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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 55.1919/​1920 (Oktober-März)

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Nr. 17 (23. Januar 1920)
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Literatur / Notizen / Kunstmarkt / Versteigerungs-Ergebnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.29588#0383

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345

LITERATUR

Hermann Sörgel, Ardiitektur = Äf-
thetik, Piloty'S)Löhle,Mündien, 1918.

»Es ilt ein Naturgefetz jeder Wiffen-
fchaft, daß — in Perioden den Gezeiten
des Meeres vergleichbar — auf die EinzeL
forfchungen die Gefamtdarltellung folgen
muß, damit durch eine folche Reorganifa-
tion der ifolierten Kräfte die Gefamtenergie
nidit zerfplittert werde und durdi einen
rechtzeitigen Rück= und Umblidc dieWege»
riditung, nadi weldier der nächfte Vorfioß
erfolgen foll, vorgezeichnet bleibe.«

Diefe Arbeit hat Hermann Sörgel für
die Theorie der Baukunfi in vorbildlidier
Weife geleifiet. Auf einen hifiorifch-
kritifchen Teil, in dem zu den befiehenden
Syfiemen eingehend Stellung genommen
wird, folgt ein theoretifch = methodifcher
Teil, der nadi Klärung des Sonderverhält-
nilfes der Architektur-Äfihetik im Bereith
der allgemeinen KunfiwilTenrdiafi das neue
Syfiem aufbaut. Ich darf entgegen der
allzu befcheidenenen Verficherung des Ver-
falTers im Geleitwort wohl von einem
»neuem Syftern« fpredien,- denn fei es audi,
daß hinfnhtlich des rein begrifflidien Kernes
»nidit mit einer von Grund aus neuen
äfthetifdien Betrachtungsart an das Sonder-
gebiet der Baukunft« herangetreten wurde,
fo ftellt doch die Klarheit und Zielficherheit,
mit der die Materie hier geformt wurde,
als abgerundetes Ganzes ein durchaus
Neues dar: die erfie deutfche Architektur-
Äfthetik!

Nie je vorher wurde das eigentlichfie
Wefen der Architektur als raumbildende
Kunft fo klar umriffen und fo unanfecht-
bar dargeftelit als etwa durch Sörgels
Theorie von der »Konkavität«! Nun ifi
freilich zu bedenken, daß mit der Erkennt-
nis des Wefens nodh lange nidit derWeg
gefunden ift, auf dem die praktifche Aus-
wertung der Theorie vor fidi zu gehen
hat. Wir werden mit unferen Hoffnungen
in diefer Hinficht fehr beldieiden fein miillen,
vorerft damit zufrieden, wenn es uns ge-
lingt, das Schlechte zu vermeiden, bölen
Einfluß von der heranwadilenden Künftler-
generation fernzuhalten und die Urfachen
der eigenen Schwäche zu erkennen.

Als äußeren Beweis dafür, daß das

Werk eine wirklidie Lüdce auszufüllen
befiimmt war, mag man den Umftand
nehmen, daß die erfien beiden Auflagen
in ganz kurzer Zeit vergriffen waren <die
dritte Auflage ift in Vorbereitung).

Dr. Rudof Pfifter.

Dr. Theodor Piderit, Mimik und
Phyfiognomik. 3. Auflage. Detmold,
Meyerfche Hofbudihandlung, 1919.

Nur was dem Kunfthifioriker dies Budi
geben kann, foll hier erörtert werden,-
und fo mag gefagt fein, daß es nur für
denjenigen ift, der Mut und Begabung
genug hat, fidi zu den gebildeten Laien
zu zählen. — Es redinet mit den Vor-
gängern in der Phyfiognomik ab und hat
methodifch ein Redit dazu. An Stelle der
fidi Sdilüfle vortäufdienden Art Lavaters
und der materialiftifdi begründenden Ma-
nier Darwins wird hier die Mimik zur
Vorausfetzung der Phyfiognomik gemadit.
Zuverläffige phyfiognomifdie Merkmale
darf man nur an den Teilen des Kopfes
fuchen, die unter dem Einfluß der Seelen-
tätigkeit fiehen, alfo vorzüglidi den zahl-
reichen und beweglichen Muskeln des Ge-
fichts. Ein phyfiognomifcher Ausdrudc ifi
anzufehen als ein habituell gewordener
mimilcher Ausdrudc. Dies wird in fe!bft-
verfiändlicher, aber für die kunfigefchidit®
liche Difziplin immer noch vorbildlicher
Parallele mit der Literatur an Kunfiwerken
erörtert, deren Auswahl und Nachbildung
in diefer dritten Auflage uns moderner
erwünfdit wäre: man könnte heut eine
Quelle wie Porträts ungetrübter als in
Umriflen verlangen, und Beifpiele phyfio-
gnomifcher Art iießen fich aus den alten
Meiftern fchlagendere finden, als aus den
Hiftonenmalern, die zur Zeit der erften
Auflage »blühten«. Aber gerade darum
ifi das Buch für Nachdenkliche wertvoll,
weil es den Lefer dazu bringen kann,
fich felbft aus feiner Bilderkenntnis die
eingehenden Betrachtungen des Verfaflers
zu illuftrieren. Das Urteil, das der Autor
vor lünfzig Jahren über den Unwert von
Porträts fällte, die keine zuverläffigen
hifiorifdien Quellen feien, läßt fich heut
bei verbeflerter Reproduktionsmöglichkeit
 
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