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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Bode, Wilhelm von: Sollen die deutschen Kunsthistoriker sich zu einer Fachgenossenschaft zusammenschließen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0179

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang

1916/1917

Nr. 32. 11. Mai 1917

Die ;<unstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am hreitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an e. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer,

SOLLEN DIE DEUTSCHEN KUNSTHISTORIKER
SICH ZU EINER FACHGENOSSENSCHAFT
ZUSAMMENSCHLÜSSEN?

Von Dr. Wilhelm von Bode

Ein stolzes Wort über Deutschlands Aufgaben in
der Welt ist jetzt während des Kriegs oft zitiert und
leider fast ebenso oft auch mißbraucht worden. »An
Deutschem Wesen— Soll einst die Welt genesen« sollten
wir nicht in die Welt hinausrufen, ehe wir nicht zu-
erst bei uns angefangen haben, gesunde Zustände zu
schaffen. Der Krieg und seine lange Dauer hat leider
manche Übelstände und geheime Schäden sich weiter
entwickeln und selbst zu schweren Mißständen aus-
wachsen lassen, über die im »Interesse des Burgfriedens«
geschwiegen wurde. Die Not der Zeit hat endlich
dazu geführt, daß die schreiendsten Ausartungen als
solche erkannt sind und daß ernstlich Reinigung und Ab-
hilfe gesucht wird. Den Kriegswucher sucht man
zu fassen, wo man ihn entdeckt; auch dem Wucher
im Kunsthandel, wie er sich während des Kriegs in
bedenklichster Weise entwickelt hat, möchte man jetzt
mit verschiedenartigen Steuern abhelfen. Aber die häß-
lichen Nebenbegleitungen dieses wilden Kunsthandels
lassen sich nicht alle durch Steuern und Gesetze er-
fassen; die Beteiligung von Kunsthistorikern, z. T. selbst
von Museumsbeamten am Handel sind Verfehlungen,
die nur ausnahmsweise unter das Straf- oder Disziplinar-
gesetz fallen; es sind dies Fragen des Taktes, des
Anstandes, die nur innerhalb des Kreises der Kunst-
historiker selbst entschieden werden können. Dieser
Kreis ist jedoch kein geschlossener, er zerfällt in ver-
schiedene Zirkel von Dozenten der Kunstgeschichte,
Museumsbeamten und Privatgelehrten, deren Interessen
zum Teil weit auseinandergehen, und denen jede Art
von gemeinsamer Vertretung fehlt. Dieser Mangel ist
längst erkannt; durch die kunsthistorischen Kongresse
und im Anschluß daran hat man eine gewisse Ver-
einigung angestrebt. Diese ist mißglückt, weil man
sie auf internationaler Grundlage anstrebte. Eine ge-
schlossene Vereinigung der Museumsdirektoren gegen
Fälschungen von Kunstwerken, welche die Inter-
essen der öffentlichen Sammlungen nach dieser Rich-
tung sehr eifrig und mit Geschick vertrat, war gleich-
falls eine internationale und ist als solche mit dem
Kriege auf absehbare Zeit unmöglich geworden; sie war
auch in ihren Zielen zu einseitig beschränkt. Eine
bessere nationale'Basis ist geschaffen in dem Deutschen
Verein für Kunstwissenschaft. Aber dieser hat bisher
rein wissenschaftliche Aufgaben; persönliche Fragen,
Angelegenheiten unseres Faches als solche sind nicht
seine Sache. So konnte es geschehen, daß mit dem
außerordentlichen Anwachsen des Interesses an der

Kunst und damit auch der großen Zunahme im Studium
der Kunstgeschichte, mit der Bedeutung, die zugleich
der Kunsthandel und das Kunstfeuilleton in den sich
rasch vermehrenden Kunstzeitschriften und selbst in
allen Zeitungen erhielt, die Jünger der Kunstwissenschaft,
von denen bei ihrer Menge nur eine kleine Zahl auf
Verwendung in öffentlichen Ämtern ihres Faches
rechnen konnte, sich mehr und mehr an dem leichteren
und einträglicheren Feuilleton und heimlich auch am
Handel mit zu beteiligen begannen. Während des
Kriegs hat dieser Zustand, gleichzeitig mit der Zu-
nahme und Ausartung des Kunsthandels, in bedenk-
lichster Weise um sich gegriffen; das Treiben scheute
die Öffentlichkeit nicht mehr, und unter Mithilfe ge-
wisser Pressorgane gelang es einzelnen dieser Industrie-
ritter mit wissenschaftlichem Mäntelchen auch in an-
gesehene Stellungen als Museumsleiter berufen zu
werden. Die allgemeine Entrüstung der Fachgenossen
tat ihnen keinen Eintrag, da sie zu verhindern wußten,
daß es zur öffentlichen Aussprache kam, und da sie
ihrer hohen Gönner sicher zu sein glaubten. Durch ihren
Übermut und immer ärgeres Treiben haben sie sich
schließlich selbst zu Falle gebracht.

Was in Darmstadt, was in Weimar und Köln vor-
gekommen ist, darf nicht mit dem Mantel der Kolle-
gialität zugedeckt werden; die Kollegen weisen solche
Genossen energisch von sich. Aber damit in Zukunft
ähnliche Vorkommnisse mit Erfolg abgewendet werden
können, damit jedes unlautere Treiben von unserem
Fach ferngehalten wird, ist ein Zusammenschluß der
Kunsthistoriker zu einem Verband unerläßlich. Die
Dozenten der Kunstgeschichte haben einen solchen
in den Fakultäten ihrer Universitäten und Hochschulen,
dem aber nur der enge Kreis ihrer eigenen Angelegen-
heiten untersteht; die Mehrzahl der Kunsthistoriker,
die Museumsbeamten, untersteht fast nur für ihre
amtliche Tätigkeit der vorgesetzten staatlichen oder
städtischen Behörde; die zahlreichen Privatgelehrten
sind ganz auf sich gestellt. Man wird mir einwenden,
daß die Interessen und Aufgaben der Kunstgelehrten
zu verschieden seien, daß diese sich untereinander zu
fern stünden. Um so mehr bedarf es aber gerade
eines einigenden Bandes, das die weit auseinander-
gehenden Kreise zusammenhält, bedarf es eines Mittel-
punktes, der ihre gemeinsamen Interessen vertritt.
Besitzen doch manche andere wissenschaftlichen Fächer
und die meisten Berufe bei einer sehr viel größeren Zahl
ihrer Mitglieder und bei größerer Verzweigung ihrer
Wissenschaft schon seit lange ihren Fachverband, der
einem wirklichen Bedürfnis entsprungen ist und daher
segensreich wirkt. Daß eine solche Vereinigung mancher-
lei Schwierigkeiten in sich birgt, daß ihre Inszenierung
und später ihre Leitung viel Mühe macht und besonderen
 
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