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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Huebner, Friedrich Markus: Das jetzige Kunstleben in Brüssel
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0133

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253

Personalien

254

Farben glühen wie Weihrauch, den durch bunte Kirchen-
fenster die Sonne färbt; Zeichnung und Raumgestaltung
zeugen von entschiedener Meisterschaft. Kühl und
herb, an gewisse Maler der deutschen Schweiz erinnernd,
sind die Stilleben von Louis Thevenet, unruhig,
sachlich aber sehr sinnfällig die Park- und Schnee-
landschaften des schon genannten Jean Frison.
Von Leandre Grandmoulin sieht man zwei tüch-
tige und eigenartige Porträt-Plastiken, von JamesEnsor
ein paar gezeichnete und leicht nächkolorierte Blätter
mit Teufels- und Menschengrimassen, von Constantin
Meunier schließlich sind drei Ölbilder kleinen For-
mats aus seiner früheren Zeit ausgestellt, wohl weil
ihr Besitzer durch den Krieg in Bedrängnis geraten ist.

Neben diesen größeren Ausstellungen kann man
allenthalben im Lande kleinere und flüchtigere Unter-
nehmungen kennen lernen: so hat in Brüssel der
Club »L'Eveil« eine Schau veranstaltet, die leider
durch Brand zerstört wurde, in Anderlecht hat es
eine Ausstellung gegeben, die mit einer Lotterie ver-
bunden war, in Gent traten Rodolphe de Saeger,
Oskar Coddron, Carolus Tremerie und Char-
les van Belle gemeinsam vor das Publikum mit
Ölbildern, Bildhauerarbeiten und Radierungen.

Für diese Ausstellungen insgesamt gilt, daß von
den Künstlern Motive gewählt wurden, die für alle
Zeiten gelten, von der heutigen Zeit aber nichts bringen.
Der Krieg scheint in diesen Ausstellungsräumen gar
nicht zu existieren. Auch innerhalb der Arbeiten, der
Techniken, Gruppen und Geschmacksmeinungen fehlt
der Kampf und die Aufstellung von bestimmten Ent-
wicklungszielen. Bei den Belgiern, die ins Ausland
geflüchtet sind, scheint es ähnlich zu stehen. Wenig-
stens ersieht man es aus dem Berichte des Flücht-
lingsblatts »Echo Beige« über die in Vlissingen
am 12. März eröffnete Ausstellung belgischer Malerei,
daß auch dort Mondaufgänge (Vierin), alte Stadt-
und Gassenansichten (Bossiers), Seestücke (Gerard
Jakobs), Stilleben (Vaes), Charakterköpfe (Heymans)
und andere neutrale Gegenstände überwiegen. Wie
auch sollten die Belgier den Krieg schildern, wo sie
ihn ja nicht als Großheit und Weltschicksal, sondern
als nur allzu irdischen Haß und als Wut erleben; der
Holländer Raemaekers drückt das in seinen er-
schreckenden Karikaturen aus; aber hier verstummt
die Kunst und verhüllt ihr Haupt.

Bei dieser Sachlage hat es denn eine reizende Ironie,
wenn dasselbe »Echo Beige« die belgische Kunst weit
über die deutsche stellt: »Man sagte, Deutschland
nähme auf dem Gebiete der Kunstfortschritte eine
schätzbare Höhe ein; dank einigen großen Künstlern,
die Weltruf erlangt haben, sucht die deutsche Malerei
eine liebenswürdige und verführerische Form zu er-
reichen, arbeitet aber immer nur mit tötlicher Schwer-
fälligkeit die alten Geschichten wieder auf. Die neuen,
sezessionistischen Richtungen wurden in Deutschland
niemals verstanden; das Publikum interessiert sich hier
nur für die ödeste Buchgelehrsamkeit. Die offizielle
deutsche Kunst hält sich im rein Akademischen und
Bäuerischen.«

Solche Meinungen haben wir zwar durch den

Hinweis auf das heimische Kunstschaffen und die
Bewältigung des Problems: »Der Krieg« nicht nötig
zu entkräften, aber die »Ausstellung deutscher Graphik«,
welche vom Deutschen Buchgewerbeverein Dezember
1915 bis Januar 1916 in Brüssel veranstaltet wurde,
war doch eine prinzipielle und unwiderlegbare Ant-
wort. Die Ausstellung, die eine erlesene Auswahl
der auf der Bugra gezeigten Schätze darstellte, zeigte
schlagend die zwei großen Rassengegensätze: Uns
Deutschen wird alles, auch noch die Form, zu tiefem
Zweifel und Nachdenken, den Belgier - Franzosen
alles, auch noch der Inhalt, zu Selbstverständlichkeit
und genießender Spielerei. Glaubt man, daß in der
Kunst die Rassen sich versöhnen? Oder wird nicht
auf diesem Boden derselbe Kampf gekämpft, genau
so unerbittlich, nur geistiger, nur verborgener?
Brüssel FRIEDRICH M. HUEBNER

PERSONALIEN

Zum Stadtbaurat von Dresden, als Nachfolger Hans
Erlweins, wurde soeben Prof. Hans Poelzig, Direktor der
Breslauer Akademie für Kunst und Kunstgewerbe, gewählt.
Die Wahl darf als sehr glücklich bezeichnet werden. Poelzig
ist 1869 in Berlin geboren, hat das Gymnasium durch-
gemacht und dann an der Technischen Hochschule zu Berlin
Architektur studiert. Er war dann im Ministerium für
öffentliche Arbeiten zu Berlin als Regierungsbaumeister
tätig. Im Jahre 1900 wurde er Lehrer für Architektur an
der Kunstschule zu Breslau; 1903 übernahm er die Leitung
dieser Anstalt, die 1912 zur Königl. Akademie für Kunst
und Kunstgewerbe erhoben wurde. Durch sein künstle-
risches Schaffen als Architekt hat sich Poelzig rasch einen
angesehenen Namen gemacht. Im Jahre 1904 bereits er-
regte er die Aufmerksamkeit durch ein Einfamilienhaus in
der Breslauer Handwerks- und Kunstgewerbe-Ausstellung,
weiter errichtete er in Breslau eine ganze vornehme Wohn-
straße nach eigenen Plänen, dann schuf er die Gebäude
für die historische Ausstellung, für die Gartenbau-Ausstel-
lung, für die Ausstellung des Künstlerbundes Schlesien,
sowie die Pergola mit der Teichanlage für die Breslauer
Jahrhundert-Ausstellung 1913. Ebenso wie durch diese
Bauwerke, die durchweg künstlerisch modern empfunden
sind, hat sich Poelzig bei der Ausbildung moderner Formen
für industrielle Bauten hervorgetan. Hierfür zeugen die
Gebäude für die chemische Fabrik in Lüben bei Posen,
der Wasserturm in Posen, die Hochbauten für die Rybniker
Kohlengewerkschaft in Oberschlesien. Eine feinfühlige
Leistung im Sinne der Städtebaukunst ist Poelzigs Rathaus
in Löwenberg, das so trefflich in das alte Städtebild ein-
gefügt ist. Als eine selbständige bedeutende Lösung der
Aufgabe wurde allgemein Poelzigs Entwurf für das Berliner
Opernhaus anerkannt; im Wettbewerb für die Klingen-
berger Talsperre (bei Dresden) erhielt er den ersten Preis;
der Entwurf zeigte — nach dem Urteil der Preisrichter —
»ein großzügiges, eigenartiges, den Widerstand gegen die
elementare Kraft des Werkes kennzeichnendes Motiv, und
dieses Motiv war aus der Gestaltung der Mauer selbst
entwickelt, ohne daß dazu ein als eigenes kleines Bau-
werk sich absondernder Aufbau nötig wurde; das Motiv
paßte sich auch dem am Orte gefundenen Baustein sehr
gut an.« Nach der gesamten bisherigen Tätigkeit Poelzigs
darf man erwarten, daß er das städtische Bauwesen Dresdens
tatkräftig mit künstlerischem und wirtschaftlichem Ernst ver-
walten wird. Bei der Abstimmung im Dresdner Stadt-
verordnetenkollegium erhielt er 59 von 67 Stimmen.
 
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