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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Cohen, Walter: Die grosse Berliner Kunstausstellung 1917 im Kunstpalast zu Düsseldorf
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Sommerausstellung der "Münchener Neuen Sezession"
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0220

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Sommerausstellung der »Münchener Neuen Sezession«

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war. Gott weiß, welche Hindernisse einer vernünftigen
Zusammensetzung im Wege standen. Daß der Be-
gabteste unter den neueren Malern Düsseldorfs, August
Deusser, regelmäßig fehlte, daß man Bretz, Schmurr
und Ophey, um nur wenige zu nennen, fast immer
vermißte oder ungenügend vertreten fand, an ihrer
Stelle aber die Vielzuvielen antraf, die man auch in
ihrer Heimat kaum achtet, darf nicht wieder vorkommen.
Diese schwache Vertretung nicht nur in Berlin, sondern
auch auf anderen auswärtigen Veranstaltungen, hat dem
Ansehen der Düsseldorfer Kunst unermeßlich viel ge-
schadet. Nichts ist wünschenswerter, als daß die glück-
liche Lösung der Ausstellungsfrage, die für Düsseldorf
gefunden wurde, auch für andere Plätze Geltung erhalte!
Nur durch ein geschlossenes Vorgehen der Künstler,
nicht durch parteiische Spaltung, kann dieses Ziel
erreicht werden. WALTER COHEN.

(Ein zweiter Teil folgt.)

SOMMERAUSSTELLUNG DER
»MÜNCHENER NEUEN SEZESSION«

Die diesjährige Sommerausstellung der »Münchener
Neuen Sezession«- läßt die Kerntruppe, die in Mün-
chen tätigen Künstler, stärker zu Worte kommen, als
bei den früheren Sommerausstellungen, wohl daraus
erklärlich, daß der Einsendung größerer Ölbilder aus-
wärtiger Mitglieder vielfach Transportschwierigkeiten
im Wege standen. Um so leichter und nachdrücklicher
erhält dadurch der Besucher ein Gesamtbild von dem
gegenwärtigen künstlerischen Charakter dieser Münche-
ner Gruppe. Gewiß findet man bei näherem Zu-
sehen nicht nur erhebliche Qualitätsunterschiede unter
den einzelnen, sondern vor allem auch künstlerische
Gegensätzlichkeiten. Es fallen aber diesmal weniger
Maler aus dem allgemeinen Bild heraus, als in früherer
Zeit, eigentlich ist es diesmal nur der wie immer
recht liebenswerte R. Sieck mit seinen oberbayrischen
Landschaften, denen man eher in der alten Sezession zu
begegnen erwartet. Die meisten Münchener Mitglieder
sind durchgehends durch 4—5 größere Arbeiten ver-
treten, so daß das Gesamt- wie das Einzelbild, das man
auf dieser Ausstellung von der Gruppe und ihren Mit-
gliedern erhält, kein auf zufällige Auswahl begründetes ist.

War schon vergangenes Jahr ein starkes Abdämpfen
der grellen expressionistischen Farbfanfaren zu bemerken,
so fällt diesmal nicht nur eine noch weitergehende
zartere Farbstimmung auf, daß man mitunter fast ver-
sucht ist, von einer neuen Art Valeurmalerei zu sprechen,
sondern in erster Linie macht sich ein gewisser ge-
schmäcklerischer Zug bemerkbar. Es droht offen-
kundig der Entwicklung eine gewisse Gefahr. Wie
schon in früheren Zeiten es bei der Münchener Kunst
der Fall war, gerät im gegenwärtigen Stadium die
Gruppe etwas zu sehr ins Geschmackvolle. Vieles
wirkt wie eine neue Art Münchener Atelierkunst, die
mehr auf äußerliche Schönheit, auf geschmackvolle
Wirkung, als auf Vertiefung und starkes Zupacken künst-
lerischer Probleme ausgeht. Selbst eine gewisse Süßlich-
keit ist diesmal vielen Schöpfungen nicht fremd; von
der Herbheit der ersten expressionistischen Arbeiten, die

in diesen Räumen gezeigt wurden, ist vieles weit ent-
fernt, und es hat sich mehr hochmoderner Kitsch ein-
gestellt als eigentlich der Ausstellung zuträglich ist.

Die vier Arbeiten von Gustav Jagers pacher zeigen
wie immer ein großes Können. Aber ganz abgesehen
davon, daß das Herrenbildnis leicht verquält wirkt
und das schlafende Mädchen vor der tropenartigen
Landschaft noch nicht ganz vollendet erscheint, zeigt
sich immer deutlicher die Gefahr, daß der Künstler
einer gewissen Manier zusteuert, die deshalb beson-
ders schlimm ist, weil hier ein Extrakt aus Courbet,
Manet und Leibi mit weisgerberischen Sentenzen ver-
mischt bereitet ist, der letzten Endes ein ähnliches
Surrogat bedeutet, wie Lenbachs Mischung alter Meister.
Es fehlt dabei außerdem der wirklich große Zusammen-
schluß, der durch ein allzustarkes Verweilen bei kolo-
ristisch reizvollen Einzelpartien verhindert wird. Es
wäre sehr zu wünschen, wenn dieser von Haus aus
so sehr begabte Künstler sich entschließen könnte, mit
all diesen Dingen zu brechen und kraftvoll seine
eigenen Bahnen zu wandeln. Frau H. Jagerspacher-
Häfliger zeigt in der Atelierszene die Kunst ihres
Gatten ins ganz Triviale übersetzt und manifestiert
sich in einem süßlichen Stilleben gewissermaßen als
ein expressionistischer Adam Kunz. Kopp setzt in
seinen Bildern seine bekannte Weisgerber-Nachfolge
fort, am besten geraten ist ihm noch das zart deko-
rative Bild »Pferde im Wald«. Die koloristisch ganz
geschmackvollen, impressionistischen Bilder von H.
R. Lichtenberger, saubere, harmlose Arbeiten, bilden
gewissermaßen eine Brücke von der neuen zur alten
Sezession. Beachtenswerter als seine Arbeiten sind
die von Julius Heß, dessen Stilleben mit ihrem reichen
und doch gedämpften farbigen Klang man immer
gerne begegnet und dessen »Mutter und Kind« eine
höchst ansprechende, reife Leistung genannt zu werden
verdient. Frau Caspar-Füser zeigt in ihren zarten
Blumenstücken wie in den Landschaften einen erfreu-
lichen Fortschritt. Es ist alles gegen früher noch
lockerer, biegsamer und lebendiger geworden; die
dekorative Kraft dieser liebenswürdigen Landschafts-
und Stillebenkunst hat sich wirklich gesteigert. Noch
bedeutender erscheint der Fortschritt, den Carl Caspar
seit vergangenem Jahr gemacht hat. Ist das Damen-
bildnis eine der reifsten Leistungen, die jene süddeutsche
Malerei aufzuweisen hat, die vom Geiste Cezannes
sich zu eigenen neuen Taten hat leiten lassen, so be-
deutet das große Triptychon mit der Schmerzensmutter
als Mittelbild und je vier Darstellungen aus dem Leiden
Christi auf den Flügeln eine machtvolle Weiterent-
wicklung der dekorativ religiösen Malerei Caspars.
Mag auch im einzelnen noch manches unausgeglichen
sein, so ist doch der Entwurf des Ganzen, wie die
farbige Kontrastierung des verhaltenen Mittelstückes
zu den bunten Flügelbildern recht gelungen, und in
der Komposition der einzelnen Szene findet sich manch
schöner Gedanke. Mit sehr viel Glück ist der schwä-
bische Künstler in den Geist der alten Malerei seiner
Heimat eingedrungen, ohne im geringsten archaistisch
oder manieriert zu werden. Nicht so gelungen er-
scheint die »Taufe Christi«, dagegen besitzt der »Jo-
 
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