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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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Clemen, Paul: Die Zerstörung der großen kirchlichen Baudenkmäler an der Westfront
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Inventarisation der belgischen Kunstdenkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0255

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485

Inventarisation der belgischen Kunstdenkmälef

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wohl die Kathedrale zu schonen gesucht, aber Voll-
treffer haben das Domkloster erreicht, und es war
nur ein Zufall, daß eine schwere Bombe, die in den
Bischofspalast unmittelbar beim Chor einfiel — ein
Blindgänger war. So ist der Wunderbau der Kathe-
drale im wesentlichen unverletzt. Die kostbare Aus-
stattung ist rechtzeitig geborgen. Nur der gerade in
Restauration befindliche Vierungsturm hat gelitten.
Auf das schwerste beschädigt ist dafür die Kirche
St. Martin am anderen Ende der Stadt, die Kirche
der ehemaligen Prämonstratenserabtei. Von Süden
her haben französische Granaten ihr tiefe Wunden
geschlagen, haben das ganze erste Joch neben der
Westfassade zerstört, haben den Sakristeianbau neben
dem südlichen Querschiff völlig zertrümmert, eine
gähnende Bresche ist in die Außenwand des pracht-
vollen Bauwerks gerissen, in dem ersten Joch neben
der Fassade ist mit dem Gewölbe der ganze
Arkadenbogen herausgeschlagen und das obere Mauer-
werk droht nachzustürzen. Es ist wohl möglich,
hier aufzuräumen und die gefährdeten Teile abzu-
stützen, aber den weiteren Zusammenbruch aufzu-
halten steht nicht in unserer Hand.

Eine andere ideale Fürsorge für die Bauten von
Laon ist dafür jetzt unsererseits eingeleitet. Auf Ver-
anlassung des preußischen Kultusministers hat die
königliche Meßbildanstalt unter der persönlichen Lei-
.tung des Regierungsrats von Lüpke und unter der
Teilnahme des Professors Richard Hamann die genaue
photogrammetrische Aufnahme zunächst der Kathedrale
unternommen, so daß hier ein mustergültiges Material
vorliegt, das nun auch die detaillierte Auftragung des
ganzen Bauwerks gestattet. Diese Aufnahmen werden
ergänzt durch viele Hunderte von Photographien, die
auf Anregung des Generalquartiermeisters hin von den
zuständigen Armeeoberkommandos veranlaßt worden
und in der Hauptsache durch die Vermessungsabtei-
lungen unter sachverständiger Leitung ausgeführt sind.
Am reichhaltigsten ist das Gebiet um und vor St.
Quentin, um Laon und bis vor Reims hin, und endlich
das Gebiet um und nördlich von Verdun in dieser Weise
aufgenommen. Es sind so schon im Frühjahr 1917 die
dem Untergang geweihten und die von den feindlichen
Granaten bedrohten Bauwerke im Bilde festgehalten
worden, und es ist zugleich damit eine überaus wich-
tige systematische Sammlung von kunsthistorischen
Dokumenten angelegt worden. Durch das Ober-

kommando der nördlich von Verdun stehenden Armee
wird eine große Veröffentlichung vorbereitet, von den
bei der Armee stehenden Dr. Heribert Reiners und
Dr. Wilhelm Ewald bearbeitet, die in mustergültigen
zeichnerischen Auftragungen und in großen Photo-
graphien die Baudenkmäler zwischen Maas und Mosel
festhalten und für die deutsche wie die französische
Kunstforschung überhaupt erst erschließen soll. In
Belgien, sowohl im Gebiet des Generalgouvernements
wie im flandrischen Operations- und Etappengelände,
findet diese Aufnahmetätigkeit ihre Fortsetzung in der
von S. M. dem Kaiser besonders geförderten und jetzt
von dem Generalgouvernement als wichtige Verwal-
tungsaufgabe mit übernommenen Inventarisation der
belgischen Kunstdenkmäler, die bislang schon etwa
10000 Neuaufnahmen aus Belgien zu verzeichnen
hat. Die Platten sowohl von den belgischen wie
von den französischen Aufnahmen sollen später bei
dem in Verbindung mit der Meßbildanstalt in Berlin
einzurichtenden Zentralplattendepot niedergelegt wer-
den und die Aufnahmen sollen hier allen Interessenten
ohne Einschränkung in der liberalsten Weise zur Ver-
fügung gestellt werden. —

So ist das Biid beschaffen, das heute die großen
Baudenkmäler in dem mittleren Teil der Westfront
bieten. Und diese Bauwerke waren ein Stück von dem
Edelsten und Vollkommensten, das die französische
Gotik hervorgebracht hatte — von hier aus hat ein
neues künstlerisches Evangelium seinen Ausgang ge-
nommen. Wir verstehen bei unserem Gegner den
Schmerz über den Verlust eines Besitzes, der nicht
den Franzosen allein, der der ganzen Kulturgemein-
schaft Europas angehört — und wir trauern mit ihnen
um den Untergang dieser Welt erlesener Schönheit.
Es ist eine bittere und schmerzende Notwendigkeit,
die uns jetzt wieder zwingt, das Werk der Zer-
störung in Noyon und Soissons fortzusetzen, seit die
beiden Städte zu wichtigen Stütz- und Knotenpunkten
der neuen französischen Front geworden sind. Dies
ist nur ein Ausschnitt — und dies ist noch nicht
das Ende. Wie soll der Anblick dieses gesegneten
Landes am Ende des ungeheuren Ringens sein? An
unseren Gegnern ist es, mit ihrem eigenen Lande Mit-
leid zu haben — und damit auch das, was dort noch
von monumentalen Urkunden ihrer großen Kunst auf-
recht steht, für die Nachwelt zu retten.

PAUL CLEMEN.

INVENTARISATION DER BELGISCHEN KUNSTDENKMÄLER

Um die Fülle der in Belgien erhaltenen Kunstdenkmäler
der Forschung im weitesten Umfang zugänglich zu machen,
und um diese wichtigen kunstgeschichtlichen Quellen ins-
besondere auch für die deutsche Wissenschaft zu sichern,
ist durch die in Belgien in militärischen oder Beamten-
stellungen tätigen deutschen Kunsthistoriker und Archi-
tekten eine Sammlung von Aufnahmen der belgischen
Kunstdenkmäler in Angriff genommen worden. Eine Denk-
mälerstatistik nach deutschem Maßstab liegt in Belgien
nicht vor. Für die Provinzen Brabant und Antwerpen und
für einen Teil der Provinz Ostflandern sind zwar illustrierte
Inventare veröffentlicht (nicht im Buchhandel), die aber in

den beiden ersten Provinzen nur die Ausstattung der
öffentlichen Gebäude bringen, nicht diese selbst behandeln
und darstellen, und die profanen Denkmäler, zumal die
Schloßanlagen, sowie die Sammlungen ganz auslassen.
Der große von der gutorganisierten Commission Royale
des monuments et des sites aufgestellte Plan einer wirk-
lichen Monumentalstatistik ist nicht zur Ausführung ge-
kommen. Diesem empfindlichen Mangel sucht das deutsche
Unternehmen zu begegnen durch Sammlung des Aufnahme-
materials wie der bibliographischen Nachweise. Die Samm-
lung erstreckt sich sowohl auf die Denkmäler der kirch-
lichen und profanen Architektur wie auf die Werke der
 
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