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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Kurth, W.: Hans Purrmann
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0209

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Hans Purrmann — Literatur

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an der freien Ausreife der neuen Kunst sich ein
Stück Glauben wiedergewinnen. Es gibt wenige,
deren Begabung sich gegen das Kalkül des Problems
so glücklich behauptet hat. Es gibt heute aber auch
wenige, deren Begabung so intenstiv ist und doch
wiederum lebhaft ausgreifend. Die natürliche Kraft
seines Talentes ließ ihn in München lernen, daß der
bloß malerische Wurf durch jene Freiheit ersetzt
werden muß, die durch Evolution kontinuierlich ent-
steht. So wird ein sitzender weiblicher Akt und ein
Garten mit blühenden Bäumen bereits von jener Leb-
haftigkeit und Sicherheit in der farbigen Aufteilung
der Komposition, die auch seinen späteren Arbeiten
das nivellierende Geschick eines dekorativen Farben-
geschmacks glücklich ferngehalten haben. In Paris
aber erst in der unmittelbaren Ateliernähe von Matisse
vollzieht er den Übergang von der impressionistischen
Nuance zur positiven Farbe der neuen Anschauung.
Und es scheint zugleich etwas von der freien un-
methodischen Evolution französischer künstlerischer
Erkenntnisse in Purrmann übergegangen zu sein.
Ohne exzentrische Steigerung und problematische Ver-
eisung fühlt er sich in den Bau der Form hinein,
die aus der Farbe sich aufbaut. Besonders lassen
die Stilleben aus diesen Jahren das Wachsen eines
Farbwillens erkennen, der nach Auseinandersetzungen
mit der Palette Cezannes die einfachen Werte und
starken Kombinationen von Matisse aufnimmt. Er
folgt Matisse bis zu jener letzten Konsequenz eines
Farbenstils, der den Wert der Form nur noch in der
Begrenzung der Farbenfläche reflektieren läßt. Doch
nur vorübergehend verwechselt er Intension der Farbe
mit absoluter Abstraktion; eine Gefahr, der mancher
unterlegen ist, als er beim Gobelin oder Glasfenster
endete. Stets aber hat sein Taktgefühl ihn vor der
Koketterie süßlicher Modeharmonien gewarnt, der aus
der Gefolgschaft Matisse sehr viele unterlegen sind.

Wie seine Kunst dann aber, als er im Krieg nach
Berlin übersiedelt, zu jener freien Reife, deren Früchte
von Jahr zu Jahr nachsüßen, aufsteigt, erklärt nur die
gewordene Freiheit. Es gibt heute schwerlich eine
Palette, die von einer größeren Heiterkeit durchsonnt
ist, als die Purrmanns und kaum einen, der mit ge-
ringerem technischen Aufwand seine Aufgaben löst.
Und er stellt sich keine leichten Aufgaben. Die früher
isolierte Blumenvase steht jetzt im Ateliermilieu und
die Personen werden durch Anzug oder Requisiten
gesteigert. Die farbigen Motive häufen sich. Die grüne
Wand des Ateliers durchzieht die meisten Stilleben.
Schon an ihrer Farbenstimmung allein, an ihrer wechseln-
den Teilnahme an der Farbkomposition des Bildes,
kann man die anschauliche Frische dieses heiter er-
greifenden Malerauges erleben. Die Farbennuance stellt
sich auch wieder ein und bringt eine Fülle der Be-
ziehungen zwischen den einfachen elementaren Kom-
binationen hervor. In der Landschaft hat er einstweilen
diese glückliche Harmonie und diese sprudelnde Heiter-
keit noch nicht immer gewinnen können. Heftigere
Stimmungen, größere Intervalle in den Farbakkorden
hinterlassen wohl eine größere Frische, doch will sich
hier die sinnliche Schönheit nicht einstellen. Mit diesem |

neuen Farbstil, der die Farbfläche aus der Nuance
wieder aufbauen möchte, könnte man wieder an die
Neoimpressionisten denken. Doch hat Purrmann jener
Doktrin gegenüber eine freie Sinnlichkeit, die sich eher
mit dem Altersstil Renoirs vergleichen ließe. Und es
scheint fast wie eine innere Verwandtschaft zwischen
beiden, daß diesem der Differenzierung wieder zugäng-
liche Farbstil die Haut des weiblichen Körpers als die
schönste Aufgabe ersteht. Die Ökonomie Purrmanns,
die er in der klugen Ausschaltung aller Farbnuancen,
die bloß Formen modellieren, übt, hat somit diesen
Stil Renoirs in den neuen der positiven Farbe überführt.
Die Übersetzung der Form in Farbe ist hier in einer
Art gelungen, die im alten Sinne die Schönheit der
Materie wieder erstreben möchte. w. KURTH.

LITERATUR

Gustav Glück, Niederländische Gemälde aus der Samm-
lung des Herrn Dr. Leon Lilienfeld in Wien. Mit 52 Tafeln
in Heliogr. Wien 1917, Verlag d. Ges. f. Vervielf. Kunst.
In dieser vornehm ausgestatteten Veröffentlichung stellt
Dr. G. Glück der Kunstwelt eine neue Wiener Privatgalerie
holländischer und vlämischer Gemälde des 17. Jahrhunderts,
die der Chemiker und Erfinder Dr. med. et phil. L. Lilien-
feld in den letzten zwei Jahrzehnten gesammelt hat, in
Wort und Bild auf das eingehendste vor. Er widmet das
Werk W. von Bode als dem Begründer einer neuen Art
von fesselnd geschriebenen Monographien über Privat-
galerien und weiß auf seine Weise die Besprechung der
82 Gemälde zu einer aufschlußreichen Studie über die
Hauptzweige der niederländischen Malerei zu gestalten,
indem er durch seine große Bilderkenntnis, durch vor-
sichtiges Urteil, durch Verwertung der neuesten Forschungen
und eingestreute Exkurse viel Neues und Interessantes
bringt. Alles Katalogmäßige ist in einen Anhang ver-
wiesen, um die Darstellung und Einzelbetrachtung ballast-
frei zu halten für die wichtigeren Fragen der künstlerischen
Vorzüge und der Einreihung der Gemälde in das Lebens-
werk der betreffenden Meister. Man möchte fast wünschen,
daß diese mustergültige kunstwissenschaftliche Bearbeitung
einer in der Qualität noch höheren Sammlung zuteil ge-
worden wäre. Denn man merkt dieser doch recht deutlich
ihre Entstehung in der Gegenwart an, wo Hauptwerke
der hervorragenden niederländischen Meister nur noch
selten und dann nur zu schrankenlosen Preisen vorkommen.
So umfaßt die Sammlung kein Werk, das in der Kunst-
geschichte eine besondere Rolle spielt, und hat gerade von
den ersten Namen: Frans Hals, van Dyck nur mäßige
Proben, von Rubens, Rembrandt, Jacob van Ruysdae), Jan
Vermeer nichts. Ihre besondere Stärke beruht dafür in der
Mittellage, und Sterne zweiten und dritten Grades sind zu-
meist mit sicheren und feinen Werken vertreten, die, bisher
wenig oder gar nicht bekannt, uns hier begegnen und
unsere Kenntnis bereichern. Da die Sammlung anderer-
seits auch kein uninteressantes Gemälde und keine Spuren
des Anfängers im Sammeln zeigt, macht sie einen be-
stimmten, wohlabgemessenen Gesamteindruck und gewinnt
noch sehr bei eingehender Betrachtung. Besonders Spezial-
forschern der niederländischen Malerei und Sammlern wird
eine Reihe von diesen Gemälden als feste Bestimmungs-
punkte sehr beachtenswert sein.

Unter den vlämischen Werken fallen auf ein feinge-
stimmter Einblick in eine ziemlich reich staffierte, ver-
schneite, starkbefestigte Kleinstadt, unsigniert, doch von
G. Glück mit gutem Grund Jan Bruegel d. Ält. zugewiesen;
 
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