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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Dresdner Brief, [2]
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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 19. 2. Februar 1917

Kunsichronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

DRESDNER BRIEF

Das große Ereignis im augenblicklichen Dresdner
Kunstleben ist die Sonderausstellung Ludwig
von Hofmanns in der Galerie Arnold. Den
Anlaß zu der Ausstellung bot die Berufung Hofmanns
an die Dresdner Kunstakademie, der er seit Oktober
vorigen Jahres angehört. So war der erste Versuch,
Beispiele aus Ludwig von Hofmanns gesamtem Lebens-
werk in einer geschlossenen Ausstellung zu vereinigen,
auch äußerlich gerechtfertigt. Er ist vollkommen ge-
lungen. Hofmann ist kein Unbekannter, weder in
Dresden noch in den übrigen deutschen Kunststädten,
zu geschweigen von Berlin, von wo sein Ruhm aus-
ging, als er'1891 mit Leistikow, Liebermann, Corinth
und anderen den Klub der Elf bildete, dessen Aus-
stellungen so bedeutendes Aufsehen erregten. In allen
größeren Ausstellungen war Ludwig von Hofmann
seitdem vertreten, und jeder Kunstfreund trägt wohl
ein Bild seiner anmutig-schönen Kunst als dauerndes
Besitztum mit sich durchs Leben, aber ein volles Bild
von Hofmanns gesamtem Schaffen, von seiner all-
mählichen Entwickelung wird er doch erst durch die
gegenwärtige Dresdner Ausstellung gewinnen, die nicht
weniger als 331 Ölgemälde, Pastelle, Zeichnungen, de-
korative Gemälde und Entwürfe, Lithographien und
Holzschnitte vereinigt und sämtliche Räume der Galerie
Arnold füllt.

Man darf wohl sagen, daß man selten so viel An-
mut, so viel schwungvolle Schönheit, so viel echt-
künstlerische Vornehmheit weitab von aller Süßlichkeit
oder gleichgültiger Herkömmlichkeit in diesen Räumen
zu gleicher Zeit gesehen hat. Hier ist die echte dio-
nysische Kunst voll heiterer Sinnenfreude, beruhigten
Wohlklangs klar empfundenen, zeitlosen, glücklichen
Daseins. Alles Prometheische, tragisch Leidenschaftliche,
mit dunkeln Mächten Ringende liegt dieser Kunst fern
— in allen den zahlreichen Bildern, Skizzen, Entwürfen
findet man deii gleichen Geist des tiefempfundenen,
andächtig Schönen in heiterer Klarheit wieder, und doch
ist die Ausstellung nichts weniger als eintönig und
ermüdend. Denn auf gar mannigfaltigen Schauplätzen
hat Hofmann Anregungen zu seinen Schöpfungen ge-
sucht, in Deutschland im Gebirge und am Meeresstrand,
in der Schweiz, in Italien, in Griechenland, in Klein-
asien, zumeist aber im Nirgendland der künstlerischen
Phantasie; und im Laufe der Jahre hat der Grundzug
seines künstlerischen Schaffens sich mannigfache Aus-
drucksweisen gesucht.

Auf diese Wandlungen scheint das vornehm aus-
gestattete Verzeichnis ausdrücklich hinweisen zu wollen,
denn es scheidet die Gemälde in vier Abteilungen,
nach den Jahren 1891—1895, 1895—1903, 1903—

1912 und 1912—1916. In der ersten Abteilung
finden wir einige wenige Jugendbilder vereinigt, in
der zweiten eine Anzahl der Bilder, wie den Frühling,
das Notturno, die Frauen am Meer (aus dem Museum
zu Magdeburg), die heiße Nacht, an denen wir Hofmann
zuerst lieben lernten, seine Eigenart auf uns wirken
fühlten. Hier sehen wir, wie er von der älteren Ro-
mantik — im Tale des Schreckens — ausgehend und
ihre Kraftgebärden als seinem Wesen nicht entsprechend
aufgebend —die Wirklichkeit zu einem höheren schönen
Dasein erhebt, wie er die Menschen in seine Land-
schaften setzt, zeitlos und trachtenlos, vom Alltag be-
freit, gleich den Naturverkörperungen der Alten, wie
eine Gestaltung der Naturfreude selbst die Wonne der
Natur genießend und bestimmt, die Beschauer durch
die Reinheit ihres Daseins zu erfreuen. Neben Marees
und Puvis de Chavannes, neben Böcklin und Feuer-
bach steht Ludwig von Hofmann hier als ein Eigener.
Alles, was »nicht Bild ist, was sich nicht rein in
Malerei auflöst«, bleibt seiner Kunst fern. Er will
nicht das Feierliche, nicht das Übermenschliche, nicht
das Weitabgewandte — er gibt die Welt, die Natur in
anmutiger Verklärung, er gewinnt*ihr das Schmückende,
Sinnenbeglückende ab.

In der zweiten Periode seines Schaffens, die im
wesentlichen mit seiner Tätigkeit in Weimar und seinem
wiederholten Aufenthalt in Florenz zusammenfällt, be-
tont Hofmann stärker als je vorher die Menschen, die
Figuren. Sind sie vorher inniger mit der Natur ver-
schmolzen, so treten sie jetzt selbständiger auf, die
Natur wird, ohne daß sie ihre schmückende, dekorative
Mitwirkung im Bilde verliert, mehr zum Hintergrund,
das Wesentliche des Bildes ist in den Figuren zu-
sammengefaßt. Die Farbengebung in ihren hellen und
reinen Tönen, die dem Neuimpressionismus nahesteht
und auf bestimmte farbige Zusammenklänge ausgeht,
scheidet Ludwig von Hofmann klar und bestimmt
von der Bläßlichkeit Puvis de Chavannes und der
Dumpfheit Hans von Marees'. Gesteigerte Kraft, be-
wegteres Leben — innerhalb der Grenzen der auf das
Schmuckliche ausgehenden Gesamtabsicht — machen
sich in den Bildern dieses Schaffensabschnittes geltend.
Die Wandmalereien für eine Museumshalle, die Ent-
würfe zum Fries für eine Vorhalle, zu einem Wand-
gemälde im Senatssitzungssaale der Universität Jena
sind hierfür bezeichnende Beispiele.

Schließlich geht Ludwig von Hofmann noch be-
stimmter vom anmutig Schmückenden, vom Dekora-
tiven zu großen monumentalen Wirkungen über. In
dem Bilde Schmales Ufer sehen wir die lebensgroßen
Figuren reliefartig vor einen flachen farbigen Natur-
hintergrund gestellt, alles ist vereinfacht und stilistisch
auf das Wesentliche beschränkt. Daneben sehen wir
 
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