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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Franz von Bayros
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Verschiedenes / Inserate
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Personalien — Ausstellungen — Krieg und Kunst

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an einen Gegenstand herangeht, sollte wenigstens von
diesen Dingen, die anderen ernst genug sind, die Hand
lassen. Seit Makarts Zeiten ist in Wien der Hang
nach äußerlichem Prunk, einem fatalen Schick, einer
billigen Niedlichkeit nicht ganz ausgestorben. In den
Zeichnungen von Urban und Leffler drängte er sich
peinlich empor. Noch in der Ver-sacrum-Bewegung
war er nicht ganz erloschen, und selbst in Klimts
Gemälden und den Arbeiten der Wiener Werkstätten
sind diese Elemente unverkennbar. Es wäre trotz-
dem ein Unrecht, die Zeichnungen von Bayros, die
eher mit gewissen wilden Seitentrieben wie den auf
niedrigste Instinkte spekulierenden Illustrationen einiger
bekannter Witzblätter in Zusammenhang stehen, der
ernsthaften Wiener Kunst zur Last zu legen. Aber
es scheint doch in der österreichischen Hauptstadt
der Boden empfänglicher für geile Triebe, die in
Norddeutschland nicht ebenso unbehindert zur Ent-
wicklung gelangen. Es soll keinen Augenblick be-
zweifelt werden, daß in ernsthaften Wiener Kreisen
die routinierten Niedlichkeiten Bayrosscher Zeichnungen
nicht minder entschiedene Ablehnung erfahren würden
als in Berlin. So lange sie hier sich in gelegentlichen
Ausstellungen im Rahmen eines eleganten, modischen
Geschäftshauses hielten, war kein Grund, ihnen ent-
gegenzutreten. Nun sie, mit anderen Ansprüchen,
Einlaß in eine Kunstausstellung suchten und fanden,
ist es Pflicht der Kritik, ein Wort entschiedenen Pro-
testes nicht zurückhalten. Diesem mit einer aalglatten
Routine vorgetragenen Gemisch aus lüsterner Sinn-
lichkeit und mißverstandenem Rokokoornament gebührt
nicht der Name Kunst. G.

PERSONALIEN

München. Erfreulicherweise ist in diesen Tagen ein
sehr unerquicklicher Streit zur Ruhe gekommen, der weit
über München hinaus in den Kreisen der Kunsthistoriker,
namentlich der Museumsbeamten viel von sich reden
machte: der Beleidigungsprozeß Braune-Voll. Pro-
fessor Braune, der zur Zeit beim Heere steht, hat seine
Berufung gegen das Urteil der I. Instanz zurückgezogen
und daraufhin hat auch Professor Voll die von ihm ein-
gelegte Berufung zurückgenommen. Damit ist das Urteil
der I. Instanz rechtskräftig geworden, nach dem Professor
Voll zu einer kleinen Geldstrafe und Tragung der Gerichts-
kosten verurteilt worden ist. Ich habe trotz der vielfach
entstellenden und mißverständlichen Preßberichte, die seiner-
zeit im Anschluß an die Gerichtsverhandlungen erschienen
waren, es mir versagt, eine Notiz über die Angelegenheit
zu bringen, solange sie noch nicht als erledigt zu betrachten
war. Jetzt aber sei mit besonderer Entschiedenheit fest-
gestellt, daß der Prozeß mit aller Klarheit die Unrichtig-
keit jener gegen Professor Braune erhobenen ehrenrührigen
Anschuldigungen, die den Anlaß des Beleidigungsprozesses
bildeten, erwiesen hat und die Integrität der persönlichen
Ehre Professor Braunes außer allem Zweifel damit steht.
Wie erinnerlich, handelt es sich um Vorkommnisse, die
fast ein Jahrzehnt zurückliegen und die Professor Voll zum
Anlaß nahm, Dr. Braune bei seinem neuernannten Chef
aufs schwerste zu verdächtigen. Dr. Braune hat nun frei-
lich Genugtuung erhalten, und wenn Professor Voll auch
für den Irrtum seiner Beschuldigungen manche Momente
erklärend und entschuldigend geltend machen konnte, so blieb
doch ein fataler Nachgeschmack von diesem wenig erfreulichen
Kapitel der Kollegen-Feindschaften für die Unbeteiligten zu-

rück, und man darf froh sein, es nun endlich als für immer
geschlossen betrachten zu können. a. l. Mayer.

AUSSTELLUNGEN

Hamburg. Im Kunstverein und bei Louis Bock und
Sohn sind Gedächtnisausstellungen größeren Umfanges von
im Kriege gefallenen Hamburger Künstlern veranstaltet:
Walther Rosam und Fritz Liszmann. Wie so viele Ham-
burger Künstler auch aus früherer Zeit haben sie Hamburg
zwar als festen Punkt benutzt, doch nur, um hier ihre aus-
wärts gesammelten Eindrücke und Studien zu verarbeiten.
Liszmann hat vornehmlich die Vogelwelt der Arktis zum
Gegenstande seiner Darstellung gemacht. Da es ihm hier-
bei vor allem auf Festlegung der Artentreue ankam, die ohne
größte zeichnerische Genauigkeit nicht erhältlich ist, be-
tonte er selbst dort, wo er als Kolorist sich mitzuteilen
suchte, zunächst den Zeichner. WerkeseinerHand finden sich
bei Hamburger Kunstfreunden und in preußischen Galerien.

Walther Rosam ging von entgegengesetzten Grund-
lagen aus. Wiederholter Aufenthalt in Frankreich —
u. a. auch bei Matisse — verhalfen ihm zwar zu einer auf-
gelockerten, flüssigen Farbengebung, doch geschah dies
nicht ohne Einbuße an seiner ursprünglich weit gesünderen,
wenn auch derberen Eigenart. Erst in seinen letzten Ar-
beiten, namentlich in figürlichen Genres begegnen wir An-
zeichen einer bestimmten Umkehr. Sein räumlich größtes
figürliches Hauptbild »Aeneas vor Dido« erscheint als die
reichste Frucht seiner auf die Wiedergewinnung eines
Eigenstils gerichteten Bestrebungen. h. e. w.

KRIEG UND KUNST

Einer Zeitungsnachricht zufolge wurde im englischen
Oberhaus ein Gesetzentwurf eingebracht, der für ge-
wisse in englischem Privatbesitz befindliche Kunstschätze
ein Verbot, sie außerhalb des Landes zu verkaufen, sowie
dauernd bereitstehende Kredite für ihren Übergang in Staats-
besitz vorsieht. Ferner sollen Austausche von Kunstwerken
zwischen den Museen in England, sowie zwischen England
und den Dominions organisiert werden.

Leider läßt sich die Richtigkeit der Mitteilung zur Zeit
schwer nachprüfen. Aber sie ist interessant [genug, um
an dieser Stelle hervorgehoben zu werden. Es mußte nach
und vielleicht schon während des Kriegs mit einer erheb-
lichen Abwanderung europäischen Kunstgutes nach Amerika,
das zum Gläubiger der Vierverbandstaaten geworden ist,
gerechnet werden. Dem scheint das englische Gesetz einen
Riegel vorschieben zu wollen. Sehr beherzigenswert ist
aber der Grundsatz, daß das Ausfuhrverbot nur für gewisse
hervorragende Kunstwerke gelten soll, und daß nicht die
Freizügigkeit des Kunsthandels überhaupt aufzuheben be-
absichtigt wird. Eine solche Maßregel hätte nur Sinn in
einem Lande mit vollkommen abgeschlossenem, historischem
Kunstbesitz wie Griechenland, Ägypten, Italien, nicht aber
in einem modernen Kulturstaat, der nicht nur das Vorhan-
dene erhalten, sondern auch seinen Besitz erweitern will.
Denn der Abschluß eines Landes muß notwendig die
Grenzsperre bei den Nachbarn nach sich ziehen. England
ist bereits in den letzten Jahrzehnten in sehr hohem Maße
Ausfuhrland für Kunstwerke gewesen, da sein außerordent-
lich reicher privater Kunstbesitz allmählich der Auflösung
verfiel. Man wird es berechtigt finden, wenn es sich vor
einer Veräußerung der wertvollsten Schätze, die noch im
Lande verblieben sind, zu schützen sucht. Aber eine Nach-
ahmung der Maßregel sollte nur mit größter Vorsicht er-
wogen werden. Und vor allem auf deutscher Seite darf
nicht vergessen werden, daß die letzten Jahrzehnte uns
eine sehr erhebliche Vermehrung des Kunstbesitzes brach-
ten , der gegenüber der Abwanderung nur in sehr ge-
ringem Maße ins Gewicht fiel.

Inhalt: Kunstgeschichte und Wellkrieg. Von Diez. — Franz von Bayros. Von O. — Personalien. — Ausstellung in Hamburg. — Krieg und Kunst.
 
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