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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Tietze, Hans: Wiener Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0027

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 5. 27. Oktober 1916

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeilschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

WIENER BRIEF

Die Herbstausstellung des Künstlerhauses ist den
Toten gewidmet; fünf Kollektivausstellungen erneuern
das Andenken von Rudolf Bernt, Karl Maria Schwerdtner,
Eduard und Rudolf Swoboda, Wilhelm Wörnle. Vier
von diesen sind im Lauf der letzten zwei Jahre ge-
storben, einer — Eduard Swoboda — ist vor hundert
Jahren geboren; er wendet sich bereits erfolgreich an
das historische Interesse, die anderen sind bescheidene
Mitarbeiter an der Kunst unserer Zeit gewesen. Rudolf
Bernt (21. 2. 1844 — 24. 8. 1914) war ursprünglich
Architekt und Mitarbeiter Otto Wagners; aus seinem
baumeisterlichen Verständnis hat er in seine Malerei,
die hier allein gezeigt wird, einen lebhaften Sinn für
architektonischen Aufbau mitgebracht, der in den
frühesten und frischesten Blättern an Rudolf Alt er-
innert; auch die Helligkeit dieser Aquarelle, deren
Papiergrund sein Weiß reichlich hergibt, ist mit dieses
Meisters früher Arbeitsweise verwandt. Später — von
etwa 1898 an — hat Bernt nach geschlossener Bild-
richtung gestrebt und seinen Veduten die frühere
Unbefangenheit geraubt; in den Bildern aus dem fernen
Osten und den Ansichten aus Österreich bleibt das
Interesse bisweilen im Motiv stecken. — Karl Maria
Schwerdtner (27. 5. 1874 — 10. 5. 1916), der Jüngste
unter diesen Künstlern und ein indirektes Opfer des
Krieges, hat sich, der liebenswürdigen Bescheidenheit
und Grundehrlichkeit seines Wesens entsprechend, nur
selten aus dem kleinen Kreis entfernt, dem er sich
gewachsen fühlte; in diesen gelegentlichen Anläufen
zu größeren bildnerischen Aufgaben kommt er über
durchschnittliche Leistungen nicht hinaus, in der Klein-
plastik kann er sein Interesse an der Bewegung und
seine Freude am charakteristischen Genremotiv be-
friedigen. Beides hat ihn in letzter Zeit bei einer Reihe
von Kleinbronzen gefördert, die Einzelfiguren aus der
Armee darstellen. Dennoch bleibt bei diesen mili-
tärischen Genrebildern, die bisweilen das Zeug zu
guter Popularität in sich tragen, ein melancholischer
Beigeschmack; unter den Plaketten ist neben konven-
tionellen Bildnissen manche — wie das prächtige Silber-
relief der Mutter des Künstlers — voll so tiefer und
zarter Empfindung, daß man mit Bedauern daran
denkt, daß in Schwerdtner größere künstlerische Quali-
täten schlummerten, die irgend ein inneres Hindernis
nicht hervortreten ließ. — Wilhelm Wörnle (23.1.1849 —
24. 3. 1916) hat gleichfalls nur auf beschränktem Ge-
biet seine Meisterschaft ausgeübt; zuerst Kupferstecher
— noch Schüler Nehers in seiner Vaterstadt Stuttgart —,
dann Radierer, hat er seine Graphik zumeist in den
Dienst der Reproduktion von Kunstwerken gestellt.
Die impressionistische Charakterisierungsgabe eines

W. Unger oder P. Halm besaß er dabei nicht, ihm
war viel mehr an einer gleichmäßig durchgearbeiteten,
sorgfältig durchgeführten Wiedergabe seiner Vorlagen
gelegen. — Rudolf Swoboda (4. 10. 1859 — 25.1.1914)
war ein Schüler Karl Leopold Müllers; aber nur selten
erreicht er dessen Leuchtkraft und Originalität in der
Auffassung orientalischer Motive. Die Sonnenglut des
glücklichen Arabien ist zu einem Atelierlicht abgedämpft
und die Figuren wirken mehr durch gefällige Haltung
und gemäßigte Fremdartigkeit als durch die Schlag-
kraft eines starken Erlebnisses. Die Gewandtheit Swo-
bodas hat ihn zu einem Lieblingskünstler der Königin
Viktoria von England gemacht, die hunderte seiner
Blätter besaß; daß ein Ersuchen, einige dieser Arbeiten
im Schloß Osborne auf der Insel Wight zum Zweck
einer Gedächtnisausstellung leihweise zu überlassen,
bereits zwei Monate vor dem Ausbruch des Krieges
vom englischen Hof mit der Motivierung abgelehnt
wurde, man wolle die Bilder nicht ins Ausland gehen
lassen, ist ein kleiner Beitrag zur Vorgeschichte des
Krieges, den der Katalog mit Recht ans Licht zieht.

Rudolf Swoboda war der Sohn von Eduard Swo-
boda (14. 11. 1814—13. 9. 1902), dem die fünfte
dieser kleinen Ausstellungen gewidmet ist; sie ist die
interessanteste von ihnen, allerdings vielleicht nicht so
sehr wegen der persönlichen Qualität Swobodas, der
zu seiner Zeit so gut zum Durchschnitt gehörte wie
die vier Künstler, von denen zuerst die Rede war, als
weil er jener Altwiener Malerei zuzählt, der sich
das behagliche Wohlwollen der Gegenwart zuwendet.
Er war ein Schüler der Wiener Akademie, der dank
Fügers nachhaltiger Wirkung ein Stück barocker Kunst-
auffassung tief ins neunzehnte Jahrhundert hinein ins
Blut gegossen blieb; dies zeigen frühe Arbeiten wie
ein »Johannes« oder seine Skizzen zu Deckengemälden,
die allerdings neben den Vorbildern, an denen sich
Swoboda geschult hat, recht frostig wirken. Die als
»Skizze für ein Plafondgemälde« bezeichnete Nr. 208
ist eine Kopie nach Grans mächtigem Fresko im kaiser-
lichen Schloß Eckartsau; wie konnte es den Arran-
geuren der Ausstellung entgehen, daß hier ein durchaus
anderer Wurf und Zug herrschen als in Swobodas
eigenen Entwürfen! In seinen Bildnissen, Landschaften
und Genrebildern bleibt er durchaus im Geiste des
Altwienerischen; er ist immer eine Nuance schwächer
als Kriehuber, Th. Ender und Danhauser, an deren
Werke die seinen denken lassen. Trotz dieser Zweit-
rangigkeit ist Swoboda erfreulich dank der hohen
malerischen Kultur,dieer verkörpert; ein ausgesprochener
Farbensinn, der sich in Bauernbildern (z. B. 264) bis-
weilen zu großer Energie erhebt, zeichnet vor allem
die Porträts aus, die auch durch die natürliche Vor-
nehmheit der Haltung und die empfundene Geistig-
 
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