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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Tietze, Hans: Anton Faistauer
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0054

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Anton Faistauer — Nekrologe

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eingesenkt ist, ist dunkel waltender Instinkt oder allge-
meiner Besitz der ganzen Generation; ein Suchen in den
hie und da halbausgefahrenen Geleisen Cezannes ist nir-
gends zu bewußter und folgerichtiger Arbeit gestrafft.
Kein Pfadfinder, sondern ein glücklich begabter Ausformer
des Zeitstils gelangt hier zu Worte. Faistauer steht im
Umkreis der lebendigen künstlerischen Arbeit ähnlich wie
ein österreichischer Vorfahr, Charles Schuch, zum tiefer
dringenden Wirken eines Courbet und Leibi; er schöpft
gleich jenem die glänzende Oberfläche ab und hebt die
Dinge, die er malt, in die Idealsphäre erhöhter Existenz
oder zumindest feister Üppigkeit, die in einem alteinge-
wurzelten Bedürfnis nach festlicherem Prunk ihren Grund hat.
Schuch, der mit seiner starken Geistigkeit aus dieser Bin-
dung einen Vorzug zu gewinnen verstand, ist eine Kost
für Feinschmecker einer bestimmten Art geblieben; gegen
Scheffler sei betont, daß der Instinkt der Nation, der ihn
nicht in den kleinen Kreis der großen und lebenfördern-
den Meister aufnehmen will, sich wieder einmal als ge-
rechter erwiesen hat als die Logik des Marktes und die
Interessen des Handels. Auch Faistauer steht vor der
Wahl, ein Meister im Kleinen zu sein und diese selbst-
süchtige Einengung durch immer feinere Vervollkommnung
zu rechtfertigen oder aber den Mut der Jugend zu haben,
sicheren Besitz noch einmal um ungewisse größere Hoff-
nung preiszugeben. Für ihn ist entschlossene Selbstbe-
sinnung um so wichtiger, als seiner Kunst ein gefährlicher
Tropfen Süßigkeit innewohnt; noch besitzt sie das Reine
und Reinliche, das es nach Immermanns Ausspruch für
einen Künstler hat, nicht in der Mode zu sein, aber ge-
rade für Faistauers Art ist es schwer, die Linie, die Künstler
und Publikum trennt, nicht entgegenkommend zu über-
schreiten. HANS TIETZE.

NEKROLOGE
Einer der ältesten Mitarbeiter der Zeitschrift für bildende
Kunst, der in den sechziger und siebziger Jahren sich regel-
mäßig, besonders am Beiblatt, betätigte, ist in Bruno
Meyer aus dem Leben geschieden. Der heute ziemlich
vergessene Mann hat einst großes Ansehen genossen und
schien zu weiterem Aufstieg berufen, der ihm leider ver-
sagt geblieben ist. Nicht vergessen soll werden, daß er zu
denen gehörte, die Menzels Bedeutung verhältnismäßig früh
erkannt und verkündet haben. Bei Menzels 100.Geburtstage
erinnerten wir schon daran, wie in einem alten Bande der
Kunstchronik Bruno Meyer bei der Besprechung einer
Berliner Auktion, in der zum ersten Male Probedrucke von
Menzel vorkamen, auf den schweren Fehler der Berliner
Museen aufmerksam machte, sich diese Blätter nicht zu
sichern. Auch sonst findet sich in den alten Berliner
Kunstberichten, die Meyer regelmäßig für die Kunstchronik
schrieb, noch heute manches Goldkorn, das das Auge der
historischen Forschung immer wieder auf Meyer lenken
und sein Andenken lebendig erhalten wird. — Bruno Meyer
war 1840 in Kempen geboren, promovierte 1864 mit einer
archäologischen Dissertation und wandte sich dann äs-
thetischen und kunstpädagogischen Studien zu, die ihn zu
einem geschätzten, auch staatlich angestellten Kunstge-
schichtslehrer machten und ihm den Professortitel ein-
trugen. Später wandte er seine Interessen und seine
Arbeit den reproduktiven Künsten und Urheberrechtsfragen
zu und betätigte sich vielfach publizistisch.

August Rodin f. Von den bedeutenden französischen
Künstlern, die dem letzten Drittel des vergangenen Jahr-
hunderts ihren Stempel aufgedrückt hatten, lebte gerade
noch ein kleines Häuflein: Monet, Renoir, Degas und
Rodin. Degas ist vor ein paar Wochen gestorben, und

nun ist auch Rodin am 17. November dahingegangen.
Rodins Ruf war ganz gewaltig. Er war eine Weltberühmt-
heit. Die Anerkennung ist spät für ihn gekommen, ebenso
spät wie zu allen andern, und er ist dadurch ebenso hart und
stark geworden wie die andern mitstrebenden Genossen.

Um Rodins Kunst ganz gerecht zu werden, ist die
künstlerische Anschauung unserer Zeit gerade nicht günstig.
Die bildhauerischen Ideen unserer Künstlergeneration
stehen der Rodinschen Auffassung mit vollster Entschieden-
heit entgegen. Natürlich gibt es eine Qualität, die über
jede Zeit und Anschauung erhaben ist, die trotz aller Stil-
wandlungen ihren Wert behält. Wenn man sich aber noch
in der Gegendruckperiode befindet, so fällt es einem
schwer, eine Sache schon historisch nehmen und werten
zu sollen, gegen die immer noch gekämpft wird, wenn
auch mit sichtbarem Erfolge. Wer künstlerisch mit seiner
Zeit lebt, sei es als Künstler oder Wissenschaftler, wird
kaum unbefangenen Sinnes das erst kürzlich Überwundene
richtig abschätzen können. So haben sich in die Nach-
rufe für den hohen Meister schon recht harte Urteile ein-
geschlichen, was vor zehn Jahren sicherlich nicht der
Fall gewesen wäre. Die Berechtigung dazu wollen wir
nicht untersuchen, vielmehr bei dieser Veranlassung über-
haupt nur gedenken, was Rodin als künstlerisch schöpferische
Kraft der Welt geschenkt hat.

Rodin wurde am 4. November 1840 in Paris geboren.
Als Vierzehnjähriger kommt er als Schüler zu Lecoq de
Boisbaudran in die Ecole d'art decoratif, wo er den Grund
zu seiner »rationellen Naturbetrachtung« gelegt haben soll.
Erst 1864, also nach zehnjähriger Facharbeit, wagt er den
ersten Schritt in die Öffentlichkeit, der aber fehlschlägt,
da sein »Mann mit der zerbrochenen Nase« vom Salon
abgelehnt wird. Die Sorge ums tägliche Brot zwingt ihn,
für die Porzellanmanufaktur von Sevres zu arbeiten, was
Jahre um Jahre verschlingt. Innerlich aber ist dieser
Abschnitt die Zeit der Vorbereitung und Klärung.
1871 geht Rodin als Gehilfe Rasbourgs nach Brüssel,
wo er bis 1878 bleibt. Nach den Aussprüchen des Meisters
waren diese Brüsseler Jahre eine sehr fruchtbare und
glückliche Zeit für ihn; denn sie umschließt die erste ita-
lienische Reise 1875 — man weiß ja, was Italien und
Michelangelo für ihn bedeutete — und 1877 das erste
wesentlich selbständige Werk, das »Eherne Zeitalter«, jene
prachtvolle Jünglingsfigur, die die Bedingungen aller künf-
tigen Werke an Auffassung und Ausführung im Grunde
enthält. Nun läßt sich der Schöpfungsdrang nicht mehr
zurückhalten, und es folgt eine lange Reihe von Meister-
werken, viele mit glücklicher Hand in gelegener Zeit
vollendet, so manches große Werk aber unvollendet, durch
Jahrzehnte hindurchgeschleppt, verbessert und umgeformt,
vielleicht einer Vollendung überhaupt nicht fähig. Dazu
gehört das »Höllentor« und das »Denkmal der Arbeit«,
beides Werke, zu denen viele Einzelfiguren entstanden
sind, die aber als Ganzes unfruchtbar waren, weil solche
Aufgaben ein hohes Maß architektonischen Gestaltens ver-
langten, was Rodin aber überhaupt nicht besaß. Darum
können wir auch seinen Denkmälern nicht uneingeschränkt
zustimmen. In Einzelheiten wundervoll, in der Gesamtheit
aber der Geschlossenheit und Größe entbehrend. Es sei
hier auf die »Bürger von Calais« gewiesen, von denen jede
Figur für sich in Ausdruck und Gebärde, in der ganzen
Art ihrer Erfindung ein Meisterwerk ist. Das naturali-
stische Nebeneinanderstellen aber f ührtzu keinem Zusammen-
klingen der Formen, nicht zu jenem Rhythmus, der aus
einer Vielheit erst eine Einheit schafft. Der »Balzac« ist
in diesem Sinne glücklicher daran, weil er als Einzelfigur
diesen Rhythmus nicht unbedingt braucht. Diesen Mangel
haben selbst seine begeistertsten Lobredner gefühlt und
 
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