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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Die Frühjahrsausstellung der Berliner Sezession
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVII. Jahrgang 1915/1916 Nr. 32. 5. Mai 1916

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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DIE FRÜHJAHRSAUSSTELLUNO DER
BERLINER SEZESSION

Die »Berliner Sezession« hat kurz nach der »Freien«,
von deren Schwarz-Weiß-Ausstellung unlängst an dieser
Stelle ausführlich die Rede gewesen ist, ihre Frühjahrs-
Ausstellung eröffnet, und das Programm beider Ver-
anstaltungen ist so ähnlich, daß ein vergleichender
Blick vom einen zum anderen Hause sich kaum ver-
meiden läßt. Hier wie dort zeichnende Künste im
weitesten Sinne, dieselben Künstler sogar unter den
Karikaturisten, Oberländer und die Leute vom Sim-
plizissimus mit dem verstorbenen Rudolf Wilke an
der Spitze, dazu einzelne Werke der Wandmalerei
und endlich eine auffallend starke Vertretung der
Plastik. Aber so viel im einzelnen gegen die Ver-
anstaltung der Freien Sezession eingewandt werden
mag, man spürt es doppelt gerade im Vergleiche,
wie sehr sie als Ganzes verdient, eine Musterleistung
der Ausstellungstechnik genannt zu werden. Auch
die Berliner Sezession versucht, sich durch Gruppen-
bildung vor dem Eindruck der Uferlosigkeit zu retten,
und sie gab einer Reihe von Künstlern Raum, eine
größere Zahl von Werken im Zusammenhang zu
zeigen. Aber man sieht, daß es damit allein nicht getan
ist. Es bleiben kleine Haufen, die doch wieder ein-
ander drängen. Man vermißt die wohltuende Ruhe,
die allein Struktur und Organisation mitzuteilen ver-
mögen. In gut gehängten Räumen wird der Eindruck
des einzelnen Werkes durch seine Umgebung ge-
steigert, während im Gegenteil die peinliche Wirkung
des Chaos sich schließlich jedem Blatte mitteilt. Überall
empfindet man das Zuviel. Weniger hätte genügt
und wäre besser gewesen. Das gilt von jeder der
kleinen Kollektivausstellungen, die im wesentlichen die
Wände und Einbauten des Hauptraumes füllen, von
den geschmackvollen Farbenspielen Erich Klossowskis
wie den Musikerstudien Eugen Spiros, den Ballett-
und Kriegsradierungen Ernst Opplers und den Groß-
stadtzeichnungen Paul Paeschkes, den Tierblättern Adolf
Hersteins wie den technisch gewandten Arbeiten von
Robert Scholtz, um nur ein paar Namen zu nennen,
denen andere wie Hans Gerson, Heckendorf, Jäckel,
Büttner, Struck, Pottner, Linde-Waither ebenso angereiht
werden könnten. Die Ausstellung gibt kaum Anlaß,
auf die bekannte Art der Künstler von neuem einzu-
gehen. Auch die kleine schwedische Abteilung bringt
im wesentlichen Bekanntes, so ein paar Radierungen
von Zorn, die weit über das Niveau des übrigen
hinausragen, dazu Blätter von Larsson, und als weniger
bekannter Name sei nur Torsten Schonberg notiert,
dessen kräftige Radierungen am ehesten den Arbeiten
des Norwegers Werenskiold vergleichbar sind.

Das wichtigste Werk, dessen Bekanntschaft die
Ausstellung vermittelt, sind die Wandgemälde von
Lovis Corinth, die nicht eben günstig in einem
kleinen Räume untergebracht sind. Eine künstlerische
Potenz von nicht geringem Range spricht fraglos
aus diesen Werken. Sie bergen bildnerische Ge-
danken, wie man sie in der ganzen übrigen Ausstellung
vergeblich suchen würde, und es sind Stücke einer
brillanten Malerei unter ihnen. Aber dem Ganzen
fehlt es wie so oft den Werken Corinths an dem
letzten künstlerischen Ernste. Es sind Unbegreiflich-
keiten nicht nur im einzelnen, sondern auch an ent-
scheidenden Stellen, und schließlich empfindet man
diese sehr ernsthaft gemeinten Wandbilder wie eine
parodistische Dekoration. Und dieser peinliche Ein-
druck des Ganzen verstärkt sich beinahe noch, wenn
man ins Einzelne geht und neben stark empfundenen
Gruppen ganz und gar nur dekorative Füllfiguren
findet. Es bleibt bestenfalls eine talentvolle Improvi-
sation, niemals aber ein auf die Dauer erträglicher
Schmuck eines Raumes.

Es wurde eingangs bereits erwähnt, daß neben den
Werken der zeichnenden Künste und der Wandmalerei
die Plastik innerhalb der Ausstellung besonders stark
zu Worte kommt, und der kleine Garten, in dem
eine Anzahl statuarischer Werke recht günstig zur Auf-
stellung gelangte, ist in der Tat ihr bester Teil. Den
Mittelpunkt bildet Lederers Merkur für den Frank-
furter Brimnen, eine mustergültig bewegte Freifigur,
deren kompositioneller Sinn sich erst in dem archi-
tektonischen Aufbau des Ganzen offenbart, wo das
breitbeinige Stehen zu einem schlanken Emporwachsen
wird. Neben einer solchen freien Monumentalfigur
empfindet man doppelt den kunstgewerblichen Charak-
ter der Metznerschen Stilkunst, von der wie gewöhn-
lich in diesem Hause eine Anzahl Proben zu sehen
sind. Und selbst der nicht eben starke Heinekopf
Lederers erhebt sich über Fritz Hufs Dichterbüsten
der Däubler, Rilke, Werfel, die mit recht äußerlichen
Mitteln dem inneren Charakter der Dargestellten ge-
recht zu werden versuchen. Ein Wort der Erwähnung
verdient endlich Kurt Leschnitzers »Liebespaar«, in
dem das oft krampfhafte Bemühen des Künstlers um
formalen Ausdruck zu einer rhythmisch schönen und
reifen Schöpfung führte.

Mit solchen Werken erhebt sich jedenfalls die
plastische Abteilung der Ausstellung weit über deren
übrigen Gehalt, zumal noch eine größere Zahl anderer
Namen wie der des Breslauers Alfred Vocke, des
Dresdeners Edmund Moeller, der Berliner Felix Kupsch
und Johannes Schiffner, denen sich bekannte Künstler
wie Ernst Wenck und C. A. Bermann anreihen, wohl
genannt zu werden verdienten. Hier sind positive
 
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