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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Ausstellung aus Mannheimer Privatbesitz
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Becker, F.: Die Greiner-Gedächtnisausstellung im Leipziger Kunstverein
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0112

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Die Greiner-Gedächtnisausslellung im Leipziger Kunstverein

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L. Coblitz, sowie die italienisch-französierende Art
Th. Wellers durch ihre sorgfältige und feine Kunst.
Diese Mannheimer Meister sind fast allein im Erbgang
erhalten worden. Alles übrige ist durch Sammler-
tätigkeit ortsansässiger oder zugewanderter Kunstfreunde
zusammengekommen. Aus dieser Biedermeierzeit,
die fast vergessen war, stammen unsere reizenden
Funde: die bisher unbekannten Bildnisse von C. F.
Lessing, Mendelssohn und Immermann (von A. Ben-
singer), eine Anzahl interessanter Landschaften aus der
Lessing- und Schirmer-Nachfolge (Bissinger und Böck-
lin), Werke der Brüder Achenbach. Hieran reiht sich
ebenbürtig die von Lier, Schleich u. a. ausgehende
Münchner Landschaftsschule: Wenglein, Schönleber,
Baisch u. a. Die vaterländische und novellistische Note
der Kunst nach dem deutsch-französischen Krieg gibt
der Mannheimer Sammlertätigkeit mit Lenbach (Bis-
marck, Moltke, zahlreiche Bildnisse), Defregger (Köpfe
und Genrestücke), dann Gabriel Max und Grützner
durch typische Werke ihrer Kunstweise neue Antriebe.

Die Zeit, da Familienrat gehalten werden mußte,
wenn etwa ein kunsthungriger Kaufmann in einem
Bild ungefähr 300 bis 500 Mark anlegen wollte,
wurde mit dem zunehmenden Wohlstand rasch über-
wunden. Es gilt bald als Ehrensache, die neuerbauten
Kaufmannshäuser (meist Renaissance!) mit Bildwerken
zu schmücken. Und die Münchener Maler der Neu-
renaissance haben ein dankbares Feld.

Jetzt setzen auch die Sammler ein, die Kunst um
ihrer selbst willen sammeln: Alte deutsche Meister:
Cranach, Holbein, Memling, Pseudogrünewald, Wohl-
gemuth, romanische und nordische Renaissancekunst-
werke (Brekelenkam, Breughel, Brouwer, Everdingen,
Gysels, v. d. Heist, Piombino, Poelenburg, Rembrandt,
Rubens, Ruysdael, Teniers, Terborch) kommen herein
und bilden den sorgfältig gehüteten Besitz reicher
Kauf-, Fabrik- und Bankherren.

Zugleich aber wendet die rasch sich entwickelnde'
Industriestadt der neunziger Jahre sich den neuen
Meistern zu: Böcklin, Leibi, Lugo, Thoma und Trübner,
dann Liebermann, Uhde, Stuck und Corinth werden
tonangebend.

Mit der zu großem Teil in Dr. K. Lanzschen Besitz
übergehenden Sammlung Nemes (deutsche, italienische
und niederländische Meister) hat das moderne Sammler-
wesen mit großen Mitteln einen ansehnlichen Kunst-
besitz zusammengehalten und nach Mannheim gebracht.

Die neueste Phase der Sammlertätigkeit zeigt
auch einen gewissen spekulativen Wagemut, inso-
fern die neuesten Richtungen der Malerei, ihr
Modisches und Problematisches, durch einzelne Lieb-
haber und Kenner nicht vom S*ammeln ausgeschlossen
worden sind. DR. BERING ER.

DIE GREINER-GEDÄCHTNISAUSSTELLUNG
IM LEIPZIGER KUNSTVEREIN

Eindrucksvoller als alle Nachrufe über den auf
der Höhe der Meisterschaft dahingerafften Otto Greiner
wirkt die Gedächtnisausstellung, die der Kunstverein
seiner Vaterstadt Leipzig am 4. Februar eröffnete. Sie

umfaßt den größten und wichtigsten Teil seines
Lebenswerkes von den Anfangsarbeiten des Sechzehn-
jährigen bis zu dem herrlichen Wandmalerei-Entwürfe
samt Studien für die Deutsche Bücherei ausweinen
letzten Tagen. Trotz aller Hemmnisse der Kriegszeit
ist sie so reichhaltig geworden, daß sie auch intimen
Kennern und Verehrern Greinerscher Kunst Über-
raschungen bietet. Vertreten sind die in der Vater-
stadt des Künstlers besonders reichen Greiner-Samm-
lungen, in erster Linie das Kupferstichkabinett mit
einem nahezu ganz vollständigen graphischen Werke
und einer langen Reihe erlesener Zeichnungen, dann
das Museum mit den bedeutendsten Ölgemälden:
Odysseus und die Sirenen, wozu kürzlich noch das
ganz hervorragend ausdrucksvolle Bildnis Franz Lang-
heinrichs gekommen ist; ferner die besonders an
Jugendwerken reiche Sammlung Artur Haferkorns, des
ersten Zeichenlehrers Greiners, dann die des Dr. Georg
Hirzel und einige erlesene Arbeiten aus dem Besitze
Max Klingers und einzelnes aus anderem Leipziger
Privatbesitze. Von auswärts: die Greiner-Sammlung
des Kommerzienrats Hans Vogel in Chemnitz und
aus München besonders die kostbare Sammlung Franz
Langheinrichs und der künstlerische Nachlaß, soweit
er nicht noch in Rom lagert, im Besitze der Witwe
des Künstlers. Erwartet und in den Katalog schon mit
aufgenommen sind die Greiner-Sammlungen Robert
und Dr. Johannes Guthmanns und einzelnes aus
anderem Berliner und anderweitigem Privatbesitz.

Drei Räume füllt allein das graphische Werk.
Man kann da Schritt für Schritt und bis in die fein-
sten Züge die Entwicklung des großen Graphikers
verfolgen, wie er sich und seine Lieblingskunst, die
Lithographie, losriß aus Handwerksbanden und sie
zur höchsten Verfeinerung und zur gleichberechtigten
Schwester der Originalradierung erhob. Ein Zimmer
vereinigt die Jugendarbeiten, und man sieht in diesen
Blättern das junge Genie sich mühen, zuerst dem her-
gebrachten, breiten Schwarzkreideverfahren neue, feinere
Wirkungen abzuringen, dann verfolgt er immer ent-
schiedener sein technisches Ideal der feinen Strich-
technik und der flimmernden Helligkeit. Schon als
Zweiundzwanzigjähriger ist er mit einer unbeugsamen
Fertigkeit und Selbständigkeit in den Bahnen, die sein
ganzes Schaffen bestimmen. Er bekennt sich als un-
bedingten Realisten und nimmt ein peinliches, fast
fanatisches Studium der Natur, besonders des nackten
Menschen zur Grundlage seines Schaffens und Stiles.
Mit diesen auch in ihren mangelhaften Proportionen
rücksichtslos ehrlich gezeichneten Akten sucht er mutig
klassische Mythologien wie Herkules am Scheidewege
und das Parisurteil zu verkörpern und gibt Eigenes,
wenn auch oft noch rührend Unzulängliches. Freier
ist er schon früh im Bildnis und in Flöllenspuk —
oder übermütigen Bacchanten- und Saiyrdarstellungen.
Der Höhepunkt seiner ganzen Frühgraphik scheint
mir das Titelbild für eine Einladungskarte zu einer
Feier für Ludwig von Löfftz (Nr. 30 des Katalogs,
mit zwei Probedrucken) zu sein. Er gibt da seinen
eigenen Akt, nur bekleidet mit Schurz und Barett,
jauchzend in Jugendübermut und Lebensfreude, hoch
 
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