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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Schumann, Paul: Dreizehnter Tag für Denkmalpflege, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0011

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXIX. Jahrgang 1917/1918 Nr. 1. 5. Oktober 1917

Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 10 Mark.
Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden,
leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa
Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.

DREIZEHNTER TAG FÜR DENKMALPFLEGE
I.

Mitten im Kriege fand im Jahre 1915 die denk-
würdige Kriegstagung für Denkmalpflege statt, mitten
im Kriege trat jetzt zum dreizehnten Male der Tag
für Denkmalpflege zu einer zweitägigen Beratung in
Augsburg zusammen. Nicht weniger als 300 Teil-
nehmer hatte die Sehnsucht nach sittlicher Würde,
nach wissenschaftlicher Erkenntnis und praktischer
Weiterbildung auf dem Gebiete der Denkmalpflege
trotz Kriegsnöten und Reiseschwierigkeiten zusammen-
geführt, und keiner wird es bereut haben, nach der
prächtigen alten deutschen Stadt Augsburg gezogen
zu sein, denn die Tagung war so reich an Anregun-
gen, bot so viel Wertvolles, daß sie sich durchaus
würdig und ebenbürtig an alle vorausgehenden Ver-
anstaltungen gleicher Art seit der grundlegenden Ta-
gung zu Dresden im Jahre 1901 anschloß. Siestand
wiederum unter Leitung des Geh. Hofrats Prof. Dr.
von Öchelhäuser, der sein Geschick in der Leitung
solcher Tagungen, die so viel Takt und Schlagfertig-
keit erfordert, wieder" glänzend an den Tag legte.
Se. Kgl. Hoheit Prinz Johann Georg Herzog zu Sach-
sen wohnte der Tagung wieder von Anfang bis zu
Ende bei. Vertreten waren die Kgl. preußische Staats-
regierung durch Abgeordnete mehrerer Ministerien,
die Staatsregierungen von Sachsen, Baden, Hessen,Meck-
lenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Braunschweig, An-
halt-Dessau, Schaumburg, Hamburg, Lübeck, die
deutsche Verwaltung von Wallonien; auch Österreich
und Ungarn hatten amtliche Vertreter entsendet, ebenso
zahlreiche deutsche Städte und Verbände für Denk-
malpflege und Heimatschutz. Aus der neutralen
Schweiz waren ohne amtlichen Auftrag mehrere Teil-
nehmer erschienen.

Der bayrische Kultusminister Dr. v. Knilling be-
grüßte am Vorabend die Versammlung im Stadtgarten
in einer gehaltvollen Rede, worin er u. a. daran er-
innerte, wie pfleglich und fürsorglich die deutschen
Streitkräfte im Feindeslande "mit dem gegnerischen
Denkmalbesitz verfahren sind, wie sie sich als getreue
verantwortliche Verwalter der Kunstschätze in den be-
setzten Gebieten betrachten, eine ehrenvolle Tatsache
für uns, die keine Entstellung, keine Verleumdung
der lügnerischen Ententepresse aus der Welt schaffen
kann. Im Gegensatz dazu brandmarkte der Minister
die denkmalfeindlichen Schandtaten unserer Gegner,
besonders der Franzosen und der Russen auf deutschem
Boden in Vergangenheit und Gegenwart, und zum
Schluß legte er die bewährten bayrischen Maßnahmen
zur Denkmalpflege dar, die in der Gründung eines
Landesamtes für Denkmalpflege in Verbindung mit

einer Konservierungs- und einer Restaurierungsanstalt
ihren Mittelpunkt haben. Nicht minder herzlich wurde
die Versammlung von Augsburgs Oberbürgermeister
Geh. Hofrat von Wolfram begrüßt.

Die Vorträge leitete des Vorsitzenden v. Öchel-
häuser wohlunterrichtender, das Wesentliche knapp
zusammenfassender Bericht über die so wichtige
Kriegstagung für Denkmalpflege in Brüssel 1915 ein,
über die wir seiner Zeit in diesem Blatte ausführlich
berichtet haben. Dann hielt der stellvertretende Vor-
sitzende Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Paul Clemen-
Bonn einen anderthalbstündigen freien Vortrag über
Denkmalpflege und Heimatschutz auf dem westlichen und
dem östlichen Kriegsschauplatz. Einleitend legte er dar,
daß sich zwischenstaatliche Vereinbarungen über den
Schutz der Denkmäler im Kampfgebiete durch die Erfah-
rungen in diesem Kriege als unmöglich erwiesen haben.
Er berichtete dann ausführlich über den Zustand der
Denkmäler in Polen, Litauen und Kurland und über
den Umfang der Zerstörungen, der trotz der langen
Dauer der kriegerischen Vorgänge gegenüber den
Kunstdenkmälern nicht allzugroß ist. Im General-
gouvernement Warschau ist der Schutz der Denkmäler
der Polnischen Gesellschaft für Denkmalpflege in
Warschau anvertraut; die landeskundliche Kommission
in Polen hat in weitem Umfange auch der Denkmal-
pflege und dem Heimatschutz vorgearbeitet. In Li-
tauen ist die Denkmalpflege dem Prof. Dr. Paul Weber
(Jena) anbefohlen. Riga ist unverletzt, nur haben die
Russen die wertvollsten beweglichen Denkmalschätze
mit hinweggenommen. Der Kunstbesitz ruht hier
sicher in der Hand des hochverdienten Museumsdirektors
Wilhelm Neumann (an den übrigens der Denkmal-
pflegetag einen Dankesgruß absendete). Die Zerstö-
rungen in Belgien, die im Vergleich zu denen an den
anderen Fronten fast gering erscheinen, s"nd tunlichst
beseitigt, die Belgier haben aber die Mithilfe der
Deutschen abgelehnt. An der Westfront haben die
Deutschen nur zerstört, was die bittere Kriegsnot-
wendigkeit erforderte. Noyon wurde seiner Kunst-
schätze wegen völlig geschont, Coucy le Chäteau
mußte wegen seiner militärischen Bedeutsamkeit fallen.
Die Menge der durch unsere Gegner niederge-
machten Ortschaften, zumal in den letzten Kämpfen,
ist so gewaltig, daß sie der Zahl der durch uns ver-
nichteten Bauwerke wohl die Wage hält. Die Kathe-
drale von St.Quentin ist nach viermonatiger Beschießung
der Stadt mit 8000 Granaten am 15. August der feind-
lichen Artillerie zum Opfer gefallen. Unerhört und
unbegreiflich ist gegenüber erdrückenden Beweisen
hierfür die Behauptung, die Deutschen hätten die
Kathedrale angezündet. Geopfert worden ist auch die
Kathedrale von Reims, deren Gewölbe seit dem Brand
 
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