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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Neuerwerbungen des deutschen Museums in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0091

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 17. 19. Januar 1917

Dit Kuustchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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NEUERWERBUNGEN DES DEUTSCHEN
MUSEUMS IN BERLIN

Die Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums
hat im Laufe des vergangenen Jahres wieder eine
Reihe bedeutsamer Neuerwerbungen auf dem Gebiete
der deutschen Malerei zu verzeichnen, die bestimmt
sind, in dem Neubau des Deutschen Museums ihre
endgültige Aufstellung zu erfahren. Schon jetzt ist die
Raumfrage in dem erst vor 12 Jahren eröffneten Kaiser-
Friedrich-Museum eine so dringliche geworden, daß
nur mehr von einer provisorischen Unterbringung die
Rede sein kann. Jede Neuausstellung hat die De-
ponierung von Werken des älteren Bestandes zur Folge,
und wichtige Erwerbungen müssen überhaupt zunächst
in den Vorratsräumen zurückgehalten werden, bis die
Neubauten vollendet sind. So ergeht es dem frühesten
Stück, das im Laufe des vorigen Jahres für das Museum
angekauft werden konnte, dem großen Flügelaltar aus
Heiligenstadt, der einem weiteren Publikum vorerst
nur durch die Veröffentlichung Bodes in den Amt-
lichen Berichten zugänglich gemacht worden ist.

Von der deutschen Tafelmalerei des ausgehenden

14. Jahrhunderts besitzt das Berliner Museum bereits
eine Anzahl stattlicher Proben. Sie ist verhältnismäßig
besser hier zu studieren als die Altarmalerei des hohen

15. Jahrhunderts. Wenn alle diese Stücke in einem
Saale vereinigt werden können, wird gewiß ein höchst
eindrucksvolles Bild der deutschen Malerei im Zeitalter
der ausgehenden Gotik entstehen. Dazu wird der neu-
erworbene Altar nicht wenig beitragen. Er gehört
nicht eben zu den höchsten künstlerischen Leistungen
der Epoche, ist aber außerordentlich charakteristisch
für den beinahe pretiösen Stil der Zeit und wirkt be-
sonders anziehend durch die große Delikatesse seiner
zarten Farbbehandlung. Die Lokalisierung ist mit dem
Orte der Herkunft gegeben. Mit Recht weist Bode
auch auf die Beziehung zu den Altartafeln im Erfurter
Museum hin, die eine verwandte Behandlung des Archi-
tekturgerüstes aufweisen. Für die Zeit kommt das erste
Jahrzehnt nach der Mitte des 14. Jahrhunderts in Frage.

Weit hinab in die zweite Hälfte des folgenden
Jahrhunderts weisen die zwei Stücke, die als nicht
minder wichtige Bereicherungen der deutschen Abteilung
der Gemäldegalerie zu nennen sind. Das eine stellt
eine Anbetung der Könige dar und entstammt dem
niederrheinischen Kunstkreise. Es ist für das künftige
Deutsche Museum um so willkommener, als gerade
kompositionell reichere Werke des ausgehenden 15. Jahr-
hunderts nur erst verhältnismäßig spärlich vertreten
sind. Und an Fülle der Figuren, Mannigfaltigkeit der
Typen, Kompliziertheit der Bewegungen vermag es
diese Tafel mit jeder anderen ihrer Zeit aufzunehmen.

Friedländer wies sogleich bei Bekanntwerden des Ge-
mäldes auf den Meister des Aachener Domaltares hin.
Die Charakteristik, die er selbst bei anderer Gelegen-
heit gegeben hatte »ein wilder Meister von nicht ge-
ringer Gestaltungskraft, zwischen Engelbrechtsen und
dem Severinsmeister stehend« paßt nicht übel auch
auf unser Bild. Die Beziehung zu dem Severiner wird
besonders deutlich. Die Nähe des holländischen »Früh-
barock« ist in diesem Gemälde, wie überhaupt in der
kölnischen Kunst der Zeit, unverkennbar. Die Zu-
schreibung dürfte kaum auf ernstlichen Widerspruch
stoßen. Eine eingehendere kunsthistorische Würdigung,
die das Stück wohl verdient, steht noch aus, und es
soll ihr durch diese flüchtige Erwähnung nicht vor-
gegriffen werden. Im Anschluß an diese sehr be-
deutende Tafel sei ein ebenfalls niederrheinisches Werk,
eine Kreuzigung Christi, die dem Meister des Marien-
lebens nahe steht, nur im Vorbeigehen erwähnt. Die
Typenbildung, Kompositionsweise, Proportionierung,
Farbengebung verraten unschwer einen von dem Meister
abhängigen, wenn auch ihm nicht ebenbürtigen Künstler.

Auch die andere Tafel, deren Beschreibung wir
uns nun zuwenden, kann sich an Bedeutung mit der
niederrheinischen Anbetung der Könige nicht messen.
Wir begrüßen aber ihre Erwerbung als eine besonders
erwünschte Bereicherung, da gerade die Kunst der
oberdeutschen Meister der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts bisher nur sehr unzureichend vertreten ist,
und es sich um ein besonders qualitätvolles Stück
dieser Gruppe handelt. Es ist eine Darstellung Christi
vor Pilatus. Die kunsthistorische Einordnung hat
Friedländer in einem Aufsatz der Amtlichen Berichte
mit aller Vorsicht gegeben, indem er die zugehörigen
und verwandten Stücke namhaft machte und sich mit
der Bestimmung »Fränkischer Meister um 1480« be-
schied. Das Bild war mit einem zugehörigen Stück
der Sammlung v. Kaufmann zuletzt auf der Aus-
stellung alter Kunst aus Berliner Privatbesitz bei Paul
Cassirer zu sehen und ging dort noch unter dem
Namen Hans Schüchlins. Diese Attribution ist keines-
wegs von vornherein zu verwerfen, hält sie aber
einer schärferen Kritik nicht stand, so ist der Haupt-
grund unsere viel zu mangelhafte Kenntnis von der
Art dieses schwäbischen Meisters, der sich mit seinem
einzig sicher beglaubigten Werke, dem Tiefenbronner
Altar, in unmittelbare Nähe des Nürnberger Haupt-
meisters Michel Wolgemut stellt. Friedländers Zu-
sammenstellung der jüngeren Ansichten über den
Schwaben Schüchlin zeigt, wie ein überlieferter Name
durchaus nicht in jedem Falle aufschlußreich wirken,
wie er unter Umständen sogar zu einer Verwirrung
der Meinungen beitragen kann. Um so mehr war es
geraten, dem unbekannten Schöpfer unseres Bildes
 
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