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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Tietze, Hans: Sollen kunsthistorische Expertisen honoriert werden?
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0143

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 26. 23. März 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

SOLLEN KUNSTHISTORISCHE EXPERTISEN
HONORIERT WERDEN?

Seit lange schon wollte ich den Fachgenossen
eine Frage zur Diskussion vorlegen, deren öffentliche
und offene Erörterung mir wünschenswerter und wür-
diger zu sein scheint als der Zustand schamhafter
Verschweigung oder geflüsterter Besprechung, in
dem man sie zu belassen pflegt; ob die Gutachten
von Kunsthistorikern über Kunstwerke honoriert werden
sollen und wie es geschehen soll, ist eine so bedeu-
tende wirtschaftliche und eine so wichtige Standes-
frage unseres Fachs, daß ihre Lösung und Regelung
nicht einfach dem persönlichen Geschmack und Takt
des Einzelnen überlassen bleiben sollte.

Dabei sei unter kunstgeschichtlichen Gutachten
nichts verstanden als die rein wissenschaftliche Be-
stimmung eines Gegenstandes; denn daß das Suchen
oder Finden von Kunstwerken für Sammler oder von
Sammlern für Kunstwerke, überhaupt jede vermittelnde
Tätigkeit zwischen Verkäufer und Käufer, gegen Ent-
gelt ausgeübt die Beschäftigung eines Agenten ist,
unentgeltlich betrieben aber einfach eine Gefällig-
keit, also mit dem Beruf des Kunsthistorikers so
oder so nichts zu tun hat, scheint mir selbstver-
ständlich zu sein. Dagegen erfolgt das Urteil, ob ein
Gegenstand echt oder falsch ist, welcher Zeit und Schule
er angehört, welchem Meister er zuzuweisen ist und
was sonst von ihm ausgesagt werden kann, kurz, alles
was eine Expertise über ein solches Objekt ausmacht,
aus der Summe von besonderen Kenntnissen heraus, zu
deren Erwerbung der Kunsthistoriker berufsmäßig ver-
pflichtet ist; sollte die Ausnützung seiner professionellen
Kenntnisse dem Kunsthistoriker nicht ebenso hono-
riert werden wie dem Rechtsanwalt, dem Arzt, dem
Chemiker? Die Angehörigen dieser Berufe pflegen
die Zurückhaltung der Kunsthistoriker in diesem Punkte
auch kaum verständlich zu finden; diese selbst aber
halten es wohl für statthaft, ihre in Büchern und Auf-
sätzen niedergelegten Kenntnisse honorieren zu lassen
oder Museen und Galerien gegen Gehalt zu verwalten,
zeigen aber in der hier berührten Frage eine besondere
Empfindlichkeit. Wenigstens halten wir deutschen
Kunsthistoriker — in anderen Ländern scheint mir
die Beurteilung vielfach eine laxere zu sein — es für
ungehörig, für die Abgabe eines solchen kunsthistori-
schen Urteils einen Entgelt zu verlangen oder zu er-
halten; um diejenigen, die im Rufe stehen, private
Expertisen gegen Geld zu machen, sammelt sich eine
Atmosphäre üblen Rufes, während es anderen — nicht
minder wohl bekannten — anerkennend angerechnet
wird, daß sie derartiges niemals tun.

Der Makel, der der berufsmäßigen oder gelegent-

lichen Abgabe von bezahlten Expertisen anhaftet, rührt
wohl von der bewußten oder instinktiven Einsicht her,
daß jedes materielle Interesse an dem Kunstgegenstand
— das nun einmal mit der Honorierung seiner Be-
urteilung verknüpft ist — das Urteil darüber irgend-
wie trüben könnte; also zumindest jenes interesselose
Wohlgefallen beeinträchtigt, das der ästhetischen Auf-
nahme irgendwie zugrunde gelegt wird. Deutlicher
prägt sich die mögliche Unzukömmlichkeit aus, wenn
man erwägt, daß der befragte Kunsthistoriker in der
Regel Beamter einer Sammlung sein dürfte; denn nur
die museale Praxis gibt im Allgemeinen jene Sicher-
heit des Urteils und jene Feinheit der Kennerschaft,
die der Expertise einen Wert verleihen, der Theore-
tiker wird viel seltener in der Lage sein, ein solches
Urteil über ein Kunstwerk abzugeben, teils weil er
es nicht kann, teils weil man ihn nicht fragt1). Der
Museumsbeamte ist der berufene Experte; ihn könnte
die bezahlte Beurteilung eines fremden Werks mit
den Interessen seiner Sammlung in Konflikt bringen,
schon weil finanzielle Beziehungen zu Sammlern oder
Händlern ihm wider Wollen und Wissen die unbe-
dingte Unbefangenheit in Fällen, die sein Museum
betreffen, trüben können. Hände weg von diesen
verwickelten und verführerischen Dingen, scheint die
klarste Prohibitivmaßregel zu sein; aber es ist doch
wohl fraglich, ob ein absolutes Verbot des Exper-
tierens, wie es m. W. für die Beamten der eng-
lischen Museen besteht, auch in der Praxis die rich-
tige Wirkung hat; denn erstens kann es leicht um-
gangen werden — die privaten Meinungsäußerungen
von Autoritäten sind so gut wie formelle Expertisen
und können durch private Gefälligkeiten der Inter-
essenten ebenso reich honoriert werden wie durch
formelle Honorare, — muß vielleicht schon aus ge-
sellschaftlichen Gründen umgangen werden; zweitens
wären dadurch diejenigen, die jede Bewegung der
Kunstwerke möglichst genau und überdies zu einem
Zeitpunkt überblicken sollen, bevor der betreffende
Fall allgemein bekannt geworden ist, von der natür-
lichsten Verbindung mit dieser Bewegung abgeschnitten
und drittens würden dadurch vom Expertieren gerade
diejenigen ausgeschlossen, die am meisten davon ver-
stehen und in erster Linie dazu berufen sind. Aus all
diesen Gründen ist man bei uns zumeist nicht so radikal;
die meisten Direktoren oder Kustoden öffentlicher
Sammlungen machen private Expertisen, die einen

1) Vielleicht darf ich in Parenthese dazu bemerken,
daß gerade dieser Umstand mich ermutigt, dieses heikle
und sonst gern beschwiegene Thema zu berühren; meine
Eigenschaft als Theoretiker und Nichtspezialist auf fast
allen Gebieten rettet mich vor dem Verdacht, dabei irgend-
wie pro domo zu sprechen.
 
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