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Altmann, Wieck und Meisler sind die Namen, —
wäre nicht ein Bild aus dem Schützengraben von
Robert Sterl, das seinen Arbeiterbildern in jeder Weise
gleicht, wären nicht endlich die Büsten einiger unserer
Heerführer von Kraus und Klinisch und die übel
heroisierte Porträtbüste Ludwig Franks von Carl Ebbings-
haus, es würde nichts an die Vorgänge draußen erinnern,
und es kann nicht anders sein, denn die Künste gehören
zu den Werken des Friedens, die ruhige Sammlung
brauchen, nicht gewaltsame Erregung.
Es könnte scheinen, als widerlege gerade die
Stimmung der jüngsten Kunst diesen Satz, und das
viel mißbrauchte Wort Expressionismus machte wohl
glauben, der Künstler brauche nichts, als sich ganz
einem Gefühl zu überlassen, das nun frei ausströme
in ein Werk. Aber für jede Kunst bedeutet das Er-
lebnis nicht mehr als eine Auslösung, und das Werk
erwächst erst in der Formung. Neue Arbeiten von
Heckel und Kirchner erweisen ein sicheres Fort-
schreiten auf der Linie dessen, was mit dem Worte
Expressionismus bezeichnet wurde. Heckeis Parksee
zumal ist eine reife und schöne Schöpfung. Im Gegen-
satz zu den etwas gewaltsamen Versuchen von Bruno
Krauskopf zeigt sie, daß auch ohne allzu bewußte
Formübersetzung ein starker und reiner Stimmungs-
ausdruck erzielt werden kann. Auch Kirchner zeigt
in zwei viel umstrittenen Bildern, daß er auf dem Wege
ist, das Formsymbol seiner ganz persönlichen Natur-
anschauung zu finden. Es wäre falsch, an solche
Bilder Forderungen heranzutragen, die ihnen in keiner
Weise gemäß sind. Man mag sie dekorativ nennen,
ohne doch damit ihren Sinn zu erschöpfen. Gewiß
besitzen sie nicht die Qualitäten von Sammlungsbildern,
die inGoldrahmen die Wände eines Salons zu schmücken
geeignet sind. Aber es sind Werke, die imstande wären,
Funktionen zu erfüllen, die in anderer Weise unserer
Zeit entsprechen. Ein modernes Kaffeehaus, ein Theater-
vorraum, der nicht mehr antike 'Mythologien oder
Allegorien einer mißverstandenen Geschichte als Wand-
bilder begehrte, fände hier die symbolhaften Dar-
stellungen des Lebens unserer Zeit.
Gewiß ist es ein weiter Weg zu solchen Werken,
wenn man von dem ehemals allein beherrschenden
Zentrum der Sezessionsausstellungen, von Liebermanns
Kunst, ausgeht, und der Weg ist ein besonders weiter,
wenn wie diesmal gerade ältere kleine Studien die Kunst
des Ehrenpräsidenten der Vereinigung repräsentieren.
Hier bedeutet der Reiz der Malerei alles, das wunder-
volle Grün in einem Hausdurchblick, das Gelb eines
Schlächterladens, das Rot im Bilde des" Papageien-
mannes wird juwelenhaft gesteigert, und es ist im
letzten Grunde sehr gleichgültig, ob alte Weiber dar-
gestellt sind oder ein Interieur oder ein strickendes
Mädchen. Wer zwei so extreme Gegensätze wie Lieber-
mann und Kirchner mit gleicher Einstellung genießen
will, muß auf Widerstände stoßen. Aber man kann
den einen lieben und den anderen verstehen, und man
muß den Willen haben, beiden Polen Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen, denn zwischen ihnen bewegt
sich das ganze Vielerlei dieser Ausstellung.
Da sind auf der einen Seite die alten Mitglieder
der Sezession wie Kardorff und die beiden Hübner,
Breyer und Fritz Rhein, Leo Klein-Diepold und Graf
Kalckreuth, die alle mit Werken ihrer bekannten Art
vertreten sind. Auf der anderen Seite gehören zu der
jüngeren Phalanx etwa Max Pechstein, der diesmal
ein wenig matt wirkt und zu dünn in der Materie
selbst neben der überzarten Kunst Otto Müllers, von
dem das Bild eines ruhenden Mädchens besonders
auffällt, oder Heinrich Heuser, der bald bei Van Gogh,
bald bei Friesz Anlehnung sucht, dessen beste Fähig-
keit aber doch wohl im Illustrativen steckt. Und
zwischen den beiden Polen findet man eine Fülle der
Erscheinungen, der mit allzu schematischer Gruppen-
ordnung ein Unrecht geschähe. Brockhusen und
Rösler machten seit langem nicht so gute Figur wie
auf dieser Ausstellung. Der Ausgleich zwischen Malerei
und Zeichnung, der für Brockhusen ein Problem zu
bedeuten scheint, ist in einigen seiner neuen Arbeiten
reiner angebahnt als bisher. Und Rösler stört den
Eindruck seiner empfindungsvollen Landschaftskunst
nicht durch mehr oder minder mißglückte Versuche
auf ihm fern liegenden Gebieten. Walter Bondy zeigt
eine neue Phase seiner wandlungsreichen Kunst. Renoir
gibt jetzt den Grundton. Und mit einer geradezu
verblüffenden. Virtuosität hat Bondy es verstanden,
sich in die neue Formensprache einzufühlen. Der
Einfluß Renoirs in weiterem Sinne macht sich auch
an anderen Stellen bemerkbar, so in der etwas weich-
lich empfindsamen Kunst des Hamburgers Ahlers-
Hestermann. Es ist wohl denkbar, daß das noch un-
ausgeschöpfte Kapital der Kunst des alten Renoir mit
der Zeit eine weitere Wirksamkeit gewinnt. Zunächst
sind die Formulierungen Cezannes noch für den
weitesten Kreis jüngerer Künstler maßgebend ge-
blieben. Und es hat sich auf dieser Grundlage ein
neuer Klassizismus entwickelt, der letzten Endes ebenso
unfruchtbar zu bleiben droht wie jeder andere. Karl
Hofer ist die bekannteste Erscheinung des Kreises.
Fritz Schulte tritt dieses Mal als neuer Name auf.
Auch die geschmackvolle Übersetzung der Kunst
Cezannes, die Friesz gegeben hat, beginnt, wie zu er-
warten war, Schule zu machen. Wir nennen nur die
beiden Bildchen des sehr begabten Ludwig Kainer.
Auch Otto Hettner muß in diese Sphäre einbezogen
werden. Seine Kunst stellt einen sehr bewußten
Eklektizismus dar, der sich in den Symbolen einer
selbstgewählten Formenwelt bewegt. Was das be-
deutet, kann ein Vergleich von Hettners Abendmahl
mit Waskes Christus auf dem See zeigen. In dem
Abendmahl eine doch nur dekorative Geste, die sich
einer gemessenen Gesamtposition einordnet, in Waskes
Bild ein Übermaß des Empfindungsausdrucks, dem
nicht nur die Einzelfigur, sondern letzten Endes auch
der Bildzusammenhang selbst zum Opfer fällt.
Es ließen sich in der plastischen Abteilung der
Ausstellung ähnliche Linien ziehen, etwa von Hilde-
brand und Gaul zu Margarete Moll, deren Büsten den
extremsten Grad einer plastischen Ausdruckskunst dar-
stellen. Wieder spürt man die Nähe des Henri Ma-
tisse, während für den eigenartigen Neuklassizismus
der Milli Steger und Renee Sintenis letzten Endes
Altmann, Wieck und Meisler sind die Namen, —
wäre nicht ein Bild aus dem Schützengraben von
Robert Sterl, das seinen Arbeiterbildern in jeder Weise
gleicht, wären nicht endlich die Büsten einiger unserer
Heerführer von Kraus und Klinisch und die übel
heroisierte Porträtbüste Ludwig Franks von Carl Ebbings-
haus, es würde nichts an die Vorgänge draußen erinnern,
und es kann nicht anders sein, denn die Künste gehören
zu den Werken des Friedens, die ruhige Sammlung
brauchen, nicht gewaltsame Erregung.
Es könnte scheinen, als widerlege gerade die
Stimmung der jüngsten Kunst diesen Satz, und das
viel mißbrauchte Wort Expressionismus machte wohl
glauben, der Künstler brauche nichts, als sich ganz
einem Gefühl zu überlassen, das nun frei ausströme
in ein Werk. Aber für jede Kunst bedeutet das Er-
lebnis nicht mehr als eine Auslösung, und das Werk
erwächst erst in der Formung. Neue Arbeiten von
Heckel und Kirchner erweisen ein sicheres Fort-
schreiten auf der Linie dessen, was mit dem Worte
Expressionismus bezeichnet wurde. Heckeis Parksee
zumal ist eine reife und schöne Schöpfung. Im Gegen-
satz zu den etwas gewaltsamen Versuchen von Bruno
Krauskopf zeigt sie, daß auch ohne allzu bewußte
Formübersetzung ein starker und reiner Stimmungs-
ausdruck erzielt werden kann. Auch Kirchner zeigt
in zwei viel umstrittenen Bildern, daß er auf dem Wege
ist, das Formsymbol seiner ganz persönlichen Natur-
anschauung zu finden. Es wäre falsch, an solche
Bilder Forderungen heranzutragen, die ihnen in keiner
Weise gemäß sind. Man mag sie dekorativ nennen,
ohne doch damit ihren Sinn zu erschöpfen. Gewiß
besitzen sie nicht die Qualitäten von Sammlungsbildern,
die inGoldrahmen die Wände eines Salons zu schmücken
geeignet sind. Aber es sind Werke, die imstande wären,
Funktionen zu erfüllen, die in anderer Weise unserer
Zeit entsprechen. Ein modernes Kaffeehaus, ein Theater-
vorraum, der nicht mehr antike 'Mythologien oder
Allegorien einer mißverstandenen Geschichte als Wand-
bilder begehrte, fände hier die symbolhaften Dar-
stellungen des Lebens unserer Zeit.
Gewiß ist es ein weiter Weg zu solchen Werken,
wenn man von dem ehemals allein beherrschenden
Zentrum der Sezessionsausstellungen, von Liebermanns
Kunst, ausgeht, und der Weg ist ein besonders weiter,
wenn wie diesmal gerade ältere kleine Studien die Kunst
des Ehrenpräsidenten der Vereinigung repräsentieren.
Hier bedeutet der Reiz der Malerei alles, das wunder-
volle Grün in einem Hausdurchblick, das Gelb eines
Schlächterladens, das Rot im Bilde des" Papageien-
mannes wird juwelenhaft gesteigert, und es ist im
letzten Grunde sehr gleichgültig, ob alte Weiber dar-
gestellt sind oder ein Interieur oder ein strickendes
Mädchen. Wer zwei so extreme Gegensätze wie Lieber-
mann und Kirchner mit gleicher Einstellung genießen
will, muß auf Widerstände stoßen. Aber man kann
den einen lieben und den anderen verstehen, und man
muß den Willen haben, beiden Polen Gerechtigkeit
widerfahren zu lassen, denn zwischen ihnen bewegt
sich das ganze Vielerlei dieser Ausstellung.
Da sind auf der einen Seite die alten Mitglieder
der Sezession wie Kardorff und die beiden Hübner,
Breyer und Fritz Rhein, Leo Klein-Diepold und Graf
Kalckreuth, die alle mit Werken ihrer bekannten Art
vertreten sind. Auf der anderen Seite gehören zu der
jüngeren Phalanx etwa Max Pechstein, der diesmal
ein wenig matt wirkt und zu dünn in der Materie
selbst neben der überzarten Kunst Otto Müllers, von
dem das Bild eines ruhenden Mädchens besonders
auffällt, oder Heinrich Heuser, der bald bei Van Gogh,
bald bei Friesz Anlehnung sucht, dessen beste Fähig-
keit aber doch wohl im Illustrativen steckt. Und
zwischen den beiden Polen findet man eine Fülle der
Erscheinungen, der mit allzu schematischer Gruppen-
ordnung ein Unrecht geschähe. Brockhusen und
Rösler machten seit langem nicht so gute Figur wie
auf dieser Ausstellung. Der Ausgleich zwischen Malerei
und Zeichnung, der für Brockhusen ein Problem zu
bedeuten scheint, ist in einigen seiner neuen Arbeiten
reiner angebahnt als bisher. Und Rösler stört den
Eindruck seiner empfindungsvollen Landschaftskunst
nicht durch mehr oder minder mißglückte Versuche
auf ihm fern liegenden Gebieten. Walter Bondy zeigt
eine neue Phase seiner wandlungsreichen Kunst. Renoir
gibt jetzt den Grundton. Und mit einer geradezu
verblüffenden. Virtuosität hat Bondy es verstanden,
sich in die neue Formensprache einzufühlen. Der
Einfluß Renoirs in weiterem Sinne macht sich auch
an anderen Stellen bemerkbar, so in der etwas weich-
lich empfindsamen Kunst des Hamburgers Ahlers-
Hestermann. Es ist wohl denkbar, daß das noch un-
ausgeschöpfte Kapital der Kunst des alten Renoir mit
der Zeit eine weitere Wirksamkeit gewinnt. Zunächst
sind die Formulierungen Cezannes noch für den
weitesten Kreis jüngerer Künstler maßgebend ge-
blieben. Und es hat sich auf dieser Grundlage ein
neuer Klassizismus entwickelt, der letzten Endes ebenso
unfruchtbar zu bleiben droht wie jeder andere. Karl
Hofer ist die bekannteste Erscheinung des Kreises.
Fritz Schulte tritt dieses Mal als neuer Name auf.
Auch die geschmackvolle Übersetzung der Kunst
Cezannes, die Friesz gegeben hat, beginnt, wie zu er-
warten war, Schule zu machen. Wir nennen nur die
beiden Bildchen des sehr begabten Ludwig Kainer.
Auch Otto Hettner muß in diese Sphäre einbezogen
werden. Seine Kunst stellt einen sehr bewußten
Eklektizismus dar, der sich in den Symbolen einer
selbstgewählten Formenwelt bewegt. Was das be-
deutet, kann ein Vergleich von Hettners Abendmahl
mit Waskes Christus auf dem See zeigen. In dem
Abendmahl eine doch nur dekorative Geste, die sich
einer gemessenen Gesamtposition einordnet, in Waskes
Bild ein Übermaß des Empfindungsausdrucks, dem
nicht nur die Einzelfigur, sondern letzten Endes auch
der Bildzusammenhang selbst zum Opfer fällt.
Es ließen sich in der plastischen Abteilung der
Ausstellung ähnliche Linien ziehen, etwa von Hilde-
brand und Gaul zu Margarete Moll, deren Büsten den
extremsten Grad einer plastischen Ausdruckskunst dar-
stellen. Wieder spürt man die Nähe des Henri Ma-
tisse, während für den eigenartigen Neuklassizismus
der Milli Steger und Renee Sintenis letzten Endes