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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Orbaan, Johannes A. F.: Joseph Wilpert
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Mayer, August Liebmann: Bauernmalerei und Expressionismus
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0097

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173

Joseph Wilpert — Bauernmalerei und Expressionismus — Nekrologe

174

Pergament, von dem das päpstliche Wappen sich in
Gold abhebt, gebundenes Exemplar seines Buches dem
Oberhaupte seiner Kirche angeboten hätte. Er wird
sich auch denken müssen, wie es gewesen, falls es
in seiner Gegenwart in der Vatikanischen Biblio-
thek an einer Ehrenstelle seinen Platz gefunden hätte,
was Venturi sagen würde und Duchesne vivae vocis
oraculo. . . .

In dieser Zeit, die wie eine Spirale zu immer
engeren Kreisen der Beschränkung führt, mochte ein
zwar auch begrenzter Trost sich darbieten. Dieser:
daß beim Abbruch wie beim jähen Sterben sich in
uns eine höhere Schätzung bildet des Verlorenen;
so wird nicht nur das jetzt für so viele Unerreich-
bare wertvoller, sondern sie verwesentlichen voll-
kommener, was es für andere, die es doch gar
nicht oder nur einmal mit eigenen Augen hatten an-
schauen können, bedeutet. Der Kulturwert der Riesen-
arbeit steigt, wenn möglich, noch in dieser Hinsicht.

In ihrer Gesamtheit gefaßt, ist sie denn auch dazu
vorbestimmt, die Flamme der Sehnsucht zu nähren,
die im goldenen Glänze römischer Apsiden ver-
heißende Buchstaben erkennen läßt, die in Er-
füllung gehen mögen, wenn das wunderbare Bild-
nis des hl. Franziskus von Assisi nicht mehr mit so
erstaunten Augen aus dem Damals in die Gegen-
wart blicken wird. j. A. F. ORBAAN.

BAUERNMALEREI UND EXPRESSIONISMUS

In dem neuen Zeitalter eines künstlichen Primi-
tivismus mußte man von vornherein damit rechnen,
daß auch die netten Hinterglasmalereien naiver Bauern-
maler eine ungeahnte Bedeutung gewinnen würden.
Man kann und wird es keinem verwehren, sich eine
Sammlung solcher Bauernbilder anzulegen; man muß
sich auch mit der Tatsache abfinden, daß eine Reihe
unserer Expressionisten diese Art von Kunst auf sich
haben wirken lassen; wogegen man aber energisch
protestieren muß, ist die jetzt um sich greifende falsche
Einschätzung dieser Bauernkunst, sind Veröffent-
lichungen, wie die philosopliistische, zu anspruchs-
vollem Buchformat aufgeblasene Abhandlung Max
Picards über »Expressionistische ßauernmalerei« (Mün-
chen, Delphinverlag). Wir sind heute glücklich so
weit gekommen, daß Überkunst und Unterkunst sich
die Hände reichen; daß in dieser Blütezeit des Dilet-
tantismus, wo wenig positives Können nötig ist, um
sich als interessanter expressionistischer Maler gebärden
zu dürfen, wo die moderne Kritik in erschreckender
Weise das Gefühl für Qualität verloren hat, diese
Bauernmalerei eine Interpretation erfährt und die harm-
losen Bildchen geradezu verzückt gefeiert werden, wie
man es wirklich nie für möglich gehalten hätte. Es
verdient festgehalten zu werden, daß Kunstschi iftsteller
die wohlgemeinte, heute gerade durch das Gewollte,
aber nicht Gekonnte der Darstellung fesselnde »Kreu-
zigung« eines Bauernmalers als »unausschöpfbares
Werk von unerhörter Gewalt« bezeichnen; daß die
Bauernmalerei jetzt als »Das Volkslied in der Ge-
schichte der Malerei« eingeführt wird. Daß es bei

aller Kunst stets nicht nur auf das Wollen, sondern
auch auf das Können ankommt; daß große Künstler,
bei denen Wollen und Können sich nicht ganz
deckt, wie etwa Marees, doch außerordentlich viel
gekonnt haben, dies scheint man heute ganz außer
acht lassen zu wollen. Gewiß wird es stets das
Recht des Schriftstellers bleiben, die "zu be-
sprechende Darstellung stets so tief als möglich zu
interpretieren. Aber es geht nicht an, den Bauern-
malern solche Gedankengänge, solche Erwägungen
geistiger, inhaltlicher wie formaler Art anzudichten,
wie es vor allem Picard in seinem genannten Buch
tut. Es ist ja sehr schön gesagt, daß die Bauernmaler
nichts anderes wollen und können, als ihr großes und
reines Fühlen in Anschauung umzusetzen. Das wollen
und können vor allen Dingen aber auch die wirklichen
Künstler, nur mit dem Unterschied, daß hier auch ein
wirkliches Können vorhanden ist. Es gibt genug große
Maler, deren Malen noch ein viel innigeres »Hände-
falten im Geiste« ist als das der Bauernmaler.

Man rühmt neuerdings an dieser Bauernmalerei
die Echtheit des Ausdrucks und die Kraft, einem Er-
lebnis ursprünglichen Ausdruck zu verleihen, ein ex-
pressionistisches Empfinden. Allein man muß einmal
demgegenüber betonen, daß in der Bauernmalerei aus
dem Dilettantismus der Maler Formeln entstehen, die
mehr mit der Kunst des Kindes etwas zu tun haben
als mit irgendwelchem künstlerischen Stilwillen. Vor
allem aber hat das, was man allenfalls in der Bauern-
malerei Expressionismus nennen kann, mit dem, was
man heute unter Expressionismus in erster Linie ver-
steht, rein gar nichts zu tun. Herr Picard läßt freilich
in seinen Aphorismen den Expressionismus nur eine
neue Spielart des Impressionismus sein und erklärt
erst die Bauernmalerei für den wahren Expressionis-
mus. So liegen die Dinge aber nicht, selbst dann
nicht, wenn sich Herr Picard die Mühe genommen
hätte, eine neue Definition des modernen Expressio-
nismus zu geben. Ich will hier nicht im einzelnen
auf die Unterschiede zwischen Impressionismus und
Expressionismus eingehen, aber doch darauf verweisen,
daß es wohl in keines Bauernmalers Absicht je ge-
legen war, sich so von der Natur abzuwenden, wie
es der Expressionismus verlangt. A.L.MAYER.

NEKROLOGE

Der Maler Karl Brünner, Professor und Lehrer an
der Kunstgewerbeschule in Kassel, ein Studiengenossc
Thomas und Trübners, dessen siebzigsten Geburtstag wir
erst noch vor kurzem melden konnten, ist am 17. Januar
in Wilhelmshöhe gestorben. Der Künstler besaß eine er-
staunliche Vielseitigkeit, die ihm als Porträt- und Land-
schaftsmaler ebenso wie als Ktinsfgewerbler und Illustrator
Anerkennung brachte. Seine »Anatomie für Künstler« hat
allgemeine Beachtung gefunden. Für die Kunsthalle in
Basel und für die Universitätsaula in Straßburg hat er
mehrere große Figurenbilder geschaffen. Der Künstler
wurde am 4. Dezember 1847 in Karlsruhe geboren und
hat bei Ferdinand Keller und Makart studiert. Von 1888
bis 1914 wirkte er als Lehrer an der Kasseler Kunst-
gewerbeschule.
 
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