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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 27.1916

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Ausstellung von Handzeichnungen holländischer Meister aus dem Besitze von Dr. C. Hofstede de Groot in der Tuchhalle in Leiden
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6189#0178

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Nekrologe

344

bild eines jungen Mannes (Nr. 13, Federzeichnung), das
1623 datiert war, könnte man geneigt sein, ebenfalls den
Nie. van Reigersbergen zu sehen ; jedenfalls besteht zwischen
beiden eine starke Familienähnlichkeit; auf der zuletzt
genannten Zeichnung trägt der Jüngling noch keinen
Schnurrbart, der aber auch auf dem Bildnis von 1626 noch
recht dünn ist. Dann waren von dem seltenen O. de Heer
die Bildnisse eines Herrn und einer Dame zu sehen,
solide und sehr sorgfältige, aber in der Auffassung
nüchterne Zeichnungen in Punktiermanier, die voll be-
zeichnet und 1634 datiert waren (Nr. 61 und 62; Verstei-
gerung Muller, Juni 1910, Nr. 164). Die Figuren sind in
eine Landschaft hineingestellt, vor der sie als Riesen er-
scheinen; sehr minutiös, mit der Liebe eines Stilleben-
malers ist der Boden mit einigen Blattpflanzen im Vorder-
grund behandelt; auf dem männlichen Bildnis sind unten
vorn ein akkurat gezeichneter Schmetterling und ein Hirsch-
käfer angebracht; auf dem weiblichen kriecht eine Schnecke.
Zum Schluß erwähnen wir noch zwei Porträtstudien von
L. v. d. Cooghen (Nr. 37 und 38), von denen der Knaben-
kopf auf einer Versteigerung bei Muller (Juni 1912, Nr. 371)
vorkam, und ferner eine kleine Silberstiftzeichnung von
D. de Blieck, das Bildnis des Guilielmus Teelingius, be-
zeichnet und 1649 datiert, eine sehr gewissenhafte Kopie
nach dem Bildnisstich von P. de Jode von 1621 (Nr. 16,
Versteigerung Muller, Juni 1912, Nr. 332). m.d.h.

NEKROLOGE

Herbert Hörne j\ Im Laufe des April ist der eng-
lische Kunstschriftsteller Herbert Hörne in Florenz einem
schweren Leiden, das seit Jahren sein Leben gefährdete,
erlegen. Mit ihm verschwindet eine im Kunstleben der
Stadt überaus charakteristische Erscheinung, ein Mann von
seltener Vielseitigkeit der Anlagen und Interessen. Von
Beruf Architekt — ein Kirchenbau in London, der von ihm
herrührt, wird sehr gerühmt —, mit dichterischen Nei-
gungen, die eine Zahl feiner Poesien zeitigten, hatte er
sich vor mehr als zwanzig Jahren der Kunslforschung zu-
gewandt. Den Florentiner Malern des Quattrocento galt
seine unermüdliche Forschung, aber es vermochte ihm nicht
zu genügen, auf stilkritischem Wege einige der Rätsel
zu lösen, die trotz aller Bemühungen jeder zusammen-
fassenden Darstellung hemmend im Wege stehen: er war
bestrebt, den Künstler und sein Schaffen auf den festen
Untergrund gesicherter Tatsachen zu stellen. Die stille
Arbeit des Archivforschers sagte seiner seltsam verschlos-
senen Natur besonders zu; er gab sich ihr mit echter Ge-
lehrtenpassion hin. Man konnte ihn, so lange es seine
schwankende Gesundheit gestattete, täglich für einige Stunden
im Florentiner Staatsarchiv erscheinen sehen, wo er ge-
bückt über deren reiche Bestände sich der oft so schwie-
rigen Entzifferung der Dokumente des Quattrocento mit
unermüdlicher Geduld hingab. Ihm stand als Ziel wohl
vor Augen, die Biographien der namhaftesten Maler jener
Epoche in derselben Weise systematisch aufzuarbeiten, wie
es Cornel von Fabriczy für die Architekten und Bildhauer
des gleichen Zeitraumes so erfolgreich geleistet hat. Ein
außerordentlich großes Material ging im Lauf der Jahre
durch seine Hände und lohnte mit reichen Funden die
hingebende Mühe; veröffentlicht aber wurde von Hörne
verhältnismäßig Weniges, Fragmente. Denn es lag in seiner
eigentümlich zähen Art begründet, daß er nie etwas in
Druck geben mochte, bevor nicht das Ergebnis vollständig
gesichert war; wenn ein Glied nur in der Kette der Be-
weise fehlte, so mochte er lieber warten und weiter spüren,
um das Fehlende noch beizubringen.

Daher ist die Zahl der Arbeiten, die er veröffentlicht

hat, nicht allzu groß; aber jede bedeutet eine wahrhafte
Bereicherung unseres Faches. Nur eine große Arbeit ist
darunter, sein Monumental werk über Botticelli, von dem
aber nur der erste Band erschienen ist; der zweite Band,
der das gesamte Urkundenmaterial beibringen sollte, ist
nicht veröffentlicht worden. Große zusammenfassende Ar-
beiten lagen Home nach seiner Wesensart nicht; er hatte
zu viel Freude an feiner Ziselierarbeit und knüpfte am
liebsten an ein einzelnes Werk an, um daran seinen kri-
tischen Scharfsinn zu erweisen. Diese kleinen Arbeiten
sind dann freilich Meisterstücke unserer Fachliteratur ge-
worden; als Beispiele nenne ich die Abhandlungen über die
»Anbetung der Könige« von Botticelli in den Uffizien oder
über die Schlachtenbilder von Uccello, die beide in der
Monthly Review erschienen sind. Oder er faßte zusammen,
was er über einen bestimmten Künstler im Laufe der Jahre
gefunden hatte; so die Dokumente über Giovanni del
Pote. Ein schöner Fund im Archiv des Hospitals von
S. Maria Nuova förderte ein unbekanntes zweites Buch
»Ricordi« von Alesso Baldovinetti zutage, das er mit einem
gelehrten, den Stoff erschöpfenden Kommentar im Bur-
lington Magazine veröffentlichte. Im Laufe der Jahre hat
er überhaupt in dieser führenden englischen Kunstzeit-
schrift, deren Redaktion er als Komiteemitglied angehört
hat, seine Forschungen mitgeteilt; denn er mochte nie
etwas in einer anderen Sprache, als der einzigen, die er
selbst beherrschte, herausgeben1). Noch in der November-
nummer vergangenen Jahres hat er an jener Stelle einen
Aufsatz über das Spätwerk Botticellis, die Kommunion des
hl. Hieronymus, das aus Florentiner Privatbesitz an das
Metropolitan Museum in New York gelangt ist, erscheinen
lassen, der wohl sein letzter gewesen ist.

Außer dem Botticelli-Werk liegen m. W. nur zwei
Arbeiten von Home in Buchform vor. Die eine ist Vasaris
Biographie Leonardos mit kritischem Kommentar (London
1903), schlechthin die ideale Lösung einer solchen Aufgabe,
mit dokumentierten Angaben alles Notwendigen, aber unter
weiser Beschränkung darauf; die andere ein Neudruck von
Albertinis Memoriale'2). Aber diese letztere Arbeit verdankte
einer anderen Neigung Hornes den Ursprung, seiner Freude
am künstlerischen Buchschmuck und dem Bestreben, diesen
wieder auf die Höhe zu bringen, welche die Buchausstat-
tung in der von ihm so bewunderten Epoche des Quattro-
cento eingenommen hatte. Das kleine Heft hat den ganzen
künstlerischen Reiz eines alten Druckwerks; in Typen und
Satzbild bietet es eine vollkommene Leistung, und für
beides war der Herausgeber verantwortlich, denn Herbert
Hörne hatte die wahrhaft klassische Antiqua für den Verlag
von Chatto und Windus entworfen. Und in seiner Type
ist auch sein Botticelli-Werk gedruckt, so daß diesem auch
als Monument des Buchdrucks ein bleibender Wert gebührt
— in der Kunstgeschichte ein wohl einziger Fall, daß der
Autor diey Typen selbst entworfen hat.

Wie denn überhaupt die künstlerische Neigung sein gan-
zes Leben durchzog und ihm den schönsten Gehalt gab. Er
hatte den Wunsch, die beiden Dinge, denen er mit Passion
anhing, gewissermaßen in einem Denkmal zu vereinigen und
dieses dann als Legat der Nachwelt zu hinterlassen. Jahre

1) Soviel ich weiß, hat er einen einzigen Beitrag in
einer nicht-englischen Zeitschrift erscheinen lassen, aber
auch diesen in seiner Muttersprache: den Kommentar zu
Vasaris Biographie des Jacopo da Casentino in Band VI
der Rivista d'arte.

2) Nachträglich finde ich, daß er 1891 einen illustrierten
Katalog von Stichen nach Gainsborough und Romney hat
erscheinen lassen. Das war vor der Zeit, daß er sich ganz
der Neigung für das Florentiner Quattrocento hingab.
 
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