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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Neuerwerbungen des Rijksmuseums in Amsterdam
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0104

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Nenerwerbungen des Rijksmuseums in Amsterdam

196

Baronesse Lynden, von Rousseau eine Waldlandschaft
mit einer Schafherde und von Diaz ein Blumenstück
und ein Waldinneres mit badenden Frauen, in dem das
Landschaftliche aber mehr von untergeordneter Be-
deutung war. In dem neuen Werke von Diaz
(Nr. 778a) ist auch wieder eine Stelle aus dem herr-
lichen Walde von Fontaineblau verewigt; in das kühle
Waldesdunkel, das von hohen, alten Bäumen gebildet
wird, blinzeln ein paar Sonnenstrahlen hinein; sie
verweilen auf dem weißen Stamm einer mächtigen
Eiche, sie huschen über den roten Rock und die
weißen Ärmel einer Reiser tragenden Bäuerin und
wiederholen ihr Spiel in einem kleinen Teich in der
Mitte, in dem sich der Wald und einige Stückchen
blauer Himmel spiegeln. So bringt hier das durch
ein dichtes Blätterdach durchsickernde Licht eine be-
lebende und warme Note in das geheimnisvolle ernste
Waldesschweigen; und es ist gerade der Kampf
zwischen dem Licht und dem Dunkel, der dieses
Werk so anziehend macht. Diesem Wechsel in der
Beleuchtung entlehnt die Abendlandschaft von
Rousseau (Nr. 2064a) ebenfalls ihren besonderen
Reiz. Hier kontrastiert ein dunkler Vordergrund, ein
von hohen, dichtbelaubten Bäumen beschatteter Bauern-
hof, vor dem sich ein schwarzes Gewässer hinzieht,
mit einem offenen, noch im hellen Tageslicht liegenden
Gelände im Hintergrund und einem sich darüber
wölbenden klaren Himmel, an dem einige leichte
weiße Wolken schweben. Arbeiten Diaz und Rousseau
in den genannten Werken mit einem starken Helldunkel,
so geben zwei ungefähr gleichzeitige Landschaften der
beiden Holländer Jacob und Matthys Maris die
Natur in der weniger dramatischen Situation eines
gleichmäßigen kühlen Lichtes an einem grauen nor-
dischen Tage; aber diese Landschaften sind darum
nicht weniger lebensvoll, das Leben ist hier nur von
einer ruhigen, eintönigeren Art, der alle Spannung und
Gegensätzlichkeit, alles Prickelnde und Nervöse fehlt.
Hier ist der stille Zauber des Alltäglichen und Un-
scheinbaren, und als Korrelat beim Maler Verträumt-
heit und Verlorenheit in die zarten, kaum wahrnehm-
baren Abstufungen und Übergänge der Farben und
Töne, wie sie sich bei einem bedeckten Himmel bei
gleichmäßiger kühler Beleuchtung ergeben. Bei
Matthys Maris (Nr. i5igbb, Souvenir d'Amsterdam)
ist es ein Winkel aus einer typisch holländischen Stadt
mit einem Kanal, der Schleuse, einer großen Aufzieh-
brücke, die das Ganze beherrscht, und hohen alten
Häusern im Hintergrund als Abschluß; ein großer
Kahn fährt langsam in die Schleuse ein, hinten am
Steuer steht eine Frau, und ganz vorn auf das Geländer
am Ufer lehnt ein Mann, der ruhig allem zuschaut,
sowie der Künstler, der das Bild in sich aufgenommen
hat. Aus braunen und grauen neutralen Farben ist
das Gemälde aufgebaut, kein lauter Ton stört die
ruhige Vornehmheit der Farbenskala. Das Bild
ist mit dem Monogramm des Künstlers bezeichnet und
1871 datiert. Mehr Abwechslung in farblicher Hin-
sicht bietet die Landschaft von Jac. Maris aus dem
Jahre 1870 (Nr. 1518c), ein Bleichplatz mit einem Hof
mit Brunnen im Vordergrund und den dunkeln, rot-

braunen, unbestimmten Dächern in dem etwas tiefer
liegenden Hintergrund, überragt von einem schlichten
Dorfkirchlein und einigen kahlen Bäumchen, die sich
von einem weißen kalten Spätjahrshimmel scharf ab-
heben; aber in der Stimmung und der Innigkeit der
Auffassung steht es dem Werke von Matthys Maris
doch sehr nahe. Matthys Maris ist durch diese Stadt-
ansicht als Landschafter jetzt endlich würdig im Rijks-
museum vertreten; die zwei kleinen Sachen aus dem
Legat Westerwoudt traben bisher nur einen schwachen
Begriff von seinem Können und seiner Art. Auch von
dem Romantiker Matthys Maris erwarb man aus der
Sammlung von Randwyck ein kleines charakteristisches
Beispiel (Nr. 1519CC); es ist nicht aus seiner aller-
letzten Zeit, wo die Dinge in einem feinen weißen
Nebel verschwimmen, sondern es gehört noch der
Übergangsperiode an. Dargestellt ist eine kleine Wiese,
hinten von niedrigem Gebüsch abgeschlossen und
vorne von einem Graben durchschnitten, in dem sich
zwei junge Enten tummeln. In diese in einen grauen Ton
getauchte Landschaft hat der Maler eine seiner Dorn-
röschenfiguren hineingesetzt, eine schlanke, liebliche
Mädchengestalt mit lose wallendem rotem Haar in fest-
licher Kleidung und einem Spinnrocken in der Hand;
vorsichtig sucht sie sich an die Enten heranzuschleichen,
aber die Tiere hören ihre Schritte und flattern davon.
Traum und Wirklichkeit sind hier in eigenartiger Weise
vermengt; es scheint alles real, ja alltäglich und doch
zugleich geheimnisvoll und wunderbar. Märchen ist
das kleine Bildchen betitelt. Von Jacob und Willem
Maris sind außerdem zwei größere Werke aus ihrer
späteren, reiferen Zeit hinzugekommen, von Jacob ein
Amsterdamer Stadtbild, die Gegend am Schreyerstoren
(Nr. I5i8d) mit hohen grauen Wolken, die stellen-
weise einen schönen blauen Himmel durchblicken
lassen und von Willem (Nr. i520f) eine Sommer-
landschaft mit seinen geliebten Kühen, die er nicht
müde ward, immer von neuem, in andern Stellungen
und andern Beleuchtungseffekten zu malen; denn nicht
um die Tiere war es ihm bekanntlich zu tun, sondern
nur um das Licht, das sie umfloß, diese Umrisse auf-
löste, jene verschärfte. Noch moderner in der Auf-
fassung und impressionistischer in der Ausführung ist
eine Landschaft von Jan Hendrik Weißenbruch
(Nr. 2625 c), einem Meister, der zwar einer älteren
Generation als die Marisse angehört (1824—1903),
der aber mit seiner Zeit immer gleichen Schritt ge-
halten hat; eine flüchtige Naturstimmung, ja ein
ganz kurzer Moment ist in diesem späten Werke
Weißenbruchs mit bewundernswürdiger Virtuosität
festgehalten. Ein windiger Regentag auf dem Lande
ist vom Maler hier dargestellt; im Augenblick regnet
es nicht, aber es kann gleich wieder beginnen; graue
Regenwolken treiben oben am Himmel; über dem
Horizont liegt ein weißer Schein, der das Land weit
hinaus erhellt, wodurch das Bild von einer besonderen
Tiefenwirkung ist. Von dem lichten Hintergrunde
heben sich ein paar schwanke, nervöse Bäumchen ab,
und einige knorrige Weiden spiegeln sich mit dem
hohen Himmel in einem Wasser im Vordergrunde.
Die naßkalte Luft weht einem gleichsam aus dieser
 
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