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Wettbewerbe — Ausstellungen
208
»Rhythmik romanischer Innenräume in der Normandie«, so-
wie der im Verlage von Langewiesche erschienenen Ver-
öffentlichungen »Deutsche Dome« und »Deutscher Barock«.
WETTBEWERBE
Die Stadt Spandau beabsichtigt, das alte Rathaus und
die zugehörigen Gebäude abzubrechen und das freiwerdende
Gelände zur Bebauung zu veräußern. Für die Aufteilung
und Ausbeutung wird ein Wettbewerb ausgeschrieben
unter Bewerbern, die in der Provinz Brandenburg ansässig
sind. Drei Preise von 1000, 600 und 400 Mark kommen
zur Verteilung; Einlieferungstermin ist der 16. April.
Für die Anordnung und Umgestaltung eines Vorplatzes
vor dem neuen Rathaus wird ein Wettbewerb zur Er-
langung von Entwürfen ausgeschrieben unter Bewerbern, die
in der Provinz Brandenburg ansässig sind. Vier Preise von
2000, 1200, 800 und 500 Mark sollen zur Verteilung kommen.
AUSSTELLUNGEN
Schmidt-RottluffsAusstellung im Leipziger Kunst-
verein. Im Kunstverein zu Leipzig ist Schmidt-Rottluff
mit einer größeren Anzahl von graphischen Blättern ver-
treten. Die Ausstellung umfaßt eine Zeitspanne von sieben
Jahren, Lithographien aus dem Jahr 1908 stehen zu Beginn,
Holzschnitte von 1915 am Ende der Reihe. Es ist nur
eine kleine Lese und Auswahl aus dem innerhalb dieser
Zeit Geschaffenen, doch vermag sie eine Vorstellung von
der Welt des Künstlers in ihrer besonderen Struktur zu
geben. Betrachtet man die Ausstellung als ein Ganzes, so
ist ersichtlich, daß es in Schmidt-Rottluffs Entwicklung trotz
der im Laufe der Jahre wechselnden Formensprache keine
Sprünge gibt. Alles greift organisch ineinander; es ist
ein ruhiges Sichauswachsen zu immer größerer Strenge,
das was latent und im Keime in früheren Blättern schlummert,
schließt sich mit gesteigerter Eindringlichkeit in den Kompo-
sitionen von 1915 zu einem Ganzen zusammen. Steht der
Künstler um 1908 — so in dem Bildnis von Dr. W. (Litho-
graphie) — der Natur noch näher, so werden im Laufe
der Jahre die Dinge immer mehr entmaterialisiert, des Zu-
fälligen der Erscheinung entkleidet, in ihrer Gesetzmäßig-
keit bloßgelegt. Immer reiner wird die Empfindung ge-
staltet, immer tiefer offenbart sich das Wesen der Dinge,
immer machtvoller schwingt der Kontur. Diesem Ent-
materialisierungsprozeß widersetzen sich weder Landschaft
noch Bildnis oder Akt. Streng wird die Fläche aufgeteilt,
eine Bewegung verlangt nach einer Gegenbewegung, das
Liniengefüge greift unverrückbar ineinander, und die Kompo-
sition erhält eine feste innere Struktur. Nicht nach äußerer
Schönheit, nach Oberflächendasein und Sinnenreiz strebt
diese Kunst, sie kommt dem Beschauer nicht entgegen, in-
dem sie ihn in liebenswürdig gefälliger Weise umschmeichelt,
aber sie atmet Gesetzmäßigkeit, Geschlossenheit, Größe.
Ströme von Kraft dringen auf uns ein, die Vision, das was
jenseits des Sichtbaren schlummert, wird unser Herr. Die
Empfindung schafft sich den ihr adäquaten Ausdruck, und
der Künstler ist völlig Meister seiner Mittel, ob er sich der
Lithographie mit ihrem schimmernden Reichtum bedient
oder der schärfer ziselierenden Radierung, in der etwas
vom metallischen Glanz der Platte nachwirkt. Am spätesten
— 1909 — ist Schmidt-Rottluff zum Holzschnitt gekommen,
doch kommt diese Ausdrucksform, die wie keine andere
graphische Technik zum Stil drängt, seiner Art am meisten
entgegen. Die Verteilung von Schwarz und Weiß wechselt,
zaghafter zu Beginn, werden um 1911 große, scharf kon-
lurierte Flächen gegeneinander abgesetzt. Ein Jahr später
tritt etwas Strahlendes in die Behandlung des Holzschnittes,
alles wird in lebendige Aktivität umgesetzt, eine neue Welt
von Künstlers Gnaden ringt sich aus dem Chaos los. —
Schmidt-Rottluffs Schaffen umspannt den ganzen Bereich
des Sichtbaren, und weil es sich immer wieder um Ge-
staltung eines inneren Erlebnisses handelt, ist es völlig frei
von Schematismus und Routine. Betrachtet man eine seiner
Bildnisserien, so gleicht nicht ein Kopf dem andern. Wie
eine Mundlinie gezogen, wie ein Auge in den Kopf ein-
gebettet, wie die Fläche aufgeteilt wird — das Problem
wird stets neu gestellt, und nie genügt dem Künstler bloßer
Oberflächenreiz. Das Wesen der Menschen, das was sich
hinter Stirn und Augen verbirgt und sie geformt hat, ein-
zufangen, reizt ihn immer wieder. Akte ziehen an uns
vorbei, beladen mit Schwermut, erfüllt von jenem tiefen
Grauen der Kreatur, daß wir alle einsam und ausgestoßen
sind, daß keine Brücke von Mensch zu Mensch führt, oder
über das Leben triumphierend, dessen sie Herr geworden,
monumental thronend in stolzer Fülle, mit unendlicher
Weichheit und Süße den Kopf neigend, ruhend und bewegt,
einzeln oder zu Kompositionen zusammengeschlossen wie
jene drei Frauen, die etwas Feierlich-Beschwörendes haben
und vor unbekannten Mächten knien. Blütengleich tauchen
Gestalten aus dem Waldesdunkel, die Landschaft, in der
sie sich bewegen, atmet die gleiche Größe, und in Blättern
wie der Frau am Meer steigt etwas vom Urlaut der Schöp-
fung auf, etwas Kosmisches, Mensch und Natur bilden
einen Zusammenklang, eine große Einheit. In unseren
Adern kreist der Saft, der im Baum aufsteigt, uns finden
wir wieder im Wolkenzug und Wellenspiel. — Es ist selt-
sam genug, daß man dieser Kunst, die aus der Mystik,
dem Nährboden aller großen Kunst, schöpft, Brutalität vor-
wirft, Gewaltsamkeiten und Brutalität empfindet, wo alles
auf strenger Gestaltung und Gesetzmäßigkeit beruht. Ein-
wände, die von jenen erhoben wurden, die sich dem "Sinn
unserer Zeit verschließen und nicht begreifen, daß Kunst
nichts anderes ist als ein leidenschaftliches geheimnisvolles
Sichauseinanderselzen jeder Generation mit den letzten
Fragen des Seins. Die uralte Frage nach Sinn und Zweck
des Lebens, nach Warum und Wozu stellt jede Generation
aufs neue und sucht sie auf ihre Art zu lösen. Der Künstler
findet die Antwort auf das was unbewußt in Seele und
Geist vieler schwingt, je größer er selbst ist, je mehr er
die Grenzen seines Ichs geweitet hat, ein neuer Faust zu
»den Müttern« hinabgestiegen ist, desto umfassender und
tiefgründiger wird sie sein und sich in eben dem Maße
von allem Bisherigen unterscheiden, da er seine Deutung
des Lebens nur in seiner eignen Sprache künden kann.
Dr. Rosa Schapire.
Die Ausstellung »Der Krieg in drei Jahrhunderten
im Beuth-Schinkel-Museum der Berliner Technischen Hoch-
schule, die durch Vorträge des Vorstehers Geh. Rat Prof.
Dr. Max Georg Zimmermann in der Aula, u. a. in vier-
maliger Wiederholung für die Schüler und Schülerinnen
der oberen Klassen der höheren Lehranstalten Groß-Berlins
erläutert wurde, erfreut sich nach wie vor lebhaften Be-
suches. Sie muß jedoch, um einer neuen, ebenfalls auf
den Krieg bezüglichen Ausstellung Platz zu machen, Ende
Februar geschlossen werden. Bis dahin ist sie täglich, mit
Ausnahme von Sonnabend, von 10—3 Uhr, Sonntags von
10—1 Uhr geöffnet.
Inhalt: Die zweite Ausstellung der Freien Sezession in Berlin. Von Curt Glaser. — Oskar Zwintscher f. — Personalien. — Wettbewerb der
Stadt Spandau für das alte und neue Rathaus. — Ausstellungen in Leipzig und Berlin.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
Wettbewerbe — Ausstellungen
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»Rhythmik romanischer Innenräume in der Normandie«, so-
wie der im Verlage von Langewiesche erschienenen Ver-
öffentlichungen »Deutsche Dome« und »Deutscher Barock«.
WETTBEWERBE
Die Stadt Spandau beabsichtigt, das alte Rathaus und
die zugehörigen Gebäude abzubrechen und das freiwerdende
Gelände zur Bebauung zu veräußern. Für die Aufteilung
und Ausbeutung wird ein Wettbewerb ausgeschrieben
unter Bewerbern, die in der Provinz Brandenburg ansässig
sind. Drei Preise von 1000, 600 und 400 Mark kommen
zur Verteilung; Einlieferungstermin ist der 16. April.
Für die Anordnung und Umgestaltung eines Vorplatzes
vor dem neuen Rathaus wird ein Wettbewerb zur Er-
langung von Entwürfen ausgeschrieben unter Bewerbern, die
in der Provinz Brandenburg ansässig sind. Vier Preise von
2000, 1200, 800 und 500 Mark sollen zur Verteilung kommen.
AUSSTELLUNGEN
Schmidt-RottluffsAusstellung im Leipziger Kunst-
verein. Im Kunstverein zu Leipzig ist Schmidt-Rottluff
mit einer größeren Anzahl von graphischen Blättern ver-
treten. Die Ausstellung umfaßt eine Zeitspanne von sieben
Jahren, Lithographien aus dem Jahr 1908 stehen zu Beginn,
Holzschnitte von 1915 am Ende der Reihe. Es ist nur
eine kleine Lese und Auswahl aus dem innerhalb dieser
Zeit Geschaffenen, doch vermag sie eine Vorstellung von
der Welt des Künstlers in ihrer besonderen Struktur zu
geben. Betrachtet man die Ausstellung als ein Ganzes, so
ist ersichtlich, daß es in Schmidt-Rottluffs Entwicklung trotz
der im Laufe der Jahre wechselnden Formensprache keine
Sprünge gibt. Alles greift organisch ineinander; es ist
ein ruhiges Sichauswachsen zu immer größerer Strenge,
das was latent und im Keime in früheren Blättern schlummert,
schließt sich mit gesteigerter Eindringlichkeit in den Kompo-
sitionen von 1915 zu einem Ganzen zusammen. Steht der
Künstler um 1908 — so in dem Bildnis von Dr. W. (Litho-
graphie) — der Natur noch näher, so werden im Laufe
der Jahre die Dinge immer mehr entmaterialisiert, des Zu-
fälligen der Erscheinung entkleidet, in ihrer Gesetzmäßig-
keit bloßgelegt. Immer reiner wird die Empfindung ge-
staltet, immer tiefer offenbart sich das Wesen der Dinge,
immer machtvoller schwingt der Kontur. Diesem Ent-
materialisierungsprozeß widersetzen sich weder Landschaft
noch Bildnis oder Akt. Streng wird die Fläche aufgeteilt,
eine Bewegung verlangt nach einer Gegenbewegung, das
Liniengefüge greift unverrückbar ineinander, und die Kompo-
sition erhält eine feste innere Struktur. Nicht nach äußerer
Schönheit, nach Oberflächendasein und Sinnenreiz strebt
diese Kunst, sie kommt dem Beschauer nicht entgegen, in-
dem sie ihn in liebenswürdig gefälliger Weise umschmeichelt,
aber sie atmet Gesetzmäßigkeit, Geschlossenheit, Größe.
Ströme von Kraft dringen auf uns ein, die Vision, das was
jenseits des Sichtbaren schlummert, wird unser Herr. Die
Empfindung schafft sich den ihr adäquaten Ausdruck, und
der Künstler ist völlig Meister seiner Mittel, ob er sich der
Lithographie mit ihrem schimmernden Reichtum bedient
oder der schärfer ziselierenden Radierung, in der etwas
vom metallischen Glanz der Platte nachwirkt. Am spätesten
— 1909 — ist Schmidt-Rottluff zum Holzschnitt gekommen,
doch kommt diese Ausdrucksform, die wie keine andere
graphische Technik zum Stil drängt, seiner Art am meisten
entgegen. Die Verteilung von Schwarz und Weiß wechselt,
zaghafter zu Beginn, werden um 1911 große, scharf kon-
lurierte Flächen gegeneinander abgesetzt. Ein Jahr später
tritt etwas Strahlendes in die Behandlung des Holzschnittes,
alles wird in lebendige Aktivität umgesetzt, eine neue Welt
von Künstlers Gnaden ringt sich aus dem Chaos los. —
Schmidt-Rottluffs Schaffen umspannt den ganzen Bereich
des Sichtbaren, und weil es sich immer wieder um Ge-
staltung eines inneren Erlebnisses handelt, ist es völlig frei
von Schematismus und Routine. Betrachtet man eine seiner
Bildnisserien, so gleicht nicht ein Kopf dem andern. Wie
eine Mundlinie gezogen, wie ein Auge in den Kopf ein-
gebettet, wie die Fläche aufgeteilt wird — das Problem
wird stets neu gestellt, und nie genügt dem Künstler bloßer
Oberflächenreiz. Das Wesen der Menschen, das was sich
hinter Stirn und Augen verbirgt und sie geformt hat, ein-
zufangen, reizt ihn immer wieder. Akte ziehen an uns
vorbei, beladen mit Schwermut, erfüllt von jenem tiefen
Grauen der Kreatur, daß wir alle einsam und ausgestoßen
sind, daß keine Brücke von Mensch zu Mensch führt, oder
über das Leben triumphierend, dessen sie Herr geworden,
monumental thronend in stolzer Fülle, mit unendlicher
Weichheit und Süße den Kopf neigend, ruhend und bewegt,
einzeln oder zu Kompositionen zusammengeschlossen wie
jene drei Frauen, die etwas Feierlich-Beschwörendes haben
und vor unbekannten Mächten knien. Blütengleich tauchen
Gestalten aus dem Waldesdunkel, die Landschaft, in der
sie sich bewegen, atmet die gleiche Größe, und in Blättern
wie der Frau am Meer steigt etwas vom Urlaut der Schöp-
fung auf, etwas Kosmisches, Mensch und Natur bilden
einen Zusammenklang, eine große Einheit. In unseren
Adern kreist der Saft, der im Baum aufsteigt, uns finden
wir wieder im Wolkenzug und Wellenspiel. — Es ist selt-
sam genug, daß man dieser Kunst, die aus der Mystik,
dem Nährboden aller großen Kunst, schöpft, Brutalität vor-
wirft, Gewaltsamkeiten und Brutalität empfindet, wo alles
auf strenger Gestaltung und Gesetzmäßigkeit beruht. Ein-
wände, die von jenen erhoben wurden, die sich dem "Sinn
unserer Zeit verschließen und nicht begreifen, daß Kunst
nichts anderes ist als ein leidenschaftliches geheimnisvolles
Sichauseinanderselzen jeder Generation mit den letzten
Fragen des Seins. Die uralte Frage nach Sinn und Zweck
des Lebens, nach Warum und Wozu stellt jede Generation
aufs neue und sucht sie auf ihre Art zu lösen. Der Künstler
findet die Antwort auf das was unbewußt in Seele und
Geist vieler schwingt, je größer er selbst ist, je mehr er
die Grenzen seines Ichs geweitet hat, ein neuer Faust zu
»den Müttern« hinabgestiegen ist, desto umfassender und
tiefgründiger wird sie sein und sich in eben dem Maße
von allem Bisherigen unterscheiden, da er seine Deutung
des Lebens nur in seiner eignen Sprache künden kann.
Dr. Rosa Schapire.
Die Ausstellung »Der Krieg in drei Jahrhunderten
im Beuth-Schinkel-Museum der Berliner Technischen Hoch-
schule, die durch Vorträge des Vorstehers Geh. Rat Prof.
Dr. Max Georg Zimmermann in der Aula, u. a. in vier-
maliger Wiederholung für die Schüler und Schülerinnen
der oberen Klassen der höheren Lehranstalten Groß-Berlins
erläutert wurde, erfreut sich nach wie vor lebhaften Be-
suches. Sie muß jedoch, um einer neuen, ebenfalls auf
den Krieg bezüglichen Ausstellung Platz zu machen, Ende
Februar geschlossen werden. Bis dahin ist sie täglich, mit
Ausnahme von Sonnabend, von 10—3 Uhr, Sonntags von
10—1 Uhr geöffnet.
Inhalt: Die zweite Ausstellung der Freien Sezession in Berlin. Von Curt Glaser. — Oskar Zwintscher f. — Personalien. — Wettbewerb der
Stadt Spandau für das alte und neue Rathaus. — Ausstellungen in Leipzig und Berlin.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig