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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0146

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Vermischtes

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begegnen auch solche mit dem Namen eines »Johannes Rat-
tinger«, der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts archi-
valisch und durch erhaltene tüchtige Hafnerarbeiten in
Straubing beglaubigt ist. Von Wichtigkeit erscheint, daß
auch das glänzendste Beispiel einer Terrakottaarchitektur in
Norddeutschland, der Fürstenhof in Wismar, in engster Be-
ziehungzu Bayern und dem Donautal steht, insofern als Erhard
Altdorfer, der Bruder des Malers und Stadtbaumeisters
Albrecht Altdorfer, in Regensburg 1550 als Baumeister des
Fürstenhofes genannt wird. Es besteht die Möglichkeit, ja
die Wahrscheinlichkeit, daß Erhard Altdorfer auch der Archi-
tekt der beiden Säle auf Schloß Neuburg am Inn ist.

Herr Reisinger legte antike Prachtfibeln aus Mün-
chener Privatbesitz vor, darunter eine interessante Grab-
ausstattung geometrischer Periode. Sie besteht aus zwei
ungewöhnlich großen Fibeln (jede 210 g schwer) und zwei
Armbändern; nur das Britische Museum (Catal. of Bronzes
Nr. 3204 und 3205) und das Berliner Museum (Arch. An-
zeiger 1884 S. 116) besitzen gleichartige Stücke. Der halb-
mondförmig ausgehämmerte Bügel zeigt auf beiden Seiten
feine Gravierungen. In der Mitte erscheint auf allen vier
Seiten eine durch sich schneidende Kreisbögen konstruierte
Rosette. Links und rechts davon begegnen Schiffe mit
Kriegern, Krieger auf Gespannen, ein Schiff, in dem ein
Pferd transportiert wird, eine Stute, die ihr Junges säugt,
ein Hakenkreuz, sowie Vögel, Fische und Schlange als
Füllmuster. Die Armbänder endigen in Schlangenköpfe;
die Gravierung des breiten Bandes zeigt Schlangen, Fische
und Hakenkreuze. Die Funde sind in Athen erworben,
stammen aber wahrscheinlich aus einem böotischen Grab.

Den gewöhnlichen Fibeltypus der geometrischen Zeit,
die sog. Dipylonfibel mit stark verbreiterter Fußplatte und
geschwelltem Bügel, erläuterte der Vortragende an einem
Exemplar des Münchener Antiquariums; auf der einen Seite
der Fußplatte steht ein Pferd an einem Dreifuß, auf der anderen
ein Tier mit seinem Jungen. Das Stück muß mit dem von
Montelius (Vorklassische Chronologie Italiens S. 160, Abb. 375
und 377) im Kunsthandel gezeichneten identisch sein.

Nach Vorlegung mehrerer durch Größe und Ausfüh-
rung hervorragender Fibeln der älteren italischen Eisenzeit
zeigt der Vortragende vier Goldfibeln aus Gräbern in der
Gegend von Cumae, technisch wie künstlerisch feine Ar-
beiten griechischer Hand. Der doppelkonisch geformte,
mit Ranken oder aufgelöteten Rosetten verzierte Bügel
endet in eine horizontale, mit Palmetten und Eierstab ge-
schmückte Fußplatte für die Aufnahme der doppelspiraligen
Nadel; am Fußende sitzt ein verzierter Knopf, abgeschlossen
durch eine aus Golddraht gebildete Rosette. Ähnliche von
Gäbrici in Monumenti dei Lincei XXII veröffentlichte Fibeln
wurden in Grab 126 und 157 zusammen mit Terrakotten
und Vasen gefunden, welche eine Datierung der Fibeln
frühestens ins 4. Jahrhundert vor Chr. erlauben.

Herr Wolters teilte zunächst einen zuverlässigen Be-
richt über den jüngsten, mehrfach in der Presse erwähnten
Goldfund von Tiryns mit und legte Photographien der
beiden dazu gehörigen Goldringe vor. Bei der Erläute-
rung des größeren, mit tiergestaltigen Dämonen vor einer
Gottheit geschmückten, wies er auf ein gleichzeitiges Denk-
mal im Besitz des Herrn James Loeb hin, einen kleinen
Zylinder, der in der Nähe der Kuppelgräber von Kako-
vatos aufgelesen wurde. Er zeigt einen aufgerichteten
Löwen, von einem Manne mit dem Schwert angegriffen.
Hinter dem Jäger steht wieder einer der tiergestaltigen
Dämonen, offenbar nicht in feindlicher Absicht.

Sodann legte Wolters den Probedruck einer Tafel vor,
die demnächst in den Denkmälern des Archäologischen

Instituts erscheinen'wird, eine neue, von E. Gillieron ge-
zeichnete Aufnahme der Stele des Lyseas, deren für die
ältere griechische Malerei wichtigen Reste hier in besonders
großem Maßstab aufgezeichnet, nun eine ziemlich sichere
Herstellung des einstigen Zustandes dieses Marmorge-
mäldes erlauben.

Endlich wies der Vortragende auf eine gewisse Un-
klarheit hin, die sich in den Vorstellungen über Polygnot
mitunter fühlbar mache, da, vor allem nach Roberts Dar-
legungen, über die Anordnung der Figuren im Bildfeld
kein Zweifel mehr besteht, nun aber Vasen, die eine
solche Anordnung zeigen, ohne Rücksicht auf ihre beson-
dere Formgebung gerne mit Polygnot in eine, wenn auch
lockere Beziehung gebracht werden. Die große Neuerung
der polygnotischen Komposition wirkte aber weit über
seine Lebenszeit hinaus. Abgesehen von den in der Technik
der Keramik und ihrem schwarzen Hintergrund begrün-
deten notwendigen starken Abweichungen der Vasen von
der hellen uud bunten Wandmalerei (vgl. R. Schöne im
Jahrbuch des Instituts 1893 S. 187) werden wir einen sich
mit der selbständigen Weiterentwicklung der Keramik
immer vergrößernden Abstand ihrer Produkte von den sie
einst stark beeinflussenden polygnotischen Werken voraus-
setzen müssen. Die jüngeren Vasen werden deshalb immer
weniger geeignet, unsere Anschauung zu beleben. Wir
müssen von vornherein die Vasen, welche die polygno-
tischen Anregungen schon bis zu einer eigenen, glatten
und reifen Formsprache verarbeitet haben (wie gar die Mei-
dias-Vase), ausschalten, wenn wir nach den Ausdrucks-
mitteln Polygnots fragen. Ein so übermächtiger künstle-
rischer Einfluß konnte von dem Handwerk nur mit Müh-
sal und Ungeschick aufgenommen und langsam verarbeitet
werden. Die unmittelbar von Polygnot beeinflußten Ge-
fäße müssen Fremdartiges, aus der einfachen keramischen
Entwicklung nicht Erklärbares, Ungeschicktes aufweisen,
und gerade diese auffälligen Elemente dürfen und müssen
wir auf Polygnot beziehen. Solche Elemente finden wir
nun nicht nur im Niobidenkrater (Furtwängler-Reichhold,
Taf. 108), sondern auch in den beiden Vasen in New-York
(dort Taf. 116-119), deren Bedeutung für diese Frage
Hauser ins rechte Licht gesetzt hat. Sie zwingen zu der
Annahme, daß Polygnot, namentlich in den Bewegungen,
eine auf eigenster reicher Beobachtung beruhende Formen-
sprache verwendet, die sich nicht mit den in langer vor-
ausgegangener Arbeit erreichten, abgeklärten und formal
völlig abgerundeten Motiven seiner Vorgänger begnügte.
Auch die literarisch wie durch diese Denkmäler bezeugte
charakteristischere und ausdrucksvollere Gestaltung der
Physiognomie ,führt zu ähnlicher Vorstellung von diesem
7i®oy(>dtpos (Aristoteles). Darnach kann ein in den reifen,
festen Formen der attischen Überlieferung sich bewegendes
Werk wie der Freiermord in Berlin (Furtwängler-Reich-
hold, Taf. 138) nicht eigentlich polygnotisch genannt werden,
ebensowenig wie seine Wiederholung in Gjölbaschi, und
noch viel weniger werden wir uns entschließen können,
Polygnot in die attische Entwicklung einzuordnen, deren
Höhepunkt wir in den Parthenongiebeln bewundern (Jahr-
buch des Instituts 1915 S. 95).

VERMISCHTES

Dr. Karl Schwarz in Berlin W.30, Aschaffenburgerstr. 20,
bittet alle Besitzer Corinthscher Blätter, ihn durch Mit-
teilung über Probedrucke und einzelne seltene Blätter zu
unterstützen und so an der möglichsten Vollständigkeit einer
groß angelegten Veröffentlichung mitzuwirken, die er über
das gesamte graphische Werk Corinths plant.

Inhalt: Urkundliches über Hans Holbein d. Ä. Von Glaser. — Oskar Beyer t- — Personalien. — Wettbewerb für Entwürfe zur Erbauung der
Straße des 18. Oktober in Leipzig. — Ausstellungen in Berlin und Mannheim. — Das Lübeoker Dom-Museum. — Kunstwissenschaftliche
Gesellschaft in München. — Probedrucke Corinthscher Blätter.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
 
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