offene Freundschaft wurde ge-
sucht. Andererseits hatte er auch seine Feinde, da
viele ihn nicht verstanden. Sein Brigadekommandeur,
der die beiden Landwehrregimenter führte, zeichnete ihn
oft, in Gegenwart von Offizieren, durch langen freund-
schaftlichen Händedruck aus. Hauptmann Springer
liebte die Gesellschaft; iür gewöhnlich war wenigstens
einer von seinen Offizieren um ihn. In Gefechten
und angesichts der Gefahren war ich ihm als seine
Ordonnanz unentbehrlich. Diesen Posten bekleidete
ich während seiner ganzen Kriegstätigkeit im Felde.
Nie scheute er, auch meine Ratschläge anzuhören und
auch öfter auszuführen und, wenn er mir einige Mi-
nuten vor seiner tödlichen Verwundung versicherte:
»Daß ich auch Sie verlieren mußte, Sie waren mir meine
beste Kraft«, so bin ich stolz auf diese Worte. Sie
sind mir meine höchste Auszeichnung in diesem
Kriege. Eine große Freude machte es ihm immer,
wenn er soldatische Tugenden würdig belohnen konnte,
dann war er stets aufgelegt und zu Scherzen bereit.
Er selber war sehr mutig und bei allen Gefechten
stets vorne zu finden. Furcht kannte er nicht, deshalb
setzte er mehrere Male sein Leben aufs Spiel, er
mußte aber stets Mutige um sich haben. Bei feigen
Menschen verlor er seine Sicherheit, und seine polternde
Ausdrucksweise kam dann sehr zur Geltung. Be-
strafungen ließ er nicht gern machen, ich glaube,
während seiner Kriegszeit nur eine einzige. So lange
er die Kompagnie befehligte, war der Ton ein viel

*) Veröffentlichung genehmigt vom stellvertr. Generalkommando
des XIX. Armeekorps.

besserer, wie ich es früher erlebt hatte. Er unterhielt
sich gerne mit seinen Mannschaften, und jeder hatte
sich seines Wohlwollens zu erfreuen, wenn er in einer
besonderen Angelegenheit um Auskunft bat. Auf jede
Weise versuchte er es seiner Kompagnie so leicht
wie möglich zu machen; kamen schwere Tage, so
machte sein derber Humor manchen wieder lebendig.
Wie jeder gemeine Soldat, so entnahm er auch seinen
Teil aus der Gulaschkanone. Er war nicht verwöhnt
und hörte auch nicht gerne, wenn ich für die Mann-
schaften mal das Essen ab und zu tadelte. Manchmal
gab es auch gar kein Essen, wenn wir dem Feind
zu sehr auf den Fersen waren. Dann hungerte er
mit und schob Kohlendampf, wie der Soldatenmund
zu sagen pflegte. Wir alle haben uns gewundert,
daß er so lange die Strapazen ertragen konnte. Wie
oft schlief er auf hartem Boden im Schützengraben,
dann deckte ich ihn mit meinem Mantel zu, da sein
Bursche wieder mal nicht nachgekommen war. Den
Sturm auf die Vorstellung Pucsin der Festung Nowo-
Georgiewsk übernahm er durch seine Kompagnie für
das Ersatz-Bataillon. Die Kompagnie halte sich in
früheren Kämpfen schon glänzend bewährt, sie war
erprobt und nicht unerfahren. Zunächst galt es, sich
zum Drahtverhau der Russen heranzuarbeiten. Dies
konnte nur lautlos und in der Nacht geschehen. Als
wir zu diesem Zwecke aus einem Vorpostenwald
herausgetreten und ausgeschwärmt waren, erhielten wir,
da die Russen auf ihrer Hut waren, heftiges Gewehr-
und Granatfeuer. Leider gab es einige Tote und
Verwundete. Hierdurch wurden die drei Zugführer
unruhig und führten uns, obgleich dieselben persön-
lich und durch Patrouillen das Terrain am Tage be-
sichtigt hatten, in einen Sumpf. Dann verloren sie
die Richtung und konnten dadurch keinen Anschluß
an die links und rechts vorgehenden Kompagnien
finden. Hierdurch vergingen etliche Stunden und der
Hauptmann war sehr wütend. Schließlich rief er mir
zu: »Kommen Sie, mein lieber B., jetzt führen wir.«
Im heftigen Kugelregen sprangen wir auf, liefen dreißig
Meter vor der Kompagnie und orientierten uns an
dem Aufblitzen der russischen Geschütze, daß wir
statt einer östlich-westlichen Richtung eine südlich-
nördliche hatten. Schnell wurde die Front hergestellt
und dann hieß es vorwärts. Schließlich mußten wir
uns eingraben, es blieb bis zum Tagwerden nur noch
eine Stunde übrig. Hierbei fanden wir auch nach
rechts Anschluß. Diese Kompagnie teilte uns mit,
daß sie ca. 500 Meter vor dem russischen Drahtverhau
liege. Somit war auch unsere Front richtig und da-
durch der Hauptmann wieder froher Laune. Ich grub
dann für uns beide einen Unterstand, der eine Ver-
bindung mit dem Schützengraben hatte. Es hieß
 
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